Dörfer ohne Zukunft? – NEIN!

Region. Der letzte Laden hat längst geschlossen. Der Landarzt ist auch schon 70 und sucht seit Jahren vergebens einen Nachfolger. Die Bankfiliale und selbst der Geldautomat ist aus dem Dorf verschwunden. Die Politik scheint sich auch vom Land zu verabschieden. So plant man bereits an einer „Notversorgung“ oder einem modernen „Rosinenbomberprojekt“ fürs Land mit Drohnen, die die letzten Bewohner aus der Luft mit dem Notwendigsten versorgen.

Sieht so die Zukunft unserer Dörfer aus?
Lediglich 8 % der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland wohnt in Dörfern unter 3.000 Einwohnern. Auch das ist wohl ein Grund, warum man die Landstriche abseits der großen Städte und Ballungsgebiete augenscheinlich schon aufgegeben hat. Die Politik stellt sich die Frage, ob Investitionen ins flache Land sich überhaupt noch lohnen.Versenkt man hier nicht viel Geld in Infrastruktur ohne Zukunft?

Es gibt Hoffnung fürs Land!
Nicht alle Dörfer und ihre Bewohner wollen sich in ihr düsteres Schicksal fügen. Sie haben erkannt, dass Hilfe von aussen nicht zu erwarten ist und nehmen ihr Schicksal deshalb selbst in die Hand.
Sie tun das mit der den Dörfern ureigensten Kraft, die umso größer ist, desto kleiner die Dörfer sind. Es ist die Kraft der lebendigen Dorfgemeinschaft, die Berge versetzen kann. Diese Kraft ist die letzte Hoffnung für die Dörfer. Wenn sie aktiviert und entfacht werden kann, dann ist im kleinsten Dorf alles möglich. Wo sie stirbt, sterben auch die Dörfer. Die Bewohner des Dorfes sind in erster Linie selbst verantwortlich für ein lebenswertes Dorf mit all den Faktoren, die das Leben im Dorf so viel attraktiver machen als ein Leben in einer anonymen Großstadt. Sie haben es selbst in der Hand, ob ihr Dorf den schleichenden Tod stirbt oder in eine hoffnungsvolle Zukunft schauen kann.

Der eigene Dorfladen als neuer Dorfmittelpunkt
Neben anderen wichtigen Einrichtungen der dörflichen Infrastuktur ist ein dorfeigener Laden Dreh- und Angelpunkt einer erfolgreichen Dorfentwicklung hin zu einem lebendigen Dorf.
Er ist ein Ort der Begegnung und der Kommunikation, ein Ort zur Pflege des sozialen Miteinanders. Der Dorfladen ermöglicht es, Vieles von dem, was über die Jahre den Rückzug aus dem Dorf angetreten hat, wieder zurückzuholen. Beispielhaft seien hier Postdienstleistungen oder die Nahvorsorgung mit Lebensmitteln zu nennen. Dabei muss ein erfolgreicher und überlebensfähiger Dorfladen mehr sein als Lebensmittel-Nahversorger. Er muss auch mehr sein als Notversorger für eine immer älter werdende Bevölkerung. Er muss auch wirtschaftlich erfolgreich sein, wenn er auf Dauer erhalten bleiben soll. Dass das im kleinsten Dorf möglich ist, zeigen einige (wenige) Beispiele, auch in Rheinland-Pfalz.

Dieser „Tante Emma-Laden“ in Urschmitt hat nach 140 Jahren Ende 2016 geschlossen

Dort, wo Dorfläden erfolgreich sind, ist dies in erster Linie auf den Willen der Dorfgemeinschaft zur Erhaltung und Gestaltung ihres eigenen Lebensumfeldes zurückzuführen. Wo Dorfläden scheitern, war die Dorfgemeinschaft nicht bereit Verantwortung für dessen Erhalt zu übernehmen. Vielfach wird ein Dorfladen nicht von selbst, z.B. als privatwirtschaftlich, eigentümergeführter Laden entstehen. Die Privatwirtschaft wird die Probleme der Dörfer nicht beheben. Zu gering ist der zu erwartende Gewinn. Diese widrigen Bedingungen verhindern im Übrigen auch viele andere Entwicklungen in unseren Dörfern.

Deshalb muss die Dorfgemeinschaft die Geschicke selbst in die Hand nehmen. Modelle, an denen man sich orientieren kann, gibt es genug. Vom genossenschaftlich betriebenen Laden bis zum wirtschaftlichen Verein gibt es vielerlei Möglichkeiten. Voraussetzungen sind  Mut und Tatkraft, Personen, die sich zum Motor der Entwicklung machen und genügend Mitstreiter, die das Projekt zum Erfolg bringen. Ist der Dorfladen dann gestartet, dann liegt es an der Dorfgemeinschaft, den erfolgreichen und damit zukunftsfähigen Betrieb auf Dauer zu sichern.

Es ist relativ einfach – Jeder aus dem Dorf ist aufgerufen, durch seinen Einkauf im Dorfladen für seine wirtschaftliche Tragfähigkeit zu sorgen. Es ist dabei nicht damit getan, nur das im Dorfladen einzukaufen, was man in der Stadt beim Discounter vergessen hat. Es ist nicht damit getan, dass nur ein paar ältere Mitbürger im Dorfladen einkaufen, weil sie nicht mehr mobil sind. Es ist nicht damit getan, bei politischen Sonntagsreden von der Wichtigkeit der Erhaltung der dörflichen Infrastruktur zu reden, dann aber lieber bei Amazon und Doc Morris zu bestellen.

Nein, eine nennenswerte Anzahl von Mitbürgern und Familien müssen bereit sein, ihren wöchentlichen oder täglichen Grundeinkauf im Dorfladen zu tätigen. Wenn in einem Dorf mit 1.000 – 1.200 Einwohnern und 400 Haushalten jeder Haushalt in der Woche z.B. nur für 20 Euro im Dorfladen einkauft, so ergibt das einen Jahresumsatz von rd. 400.000 Euro. Das ist weit mehr, als zum Überleben des Dorfladens notwendig ist.  Warum gibt es dann so wenige Dorfläden, wenn ein Überleben des Ladens eigentlich doch so einfach wäre? Den Schlüssel hat die Dorfgemeinschaft in der Hand, nicht die Politik, nicht der liebe Gott und nicht sonst Jemand, nein, die Dorfgemeinschaft ganz alleine.

Wenn uns deshalb etwas an unseren Dörfern liegt, dann gibt es nur eine Chance für eine erfolgreiche Zukunft. Wir müssen die Dinge selbst in die Hand nehmen.
Dabei sind wir nicht alleine. Wenn sich die Dörfer untereinander solidarisieren und voneinander lernen und vor allem sich wieder auf ihre eigene Kraft zur Entwicklung und Gestaltung besinnen, dann wird es auch in Zukunft Dörfer geben, in denen es sich zu wohnen und zu leben lohnt.

von Alois Meyer,
Ortsbürgermeister der Gemeinde Klausen, Mitglied des Kreistages Bernkastel-Wittlich

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