Theodor von Neuhoff

König von Korsika. Sohn einer Eiflerin aus Büllingen

Groß ist die Zahl der Könige in der Weltgeschichte, aber es gab nur einen einzigen „König von Korsika“: den 1736 gewählten Theodor von Neuhoff. So außergewöhnlich wie dieser Königstitel war auch das romanhafte Leben dieses vielseitigen Abenteurers und geheimnisumwitterten politischen Agenten. Wie es sich für eine solche Persönlichkeit gehört, lag und liegt manches zu seinem Werdegang im Dunkeln. Die Unsicherheit beginnt bereits mit seiner Herkunft. Im Kontrast zum altrömischen Rechtssprichwort „Pater semper incertus est“ (der Vater ist immer ungewiss) ist es bei Neuhof die Mutter, über deren Identität lange gerätselt wurde. Theodors Vater war der sauerländische Infanterieoffizier und Freiherr Leopold Wilhelm von Neuhoff, Spross eines altadligen Geschlechts aus der ehemaligen Grafschaft Mark. Was die Mutter des späteren Königs Theodor betrifft, so gab es seit jeher mehrere Theorien. Erst in jüngster Zeit ist klareres Licht in die Verhältnisse gekommen. Nach der überzeugenden Darstellung des Genealogen Karl Oehms war die in Büllingen (heute Ostbelgien) geborene Theodora Henn (ca. 1670-1697) die Mutter Theodors. Damit gehörte er mütterlicherseits zur gleichen Büllinger Familie Henn, die um 1700 mit Alexander, Wilhelm und Benedikt Henn die Äbte von drei Trierer Klöstern stellte. Oehms kann sich dabei u.a. auf einen Taufeintrag der Pfarrkirche St. Michael (Trier) aus dem Jahr 1698 stützen, in dem Catharina Herbrand, Witwe des Wilhelm Henn aus Büllingen, als Urgroßmutter des Täuflings Theodor bezeichnet wird. Bei dieser katholischen Taufe handelte es sich nicht um die übliche Kleinkindtaufe, sondern um die Zweittaufe des bereits vierjährigen Kindes; Theodor war 1694 in Köln geboren und getauft worden – allerdings calvinistisch, nicht katholisch. Noch im Kindesalter gelangte Theodor durch Vermittlung adliger Verwandter an den französischen Hof nach Versailles, wo er Page der Prinzessin Lieselotte von der Pfalz (1652 –1722) wurde. Diese berühmte Dame des Hochadels und Schwägerin des Sonnenkönigs Ludwig XIV sorgte dafür, dass er jene exquisite Ausbildung erhielt, die damals das Pagenkorps in Versailles zu einem Vorbild in Europa werden ließ. Der außerordentlich sprachbegabte Baron Neuhoff konnte sich als Erwachsener in Deutsch, Französisch, Italienisch, Englisch und Spanisch fließend ausdrücken und las zudem altgriechische und lateinische Texte. Sportliche Begabung und Training sorgten dafür, dass er es auch in soldatischen Künsten (Reiten, Fechten, Schießen) zu hoher Meisterschaft brachte.

Nach Abschluss seiner Pagen-Zeit in Versailles wurde Theodor 17-jährig zunächst Offizier in einem französischen Regiment in Straßburg, später folgten Offizierspositionen unter anderem in bayerischen und schwedischen Diensten. Baron Neuhoff bereiste als Agent unterschiedlicher Mächte zahlreiche Länder Europas. In seinen frühen zwanziger Jahren war er erneut in Paris, wo er sich zur Begleichung von Spielschulden in dubiose finanzielle Transaktionen einließ, die ihn schließlich zwangen, Frankreich zu verlassen. Um 1718 begab er sich nach Madrid, aber auch dies war nur eine Zwischenstation in einem sehr umtriebigen Tätigkeitsfeld quer durch Europa. Auch wenn kaum nachzuvollziehen ist, wo Neuhoff überall einflussreich mitmischte, so war ein gemeinsamer Hintergrund seiner – auch alchemistischen und freimaurerischen – Aktivitäten die Verbindung zum schottischen Herrscherhaus der Stuarts. Jahrzehntelang versuchten die katholischen Stuarts nach der Absetzung des englischen Königs Jakobs II. Stuart (1688/89), wieder die Herrschaft über England und Schottland zurückzuerlangen. Zu diesem Zweck schufen ihre Anhänger – die sogenannten Jakobiten – ein ausgedehntes Netzwerk in Europa, das in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine beachtliche Rolle in den Konflikten der europäischen Mächte spielte. In diesem kontinentalen Stuart-Netzwerk hatte Baron Neuhoff nach den Forschungen des französischen Historikers Michel Vergé-Franceschi über Jahrzehnte eine zentrale Position. Die Stuart-Verbindung kam auch in Theodors Heirat mit Lady Catalina Sarsfield zum Ausdruck, einer Irin, deren jakobitische Familie den Stuarts verwandtschaftlich verbunden war. Während der frühen 1730er Jahre unterstützte Baron Neuhoff von Italien aus die korsischen Freiheitskämpfer im Unabhängigkeitskampf gegen Genua mit Geld und Waffen. 1736 setzte Theodor von Neuhoff persönlich nach Korsika über und wurde im gleichen Jahr von einem Konvent angesehener Korsen zum König von Korsika gewählt. In dieser Machtposition konnte er sich jedoch nicht lange halten. Innerkorsischer Widerstand und Angriffe durch Genuesen und Franzosen zwangen ihn, die Insel wieder zu verlassen. Später kehrte er mehrfach zurück, aber ohne bleibenden Erfolg. Seine letzten Lebensjahre verbrachte Baron Neuhoff in London, wo er verarmt nach 1756 starb. Zeichen seiner Berühmtheit waren u. a. literarische Darstellungen (z. B. durch Voltaire); die andauernde Erforschung seiner Biographie wird gewiss noch manche spannenden Fakten seines Abenteurerlebens zutage fördern.
Verfasser: Gregor Brand

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