Neue Risse am belgischen Bröckel-Reaktor Tihange2 entdeckt

Belgien. Experten fanden vor wenigen Tagen im Hochdruckkessel von Tihange2 insgesamt 70 Risse mehr als bei der letzten Inspektion. Das Ganze geschah rein zufällig, nur weil man die Position einer Kamera verändert hatte. 2015 hatte die belgische Atomaufsicht am Bröckel-Reaktor Tihange insgesamt 3.149 Hinweise auf Schäden festgestellt. Bei der jüngsten Überprüfung 2017 war die Zahl auf 3.219 gestiegen. Bedenklich ist die Tatsache, dass man seitens des Betreibers nicht von selbst die Öffentlichkeit über die Anzahl und Größe der Risse informiert hat. Trotzdem hat die belgische Atomaufsicht keine Bedenken, den Atomreaktor wiederanfahren zu lassen. Manch ältere Hinweise seien nach der jüngsten Kontrolle nicht mehr als Schäden eingestuft worden, heißt es aus Belgien.
Die Lethargie, mit der Belgiens Regierung dieses lebensbedrohende Thema behandelt, erschreckt. Das Land redet seit Jahren vom Atomausstieg, baut aber nicht genügend alternative Erzeugungskapazitäten auf, um seine Atommeiler abschalten zu können. Es handelt sich um ein Problem, das auch andere Länder tangiert: Tihange ist nur etwa 150 Kilometer von der Eifel-Mosel-Region entfernt.

Die Brüsseler Regierung täte gut daran, endlich ein glaubwürdiges Szenario für den Ausstieg aus der Atomkraft zu entwickeln. Das wäre im Interesse der eigenen Bevölkerung sowie der Nachbarländer. In Belgien mag Durchwursteln zur Alltagskultur gehören. Wenn es um die Sicherheit und Gesundheit von Millionen Menschen geht, kann dies jedoch keine Strategie sein.

Der Wahnsinn wird noch schlimmer: Deutschland liefert nicht nur Brennelemente nach Tihange und Doel. NRW trägt auch zur Finanzierung der umstrittenen Atomkraftwerke bei. Nach WDR-Recherchen ist der Pensionsfonds des Landes NRW über Anleihen und Index-zertifikate mit insgesamt 23,3 Mio. Euro (Stand 31.12.2016) an den französischen Energiekonzernen EDF und ENGIE beteiligt. ENGIE betreibt über seine belgische Tochter Electrabel die belgischen Atomkraftwerke Tihange und Doel. EDF ist unter anderem für die umstrittenen französischen AKW Fessenheim und Cattenom verantwortlich.

Die Bundesregierung, verschiedene Länder und grenznahe Gemeinden haben wiederholt wegen Sicherheitsbedenken die Schließung dieser Anlagen gefordert. Der Landtag von NRW hatte der Betreibergesellschaft Electrabel im Dezember vergangenen Jahres fast einstimmig „fehlendes Verantwortungsbewusstsein für den Betrieb kerntechnischer Anlagen“ und „gravierende technische und organisatorische Defizite beim Betrieb“ der Reaktoren in Doel und Tihange bescheinigt.

Das für den Pensionsfonds damals zuständige, SPD-geführte NRW-Finanzministerium erklärte auf Anfrage, die Beteiligungen an EDF und ENGIE seien lange vor Verabschiedung der neuen Anlagerichtlinien eingekauft worden, die am 1. Juni 2017 in Kraft treten und die Beteiligung an Atomkonzernen grundsätzlich ausschließen. Über die bestehenden Beteiligungen etwa an EDF und ENGIE werde erst nach Inkrafttreten der neuen Anlagerichtlinie entschieden. Inzwischen ist die SPD-Regierung abgewählt. Das neue CDU/FDP Bündnis ist noch nicht startklar. Ob und wie schnell diese wahnsinnige Beteiligungen tatsächlich aufgelöst werden, ist daher noch unklar.

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