Gegen das Vergessen – unbesungene Helden

 Erika Rosenberg korrigiert  am TMG Schindler-Bild

Daun. Oskar Schindler: Ein Hasardeur, ein Opportunist, ein Geschäftemacher und ein (Frauen-)Held. Zu diesem Urteil des amerikanischen Historikers David Crowe aus dem Jahre 2005 sind seit Steven Spielbergs Spielfilm „Schindlers Liste“ aus den 90er Jahren zahlreiche Zuschauer gekommen. Dort wurde einprägsam ein widersprüchlicher Charakter gezeichnet, ein Lebemann, Kriegsgewinnler und Nazifreund, der sich 1943 unter dem Eindruck der Räumung des Krakauer Ghettos dazu entschließt, seine jüdischen KZ-Arbeiter vor der Verfolgung durch die Nazischergen zu bewahren. Professorin Erika Rosenberg, Tochter 1936 nach Lateinamerika emigrierter Juden, Journalistin und Buchautorin inzwischen zahlreicher Bücher zu diesem Thema, korrigiert dieses Bild in den Köpfen der 9. bis 12.-Klässler des Dauner Thomas-Morus-Gymnasiums, die gebannt lauschen. Sie tut dies in einem spannenden fast zweistündigen Vortrag mit Ernst und Besinnlichkeit, aber sie bringt auch eine neue Person ins Spiel: Emilie Schindler.

Frau Rosenberg berichtet bewegt von ihren vielen Erfahrungen und Gesprächen mit Emilie, der Ehefrau Oskar Schindlers, die ihr aufzeigt haben, welch großen Anteil diese Frau als verkannte Heldin an den Rettungsaktionen in der damaligen Zeit hatte, insbesondere auch dann, wenn ihr Ehemann auf Reisen war. Sie entwickelt einfühlsam und nachvollziehbar, wie groß die Enttäuschung bei Frau Schindler war, als sie nach dem Tod ihres Mannes feststellte, dass der Regisseur sie und ihren großen menschlichen Beitrag totschwieg. Mit Erstaunen erfahren die Schüler und Schülerinnen, wie erst die auf der Abschlussfeier nach Drehschluss in Jerusalem anwesenden jüdischen noch lebenden Geretteten Frau Schindler erkennen und ihr Respekt erweisen, während die angereiste Prominenz samt Starregisseur keine Notiz von ihr nimmt. Und so nebenbei erhalten die Zuhörer dann eine kleine Lektion – „So ist halt die Welt von Hollywood“ – über den historischen Wert auch großer und preisgekrönter Dokumentarfilme.

Die Annahme, Schindler habe erst spät eine politische und humane Kehrtwende vollzogen, widerlegt Erika Rosenberg. Sie dokumentiert, wie Familie Schindler sich schon früh der einsetzenden Judenverfolgung im Sudetenland widersetzte. Das Bild des Agenten Oskar Schindler zeichnet Frau Rosenberg auch anders: Sie stellt, wie Crowe, Schindlers Wirken in den Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für die Abwehrstelle der deutschen Wehrmacht unter Oberst Canaris, widerspricht aber sofort der weit verbreiteten Ansicht, diese Agententätigkeit habe 1939 mit dem Einmarsch der Wehrmacht in Polen ein Ende gehabt. Eingehend auf das Thema all dieser Unzulänglichkeiten des filmischen Opus verweist Frau Rosenberg auf die nach 1945 in Amerika gescheiterten ersten Hoffnungen auf filmische Aufarbeitung in den 50-iger und 60-iger Jahren, an das dem Regisseur Fritz Lang angebotene Drehbuch von Oskar Schindler selber. Diese Dokumente gelten die bis auf einige Seiten aber immer noch als verschollen. Wer Interesse an einer weiteren geschichtlichen Wahrheitsfindung hat, dem bleibt nur die Hoffnung, dass doch hier noch einiges  auftaucht bzw. die zur Zeit wohl bewusst unter Verschluss gehaltenen Unterlagen endlich für die Öffentlichkeit freigegeben werden. Ω

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