Jamaika gescheitert

Statt bei den Jamaikaverhandlungen die problematischsten Punkte zuerst anzugehen, wurden sie nach hinten verschoben und somit wurde weil gescheitert, (was zu erwarten war) wertvolle Zeit für eine Regierungsbildung vergeudet. Das ist unprofessionell. Und was machen jetzt unsere Politiker? Während Armutsrentner weiterhin aus Mülleimer Pfandflaschen sammeln müssen, Großkonzerne dem Staat Steuern in Milliardenhöhe entziehen, das Gesundheitssystem immer kränker wird, immer mehr Bedürftige ihr Essen an der Tafel erhalten, (um alle Probleme aufzuschreiben würde eine DIN-A4 Seite nicht ausreichen) labern die politischen Selbstdarsteller in Nachrichtensendern und Talkshows wie Will, Illner und Lanz darüber, wie die Stimmung der Verhandlung war, wer mit wem gekuschelt, wer zuerst, wieso, warum die Verhandlungen abgebrochen hat. Das ist ekelhaftes Affentheater und macht (nicht nur) mich wütend.
Und was die Medienvertreter sich bezüglich des Scheiterns der Verhandlungen erlauben, ist einfach ungeheuerlich. Hysterisch und ganz offensichtlich üben sie medialen Druck auf die SPD aus, indem sie eine Minderheitsregierung als Schreckgespenst anprangern. Was bilden sich diese Journalisten eigentlich ein, mit ihrer Macht der medialen Beeinflussung, eine politische Entscheidung erzwingen zu wollen? Wenn Politik und Medien so weiter machen, treiben sie noch mehr Enttäuschte in die Arme der AfD. Politiker wie Journalisten sollten eigentlich wissen, was Demokratie wirklich bedeutet.
Eine Minderheitsregierung ist eine Wechsel-Mehrheitsregierung und somit die demokratischste Art von Regierung überhaupt. Verfassungswidriger Fraktions- oder Koalitionszwang der Parteien wie derzeit üblich, beherrschen den Bundestag, was unzweifelhaft verfassungswidrig ist. Abgeordnete werden zu „Abnicker“ degradiert. Trotzdem sind sie so von sich selbst überzeugt, dass sie sich auch noch als Demokraten betrachten. Aber wehe wer gegen Parteidisziplin verstößt, – dessen Parteikarriere ist sehr schnell beendet.

Bei einer Minderheits-/Wechsel-Mehrheitsregierung müssen parteiübergreifend immer wieder neue Mehrheiten gefunden werden. Abgeordnete stimmen frei statt weisungsgebunden über Sachthemen ab, es gibt mehr Meinungsvielfalt, was zu konstruktiven Ergebnissen führt. Jeder Abgeordnete muss anschließend mit seiner persönlichen Abstimmung leben und kann sich nicht hinter der Entscheidung seiner Partei verstecken. Deshalb ist diese Regierungsform auch für die Zukunft anzustreben. Sie ist die demokratischste und zudem auch verfassungsgemäß. Weitergehend wäre noch die Möglichkeit, die Parteimitgliedschaft aller Abgeordneten für ihre Zeit im Parlament auszusetzen.

Hans-Joachim Selzer,
Bernkastel-Kues

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