Deutschlands erste blinde Video-Bloggerin

„Mit meinem Netzhautimplantat kann ich trotz Blindheit meinen Mann wieder wahrnehmen.“

kohlhaas_02_15Dockweiler. Dorothea Kohlhaas ist 44 Jahre alt, glücklich verheiratet, hat zwei Hunde und arbeitet als Justizfachangestellte in Dockweiler. Eigentlich ein klassischer Lebenslauf – wenn sie nicht vollständig blind wäre. Dorothea ist eine von knapp 100 Betroffenen, die das Argus® II System implantiert bekommen hat – ein Implantat, das ihre Lebensqualität deutlich verbessert, indem es ihr eine funktionale Sehkraft ermöglicht. Ihr Leben mit der Netzhautprothese dokumentiert sie in ihrem Video-Blog unter www.sehschuelerin.blogspot.de/. Dorothea Kohlhaas ist eine von ungefähr 30.000 bis 40.000 Deutschen, die an der seltenen und bisher unheilbaren Erbkrankheit Retinitis pigmentosa leiden. Die Betroffenen verlieren nach und nach die Sehkraft und schließlich sogar die Lichtwahrnehmung, bis sie vollständig blind sind. Ein Lichtblick: Das Netzhautprothesensystem Argus II, das von Prof. Dr. Bernd Kirchhof, Direktor der Abteilung für Netzhaut- und Glaskörperchirurgie des Zentrums für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Köln, am 8. Oktober 2013 implantiert wurde, ermöglicht Dorothea eine Teilwahrnehmung. Sie arbeitet nun seit einem Jahr mit dem System und ist begeistert: „Jahrelang war ich blind und nun kann ich im Straßenverkehr wieder Zebrastreifen erkennen, Hindernissen ausweichen und mich wieder freier bewegen. Ich kann viele Dinge wieder selbständig erledigen.“

Die Wäsche bügeln – online
In ihrem Blog berichtet Dorothea unter dem Pseudonym „Sehschülerin“, wie sie lernt, mit der Wahrnehmung, die ihr das Argus II System ermöglicht, umzugehen, von ihren Schritten hin zu mehr Selbstständigkeit und Lebensfreude: „Letzten Monat habe ich bemerkt, dass ich mit dem Implantat gut genug sehen kann, um wieder unsere Wäsche zu bügeln. Für mich ist das eine wichtige Verbesserung der Lebensqualität, wenn ich wieder selbstständiger bin. Mit dem Blog kann ich der Welt zeigen, wie eine blinde Person mit Hilfe der Technologie wieder Tätigkeiten ausführen kann, die zuvor unvorstellbar waren.“

Unterwegs mit Trixi
Neben ihr kommt auch Kamerahündin Trixi zum Einsatz, der Dorothea die Mini-Kamera auf den Rücken schnallt, wenn sie bei ihren Ausflügen neue visuelle Eindrücke bekommt. So hat sie zum Beispiel bei einem Besuch in Lübeck zum ersten Mal das Holstentor wahrgenommen und in Rendsburg am Nord-Ostsee-Kanal tatsächlich Schiffe wahrnehmen können: „Dort fuhren riesige Containerschiffe und auch Tankschiffe vorbei und da ich ja in der Eifel sonst weniger Schiffe zu beobachten bekomme, fand ich das ganz aufregend. Ich hoffte noch, dass auch die Queen Mary vorbeischippert, damit ich sie einmal mit meiner Kamerabrille und dem Implantat wahrnehmen kann, aber leider hat sie mir diesen Gefallen nicht getan“, schreibt Dorothea Kohlhaas.

Wie Dorothea ihren Mann wahrnehmen kann
Dorotheas „wichtigstes Hilfsmittel“ ist ihr Mann Peter. Dieser verfügt noch über einen kleinen Sehrest und kümmert sich als ihr „Regisseur“ um Schnitt und Technik. Ein großer Vorteil des Implantats: Nach jahrelanger Blindheit kann sie nun ihren Mann wahrnehmen: „Ungefähr drei Monate nach der Operation ist mir plötzlich aufgefallen, dass ich wieder Peters Konturen erkennen kann und das war ein extrem schöner Moment“, sagt Dorothea. „Plötzlich leuchtete sein Umriss in meinem Blickfeld auf und ich konnte meinen Mann nicht mehr nur hören und fühlen sondern ihn auch wieder visuell wahrnehmen. Das war und ist nach Jahren der Blindheit für mich ein überwältigendes Gefühl. Wenn wir zusammen spazieren gehen, leiten uns die Hunde und ich betrachte die Bäume und den Himmel oder auch die Häuser. Wenn ich mit meinem Blick den Schritten meines Mannes folge, kann ich seine Bewegung verfolgen und das ist wirklich toll. Meinen Mann nach so langer Zeit wieder wahrnehmen zu können, ist einfach wunderbar.“

Künstliches Sehen mit der Netzhautprothese Argus II
Bei der Netzhautprothese Argus II werden von einer in einer Brille integrierten Minikamera Aufnahmen der Umgebung gemacht. Diese Bilder werden dann in elektrische Impulse umgewandelt und kabellos an das Implantat auf der Netzhaut des Patienten weitergeleitet. Diese Impulse stimulieren die noch vorhandenen Zellen und erzeugen Lichtmuster, die das Gehirn erkennt. Indem der Patient lernt, diese visuellen Lichtmuster zu interpretieren, kann er einen Teil seiner funktionalen Sehkraft zurückgewinnen.

Neben Patienten mit Retinitis pigmentosa ist das Argus II Netzhautprothesensystem für das Usher-Syndrom, die Chorioideremie, die Lebersche kongenitale Amaurose, das Bardet-Biedl-Syndrom sowie die Zapfen-Stäbchen-Dystrophie indiziert. Weitere Informationen sind unter der Rufnummer 0800 184 4321 und auf der Homepage www.secondsight.com verfügbar.

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