„Die Literatur ist mein Lebenselixier“

Zu Besuch bei Josef Zierden, dem Gründer und Organisator des Eifel-Literatur-Festivals

Der „Trommler“ sieht alles. Wer das Reich von Josef Zierden betritt, muss erst einmal an Günter Grass vorbei. Das Bild an der Tür zum Arbeitszimmer zeigt den Literaturnobelpreisträger 2011 auf dem Weg zu seiner Lesung in Prüm. Für den Veranstalter des Eifel-Literatur-Festivals bedeutet sie den vielleicht größten Meilenstein. 14 Jahre lang hatte Zierden für einen Besuch von Grass in der Eifel gekämpft. „Als er dann tatsächlich aus dem Auto stieg, haben mir richtig die Knie geschlottert“, gibt er zu und lehnt sich hinter seinem Schreibtisch zurück, der vor lauter Büchern kaum zu sehen ist. Günter Grass sei zweifelsohne sein härtester Fall gewesen.

Dr. Josef Zierden

Der zweithärteste nimmt einen der hohen Stapel ein, die sich vor dem promovierten Literaturwissenschaftler türmen. „Um Charlotte Link habe ich mich zehn Jahre bemüht“, verrät der 63-Jährige und betrachtet die Werke der Bestsellerautorin. Dass er sie alle bis zu ihrer Lesung am 26. Oktober in Bitburg gelesen hat, steht außer Frage. „Ich würde niemals einen Autor in der Eifel begrüßen, dessen Gesamtwerk ich nicht kenne“, sagt Zierden.

Dass die größte und erfolgreichste Literaturveranstaltung in Rheinland-Pfalz in diesem Jahr mit mehr als 14.000 Besuchern erfolgreicher denn je sein wird, zeichnet sich nach dem stürmischen Vorverkauf bereits ab. Was auch daran liegen mag, dass Organisator Zierden nach 24 Jahren erstmals mehr Zeit zur Verfügung hat als lange Nächte, Wochenenden und Schulferien. Denn der Gymnasiallehrer ist frisch pensioniert, was für ihn eine echte Luxussituation bedeutet. „Jahrelang haben Verlage gedacht, dahinter stehe ein Literaturhaus mit drei festangestellten Mitarbeitern“, sagt Josef Zierden schmunzelnd. Tatsächlich ist der ehrenamtliche Organisator Kopf und Herz der Mammut-Veranstaltung, die von April bis Oktober 24 Autoren in die Eifel bringt. Diese kulturell oft verschmähte ländliche Region zu bereichern, war stets Zierdens Antrieb. „Wir Eifler waren immer die Nomaden im Kulturzirkus. Das wollte ich umkehren und hochkarätige Autoren zu uns bringen.“

Dabei sei es ihm immer wichtig gewesen, keine literarischen Elite-Lesungen zu veranstalten, sondern auch Menschen etwas zu bieten, die sonst wenig Berührung mit Literatur haben. Im Geiste organisiere er das Festival für seine Mutter, deren Interesse an Literatur durch den dörflichen Deutschunterricht der 1920-er Jahre eher erstickt worden sei. „Ich bin glücklich über jeden, der sich für einen Abend auf das Abenteuer Buch einlässt und hoffentlich etwas mit nach Hause nimmt.“

Um das zu erreichen, feilt der Literaturwissenschaftler monatelang an seinem Autoren-Ranking, um den besonderen Mix aus Belletristik und Sachbuch, Unterhaltung und Anspruch hinzubekommen. Die präzise, fast auf dem Millimeterpapier geplante Organisation und der liebevolle Rundumservice sind sicher Gründe, warum Top-Autoren wie Elke Heidenreich, Richard David Precht oder Martin Walser immer gerne wiederkommen. „Wir tun alles dafür, unsere Autoren auf Händen zu tragen“, bekräftigt Josef Zierden. „Bis hin zu vollen Sälen.“

Mit rund 250 Schriftstellern hat der Literaturwissenschaftler seit Festivalbeginn im Jahr 1994 zusammengearbeitet. Persönliche Geschichten kann er über jeden einzelnen erzählen. Über Herta Müller zum Beispiel, der er auf einer verregneten Autofahrt ihren Literaturnobelpreis vorhergesagt hatte. Oder über Walter Kempowski, der jeden Eifelwirt in den Wahnsinn treiben konnte. Mit Margriet de Moor ist er auf den Spuren der Hochzeitsreise ihrer Eltern durch die Eifel gefahren. Bei Martin Walser hat das Festival sogar schon Eingang in ein literarisches Werk gefunden: In „Messmers Reisen“ hat der Schriftsteller die Bahnstationen von Köln in die Eifel einfließen lassen. Berühmte Autoren in die Provinz zu locken, sei inzwischen gar nicht mehr so schwierig. Entscheidend sei das erste Anschreiben, in das er sein ganzes Herzblut stecke. „So habe ich etwa Giulia Enders gewonnen, die nach ihrem großen Erfolg von ,Darm mit Charme‘ für Lesungen eigentlich gesperrt war.“


13. Eifel-Literatur-Festival 2018

Nobelpreisträger, Bestsellerstürmer, Kultautoren: Alle zwei Jahre verwandelt das Eifel-Literatur-Festival die Eifel in ein Mekka für Literatur. So auch von April bis bis Oktober 2018: Mit 24 „Sternstunden für Leser“, im Wochentakt in Bitburg, Prüm, Gerolstein, Daun und Wittlich. Tickets gibt es online unter www.eifel-literatur-festival.de, in mehr als 700 Vorverkaufsstellen von Ticket Regional und über das Ticket-Telefon 0651/ 97 90 777


Dass Literatur in seinem Leben eine solch entscheidende Rolle spielen würde, ist Josef Zierden nicht in die Wiege gelegt worden. „Ich bin als jüngstes von sechs Kindern in einer denkbar buchfernen Arbeiterfamilie aufgewachsen und habe mir die Welt des geschriebenen Wortes leidenschaftlich erobert“, blickt der 63-Jährige zurück. Jeden Sonntag führte sein Weg nach der Kirche zur Pfarrbücherei, mit deren Lesestoff er große Teile seiner Kindheit verbrachte. Ein schmales Regal, überwiegend mit Schulbüchern bestückt, sei lange sein ganzer Stolz gewesen. Heute füllen unzählige Regalmeter und Bücher das großzügige Arbeitszimmer in seiner Heimatstadt Prüm, sein Wohnzimmer und sogar den Keller. „Nur das Schlafzimmer ist tabu, das musste ich meiner Frau versprechen.“ Er bekennt: „Die Literatur ist halt mein Lebenselixier. Ich brauche sie wie die Luft zum Atmen.“ Da trifft es sich gut, dass sein Geburtstag Jahr für Jahr mit dem „Welttag des Buches“ zusammenfällt: am 23. April.

(von Katharina Hamacher, Köln)

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