Komasaufen, Binge-Trinken – nichts geht mehr?

Info-Abend der Kinderschutzgruppe Känguruh und vieler Kooperationspartner präsentierte aktuelle Daten und Sichtweisen rund um den Alkoholkonsum im Jugendalter.

Wittlich. In den letzten Jahren hat die Zahl der mit Alkoholvergiftungen im Verbundkrankenhaus Bernkastel / Wittlich eingelieferten Jugendlich speziell in der Altersgruppe der 13 – 15 Jährigen zugenommen. Für die Vorsitzende der Kinderschutzgruppe Andrea Jehn eine besorgniserregende Entwicklung, die sich auch in den Statistiken anderer Landkreise in Rheinland-Pfalz widerspiegelt. Die Oberärztin der Wittlicher Kinder- & Jugendmedizin begrüßte am 13. September 2017 rund 40 Besucher zum 3. Infotag der Kinderschutzgruppe, unter ihnen Ärzte, Lehrer, Erzieher, Jugendliche und Eltern.

Welche Ursachen hat diese Entwicklung und gibt es Präventions- und Einflussmöglichkeiten?

Referentin Helga Thiel, von der Suchtberatung des Caritasverbandes Mosel-Eifel-Hunsrück e.V., sah einen Grund in der deutschen „Trinkkultur“. Alkohol gehöre zu Festen im Familien-, Kollegen- oder Freundeskreis derart dazu, dass für Nichttrinker ein regelrechter Rechtfertigungsdruck entstehe. „Das soziale Umfeld beeinflusst stark“, betonte Thiel, „ein früher Kontakt mit Alkohol u.a. bei Familienfesten senke in Kindern bereits die Hemmschwelle“. Sie appellierte an die Vorbildfunktion der Eltern für einen verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol und riet dazu, Kinder frühzeitig über die Risiken des Alkoholkonsums aufzuklären: „Komasaufen, Trinkspiele und sogenanntes Binge-Trinken (binge= englisch für exzessiv) sind nicht folgenlos, besonders nicht für den jugendlichen Organismus.“

Im zweiten Vortrag erläuterte der Hontheimer Kinder- und Jugendpsychotherapeut R. C. Dobberke, welche Vorstellungen Jugendliche mit Alkoholkonsum verbinden, u.a.: sich stark fühlen, dazu gehören, offener auf andere zugehen können. Wie bei Erwachsenen auch, liege der Schlüssel „ …immer im Mensch und nicht in der Droge“, betonte er. Alkohol wird als Lösung angesehen, um innere kritische Stimmen zu betäuben und als unerträglich empfundene Lebenssituationen durchzustehen. Eine Lösung, aber eine höchstgefährliche! „Besonders Kinder sind ihren Impulsen und Wünschen in starkem Maße ausgeliefert“, warnt der Experte. Eine scheinbar einfache Erfüllung, die z.B. mit Alkoholkonsum kurzzeitig gelingt, wird da schnell zur Gewohnheit, aus dem ersten Angebot kann Abhängigkeit werden. Je jünger ein Mensch ist, umso weniger könne er sich dem entziehen. Hilfsansätze sah er im Finden alternativer Bewältigungsstrategien für die individuell empfundenen Schwächen und Probleme: „Jede gefühlte Begrenztheit findet zumeist nur in unserem Kopf statt“, unterstrich Dobberke.

Die abschließende Diskussion ging u.a. dem Vergleich mit Erfahrungen in europäischen Nachbarländern nach sowie der Frage zu einer Anhebung der Altersgrenze für den Alkoholerwerb auf 18 Jahre. Während generelle Verbote übereinstimmend nicht als geeignetes Mittel zur Senkung jugendlichen Alkoholkonsums gesehen wurden, traf eine Regelung über den Erwerbspreis, wozu die seit 2004 geltende Alkopop-Steuer diente, auf die Zustimmung der Organisatoren und Besucher des Abends. Begleitende Infostände von Weisser Ring, DRK Bildungswerk, Caritas Verband, Dekanat Wittlich sowie vom Jugendamt der Kreisverwaltung Bernkastel-Wittlich berieten u.a. zu den Themen: Schutz vor k.o.-Tropfen im Getränk, Alkohol-Wissentest, Reanimationsübungen und Präventionsangeboten für Schulen und Jugendeinrichtungen in unserer Region.

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