Leserbrief: Wie weiterleben?

Der 11.September 2001 war schon so ein besonderes Ereignis; die eindeutige Frage dahinter: was habe ich getan oder unterlassen, dass mich oder unsere Gesellschaft andere so hassen können? Nach weiteren 10 Jahren wahnsinniger Kriege und kalkulierten Kriegsbegründungen in Afghanistan, Irak und Libyen geht das Inferno in die nächste Runde: In Syrien schlachtet ein westlich lebender Herrscher seine eigene Bevölkerung hin.Die Weltgemeinschaft, die UN findet keine gemeinsame Antwort darauf. Weil es seit der weisen und weitsichtigen Politik Michail Gorbatschows und anderer während der friedlichen Revolution 1989 keinen Dialog mehr gibt. Wir alle hofften auf ein friedliches Aufeinander-zugehen in Europa und der Welt. Statt dessen meinte die NATO und die neoliberale Weltwirtschaft, Russland nach und nach „in die Tasche stecken“ zu können.  Die Unnachgiebigkeit eines Putin ist die Antwort darauf. Aber Opfer sind die 50 Millionen Flüchtlinge in den neuen Stellvertreter-Kriegen, z.B. Syrien.

Januar 2015: Was habe ich getan oder unterlassen, dass mich oder unsere Gesellschaft andere so hassen können? Wenn ich meine Kinder für ein Bauen an einer friedlichen, gerechten und solidarischen Welt ertüchtigen will, muss ich ihnen viel Liebe schenken, von der sie zehren können, ihr Leben lang. Sind nicht die jungen Erwachsenen, Moslems oder Konvertiten, auch unsere Kinder? Die jungen Erwachsenen, die aus Deutschland und Europa über die Türkei nach Syrien und Irak in den Krieg ziehen.

Ihre Eltern waren „Gastarbeiter“, sollten also hier arbeiten und dann wieder gehen. Aber es kamen Menschen und deren Kinder, die in Vorstädten und sozialen Brennpunkten oft unter sich lebten. Sie lernten uns nicht kennen, wir lernten sie nicht kennen. In Kindergärten, Schulen und Beruf verlangen wir Assimilierung, Angleichung an die Mehrheitsgesellschaft. Wäre nicht Integration der Unterschiede zwischen den Kulturen, die nicht unüberbrückbar sondern bereichernd und bunt auch für uns alle sein können, wichtig? Ist nicht Wertschätzung der Migranten und ihrer Kinder der wichtige Baustein im Zusammenleben unter Menschen, der sonst die Liebe zu unseren leiblichen Kindern ist?

Ralf Wagner-Nowak, Daun
Flüchtlingsbeauftragter ForumEineWelt

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