Wilhelm von Bernkastel

– Chronist im Kloster Eberhardsklausen

294_bernkastel_27_16Zu den Klöstern, die über Jahrhunderte hinweg im Leben der Menschen in der Eifel eine kaum zu überschätzende Rolle spielten, gehört für die Südeifel neben Himmerod vor allem Eberhardsklausen. Das dortige Augustiner-Chorherrenkloster war schon früh ein Wallfahrtsort von europaweitem Ruf; auch heute noch ist Klausen der größte Marienwallfahrtsort des Bistums Trier. Schon vor einem halben Jahrtausend suchten auf Heilung hoffende Marienpilger von Verdun oder England bis in die Donauländer den Ort auf, an dem um 1440 ein Eifler Tagelöhner namens Eberhard ein Gnadenbild zu Ehren der Muttergottes aufgestellt und eine Klause errichtet hatte. Daraus hatte sich trotz anfänglicher Konflikte schnell ein geistliches Zentrum entwickelt, das 1459 von Erzbischof Johann von Baden den Augustiner-Chorherren der Windesheimer Kongregation unterstellt wurde. Damit wurde Klausen ein Teil der von den Niederlanden ausgehenden kraftvollen Reformbewegung der Devotio moderna. Eine zentrale Persönlichkeit der Geschichte des Klausener Klosters ist der um 1460 geborene Wilhelm von Bernkastel. Obwohl er zu den eher wenig bekannten Persönlichkeiten der Eifel gehört, verdeutlichen gerade Forschungen aus neuerer Zeit seine historische Bedeutung. Besondere Verdienste gebühren dabei dem Historiker und ehemaligen Direktor des Hauptstaatsarchivs NRW in Düsseldorf Peter Dohms (geb. 1941), der sich nach seiner Doktorarbeit über Eberhardsklausen in vielen weiteren Veröffentlichungen mit Klausen befasste. In jüngster Zeit wies vor allem PD DDr. Jörg Bölling (Göttingen) eindringlich auf die Bedeutung Wilhelms hin. In seiner Dissertation „Reform vor der Reformation“ (Berlin 2014) bewertet er Wilhelms lateinisch verfasstes Chronikwerk als „eine der bedeutendsten Quellen zur spätmittelalterlichen ländlichen Frömmigkeits-praxis“, das nach Umfang und Zielsetzung alle anderen Einzelchroniken übertreffe. Bölling bilanziert: „Damit erhält die Klausener Chronik nicht nur für heutige Fragen der Alltagskultur einen einmaligen Aussagewert. Zugleich ist sie als eigenständiges Zeugnis zu lesen, das in seiner Zeit von übergroßer Wirkung war“.

Wo genau der Verfasser Wilhelm von Bernkastel geboren wurde, ist unbekannt. Trotz seines Namens ist eine Herkunft aus Kues oder benachbarten eifelmoselanischen Dörfern nicht ausgeschlossen. Bemerkenswert in Wilhelms Biografie ist jedenfalls eine besondere Verbindung zu Nikolaus von Kues. Sie zeigte sich schon früh unter anderem darin, dass er vor seinem 1481 erfolgten Eintritt ins Kloster Eberhardsklausen drei Jahre lang eine Stadtschule im niederländischen Deventer besuchte und dort in dem von Cusanus gestifteten Konvikt „Bursa Cusana“ wohnte; der Kardinal hatte die Studienplätze mehrheitlich ausdrücklich für Schüler aus Kues und Umgebung vorgesehen. Äußere Höhepunkte gab es, soweit bekannt, in Wilhelms Leben nicht. Aber darauf kam es ihm auch gar nicht an. Die Ordensgemeinschaft der Augustiner-Chorherren legte höchsten Wert auf ein zugleich kontemplatives und arbeitsames Leben in Demut und Zurückgezogenheit.  Wilhelm, 1485 zum Priester geweiht, wurde noch im gleichen Jahr von Weihbischof Johann von Eindhoven, der auch Prior von Eberhardsklausen war, beauftragt, die Geschichte von Eberhardsklausen aufzuschreiben und dabei vor allem auch die dort stattgefundenen wundersamen Mirakel festzuhalten. Johann von Eindhoven hatte zuvor schon eine grundlegende Rolle im Leben Wilhelms gespielt. Er war es gewesen, der Wilhelm in Deventer davon überzeugt hatte, nach Klausen zu gehen und sich dem Kloster anzuschließen.

Wilhelm konnte bereits nach einem Jahr einen ersten Teil der Chronik vorlegen. Bewusst setzte er darauf, nicht nur schriftliche Dokumente aus der wertvollen Klosterbibliothek heranzuziehen, sondern von älteren Zeitzeugen persönlich zu erfahren, was in Eberhardsklausen von Anfang an geschehen war. Nach der ersten Fassung arbeitete er weiter an seinem Vorhaben, das in der Kombination von Chronik und Mirakelbuch zu seinem Lebenswerk wurde. Die älteste heute noch erhaltene Handschrift stammt vom Anfang des 16. Jahrhunderts und gehört zu den wertvollsten Schätzen der Stadtbibliothek Trier. Detaillierte Studien aus jüngster Zeit konnten neben Wilhelms eigener Handschrift einige Ergänzungen von anderer Hand ausmachen. In absehbarer Zeit wird der außergewöhnliche historische Text vielleicht durch Digitalisierung weltweit interessierten Forschern zugänglich werden. Die Mirakelbücher – also nicht die eigentliche Chronik – wurden bereits 1988 von Paul Hoffmann und Peter Dohms
herausgeben.

Für Wilhelm selbst, der noch weitere Schriften verfasste, war es lebenslang Haupt- und Herzensanliegen gewesen, mit seiner Chronistenarbeit den christlichen Glauben der Leser zu stärken. Gerade in seinen letzten Lebensjahrzehnten, die in die Ära der beginnenden Reformation und den Anfang der Neuzeit fielen, wurde ihm überaus bewusst, wie gefährdet alles war. Der fromme und gebildete Chronist starb nach rund 55-jähriger Klosterzugehörigkeit am 6. März 1536 in Klausen.  

Verfasser: Gregor Brand

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