Wird genug zum Schutz der Bevölkerung vor Amokläufen getan? Die CDU-Landtagsabgeordneten Gordon Schnieder und Matthias Lammert fragten dazu die Landesregierung

Rheinland-Pfalz. Im Juli 2016 tötete ein 18-Jähriger zehn Menschen im Olympia-Einkaufszentrum in München. Bald fragten Journalisten, ob Polizei und Politiker alles Mögliche unternehmen, um solche Straftaten zu verhindern. Die bayerische Polizei und das Innenministerium in München legten daraufhin zum Teil ihre Pläne für solche Straftaten vor und unterstrichen dabei, in welch kurzer Zeit die Einsatzkräfte am OEZ waren und dadurch weitere Morde des Täters verhindern konnten.

Szene aus einer SEK-Übung in München (© Dr. Reinhard Scholzen)
Szene aus einer SEK-Übung in München (© Dr. Reinhard Scholzen)

Polizei ist in Deutschland Ländersache. Das bedeutet, dass zwischen Kiel und Dresden, Schwerin und Saarbrücken jeweils eigenständig entschieden wird, wie die Polizei ausgerüstet und ausgebildet wird. Ebenso legt jedes Land die Personalstärke seiner Polizei selbst fest. Seit rund zehn Jahren weist Rheinland-Pfalz die geringste Polizeidichte aller Flächenländer auf. Hier kommen auf 100.000 Einwohner nur 224 Polizisten. Ganz anders liegen die Dinge zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern: Dort sorgen 366 Polizisten für die Sicherheit von 100.000 Bürgern.

Ein Amoklauf ist eine für die Polizei besonders schwierige Straftat, denn der Täter hat nur ein Ziel: Möglichst viele Menschen zu töten. Um eine solche Tat zu stoppen, ist es daher erforderlich, sehr rasch mit sehr vielen Polizisten am Ort des Geschehens zu sein und den Aktionsraum des Täters so klein wie möglich zu halten, um die Bürger vor dem Täter zu schützen. Die Münchener Polizei setzte zu diesem Zweck rund 2.300 Polizisten ein, von denen viele Spezialeinheiten angehörten, die für die Bewältigung von Amoklagen in besonderem Maße geschult sind. Die Polizisten sperrten ganze Wohnviertel ab, durchsuchten zahlreiche Wohnungen und legten den Zug- und Bahnverkehr lahm, um so dem Täter jede Möglichkeit zu nehmen, seine Tat an einem anderen Ort fortzusetzen. Dabei wurde die Münchener Polizei von der Anti-Terror-Einheit der deutschen Bundespolizei – der legendären GSG 9 – und der österreichischen Spezialeinheit „Cobra“ unterstützt.

Die Bewältigung einer Amoklage setzt umfangreiche Planungen voraus, die im Ernstfall zum Teil automatisch ablaufen. Vor diesem Hintergrund fragten die beiden CDU-Landtagsabgeordneten Gordon Schnieder und Matthias Lammert die rheinland-pfälzische Landesregierung nach den Vorkehrungen, die von der Polizei bei Amoklagen getroffen werden. Innenminister Roger Lewentz antwortete ihnen, seit dem Jahr 2005 erhielten alle im Einzeldienst tätigen Polizisten seines Landes eine zweitägige Schulung für die Bewältigung von Amoklagen. Darüber hinaus führten die Schieß- und Einsatztrainer in Wittlich-Wengerohr, Enkenbach-Alsenborn, Mainz und Koblenz eine eintägige Fortbildung durch. Lewentz stellte heraus, die Beamten des Spezialeinsatzkommandos – die speziell für die Bekämpfung von Terroristen und Schwerstkriminellen ausgebildet und ausgerüstet sind – würden auch mit der GSG 9 gemeinsame Übungen absolvieren. Zudem stünden diese „Spezialeinheiten in einem ständigen, ebenenübergreifenden Austausch.“ Die letzte gemeinsame Übung des SEK Rheinland-Pfalz mit der GSG 9 habe im August 2016 im Rahmen einer internationalen Kooperation der Spezialeinheiten in Estland stattgefunden. Im Jahr 2012 sei in Schleswig-Holstein eine Übung „Geiselnahmen größerer Menschengruppen durch terroristische Gewalttäter“ mit allen Spezialeinheiten der Bundesländer und der GSG 9 durchgeführt worden.

Während des Amoklaufs in München wurde bekannt, dass in Bayern ein computerbasiertes System eingesetzt wird, das den Einsatz von Ärzten, Krankenschwestern und Seelsorgern in den Kliniken rund um den Tatort koordinierte und die Verletzten – nach Schwere und Art ihrer Verletzungen – auf die Krankenhäuser verteilte. Lewentz stellte dar, Rheinland-Pfalz verfüge über das webbasierte Informationssystem „Zentrale Landesweite Behandlungskapazitäten“ (ZLB). Dadurch erhielten die Integrierten Leitstellen und Rettungsleitstellen qualitative Auskünfte über Behandlungs- und Versorgungsmöglichkeiten der Krankenhäuser in Echtzeit. Der Amoklauf von München zeigte auch, dass in einer solchen Lage das Handeln sehr vieler unterschiedlicher Stellen – z. B.
Polizei, Rettungsdienste, Feuerwehr – koordiniert werden muss. Dies kann nur gelingen, wenn solche Szenarien vorher intensiv und realitätsnah geübt wurden.

Lewentz beschrieb, unter der Federführung des Polizeipräsidium Trier und der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Rheinland-Pfalz sei im Jahr 2011 der „Gemeinsame Leitfaden der Polizei, der Feuerwehren, der Rettungs- und Betreuungsdienste zum abgestimmten Vorgehen bei Amoktaten“ erarbeitet und sodann veröffentlicht worden: „Für das Eintreten einer Amoklage liegen Planentscheide vor, die das polizeiliche Vorgehen in solchen Lagen beschreiben.“ Der Innenminister nannte beispielhaft einige Übungen, bei denen eine größere Zahl von Einsatzkräften ihr gemeinsames Vorgehen trainierten. So habe im März 2016 eine Übung am Trifelsgymnasium im pfälzischen Annweiler stattgefunden, an der rund 80 Frauen und Männer von Behörden und Organisationen teilnahmen, die mit Sicherheitsaufgaben betraut sind. Zum Vergleich sei daran erinnert, dass beim Amoklauf in München allein 2300 Polizisten zum Einsatz kamen.

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