Wilhelm Semmelroth

– Regisseur und Dramaturg aus Bitburg

Wilhelm Semmelroth gilt als „Erfinder des Straßenfegers“. Mit dem inzwischen selten gebrauchten gewordenen Ausdruck „Straßenfeger“ ist dabei natürlich kein Beruf gemeint, sondern er bezieht sich auf jene populären Fernsehfilme und Serien vor allem der Sechziger Jahre, die Millionen vor die Bildschirme lockten und zu abendlicher Stunde die Straßen gewissermaßen leerfegten. Vor allem legendäre Verfilmungen von Werken des Briten Francis Durbridge („Das Halstuch“, „Das Messer“, „Tim Frazer“) sind untrennbar mit dem Namen Semmelroths verbunden – wobei dessen Lebenswerk allerdings weit darüber hinausgeht.
Der im Mai 1914 geborene Wilhelm war der zweite Sohn des Justizobersekretärs und Gerichtsschreibers Peter Otto Semmelroth und dessen Ehefrau Margarethe Schmitz. Sein älterer Bruder Otto Semmelroth SJ (1912–1979) wurde einflussreicher Theologe. Als Professor für dogmatische Theologie wirkte er maßgeblich an der Entstehung wichtigster Dokumente des zweiten vatikanischen Konzils mit; in den 1970er Jahren war Otto Semmelroth Rektor der Philosophisch-theologischen Hochschule St. Georgen in Frankfurt/Main.

Wilhelm Semmelroth verbrachte nur sein erstes Lebensjahrzehnt überwiegend in der Westeifel. Gegen Ende seiner Volksschulzeit zog die Beamtenfamilie nach Bonn, wo er das humanistische Beethoven-Gymnasium besuchte. Sein Abitur 1932 fiel in die Endphase der Weimarer Republik, das Studium an der Bonner Universität bereits in die NS-Zeit. Semmelroth, dessen jugendliche Theaterbegeisterung sich darin gezeigt hatte, dass er keine Premiere am Bonner Theater versäumte, studierte Germanistik, Romanistik sowie Kunst- und Musikgeschichte. Eigentlich wollte er schon zu diesem Zeitpunkt Schauspieler werden, fügte sich aber dem Wunsch seines besorgten Vaters, etwas „Anständiges“ zu studieren. Mit dem Studium war jedoch bereits 1934 Schluss, als Semmelroth wegen seiner Weigerung, bei NS-Organisationen an der Uni mitzumachen, mit einem Studierverbot belegt wurde. Er selbst war darüber nicht besonders unglücklich, da er sich nun dem geliebten Theaterfach zuwenden konnte, um seinen Lebensunterhalt als Schauspieler oder auf andere Weise beim Theater zu verdienen. Es folgte eine zweijährige Ausbildung (1934–1936) an der Schauspielschule der Städtischen Bühnen in Köln, ehe er 1937 in die Reichshauptstadt zog, um – nach eigenen Worten – „Berlin zu erobern“. Ersten Jobs in Berlin und Schlesien als Schauspieler und Regieassistent setzte die Einberufung zur Wehrmacht ein unfreiwilliges Ende. Im Weltkrieg hatte Soldat Semmelroth mit den Kampfhandlungen relativ wenig zu tun, da er vorwiegend als Dolmetscher in Frankreich eingesetzt wurde. Auf der Kanalinsel Jersey organisierte er zudem im Rahmen der Truppenunterhaltung Theateraufführungen, wobei ihm zugutekam, dass er mehrere Musikinstrumente beherrschte. Gegen Kriegsende geriet er in britische Gefangenschaft. Auch in England wurden seine speziellen Qualifikationen sofort genutzt. Semmelroth arbeitete ein Jahr lang für die BBC bei Sendungen für Kriegsgefangene mit, ehe er im Mai 1946 nach Deutschland zurückkehren durfte. In Köln gestaltete Semmelroth als Mitarbeiter des Nordwestdeutschen Rundfunks (NWDR) den Nachkriegsaufbau des Rundfunks mit, was schon aufgrund der äußeren Bedingungen schwierig war: „Köln war eine Ruinenlandschaft. Zwischen Trümmerhügeln lagen Trümmertäler. Die Täler waren die Straßen, schmale stinkende Pfade“ (F. Hömke, 1974). Trotz vielfältiger Mangelsituationen gelang Semmelroth der Aufbau einer exzellenten Hörspielabteilung. 1949 wurde er Chefdramaturg beim NWDR, 1957 erfolgte nach Trennung des Senders in NDR und WDR die Ernennung zum Leiter der WDR-Hörspielabteilung. Ab 1960 leitete der Bitburger zusätzlich die Fernsehspielabteilung des Senders.

Die künstlerische Produktivität des Regisseurs Semmelroth war enorm. Nach Angaben der Historikerin Dr. Birgit Bernard inszenierte Semmelroth 36 Fernsehspiele und zwölf Mehrteiler. Besonders eng arbeitete Semmelroth mit dem Schriftsteller Herbert Asmodi (1923–2007) zusammen, aber er war auch für viele weitere berühmte Zeitgenossen des deutschen Kulturlebens eine sehr vertraute Persönlichkeit. Neben Fernsehproduktionen zählten von ihm als Regisseur geleitete Hörfunksendungen sowie Theaterinszenierungen an namhaften deutschen Bühnen zu den Hauptfeldern seiner Kreativität. Bei Produktionen des WDR führte Semmelroth auch noch Regie, nachdem er 65-jährig im Jahr 1979 in den Ruhestand getreten war. In künstlerischer Hinsicht waren für Semmelroth nicht radikale Neuerungen kennzeichnend, sondern er setzte mehr auf Werktreue und „Kunstwahrheit“ im Sinne Lessings. Film- und Hörfunkbearbeitungen von Literaturklassikern blieben ihm ein Herzensanliegen – was jedoch die Förderung junger Autoren keineswegs ausschloss.

In privater Hinsicht waren die letzten Lebensjahrzehnte des verheirateten Regisseurs und Familienvaters Semmelroth durch das Zusammenleben mit seiner großen Liebe, der 30 Jahre jüngeren Schauspielerin Jutta Kammann, geprägt. Wilhelm Semmelroth, einer der Großen des deutschen Kulturlebens nach 1945, starb 1992 in Bayern.

Verfasser: Gregor Brand

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