Wittlicher zeigen sich hilfsbereit und tolerant

1.800 Menschen bei Informationsveranstaltung im Eventum

titel_info_podium_46_15Wittlich. Gut 1.800 Menschen informierten sich am 3. November im Eventum über die geplante Flüchtlingsunterbringung in Wittlich. Zu der Informationsveranstaltung hatte das Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen (MIFKJF) eingeladen. Bürgermeister Joachim Rodenkirch begrüßte auf dem Podium Staatssekretärin Margit Gottstein und die verantwortliche Abteilungsleiterin Professor Dr. Karin Weiss vom Integrationsministerium, Landrat Gregor Eibes, Franz-Dieter Ankner, stellvertretender Polizeipräsident, Anke Marzi, stellvertretende Landesgeschäftsführerin des Deutschen Roten Kreuzes und Yilmaz Bayrakci von der Unternehmensgruppe Gregor Lehnert, dem beauftragten Sicherheitsdienst. Staatssekretärin Gottstein erläuterte einleitend die Flüchtlingspolitik des Landes Rheinland-Pfalz und bezeichnete die aktuelle Situation als historisch einmalig. „Einen solchen Flüchtlingsstrom habe es in der Vergangenheit noch nicht gegeben“, sagte Gottstein. Das Land müsse wegen des bevorstehenden Winters schnell handeln. Deswegen werde bereits an diesem Wochenende mit der Belegung in Wittlich begonnen.

Zunächst sei aber geplant, dass auf dem ehemaligen Hela-Gelände zwischen 300 und 350 Menschen in Zelten untergebracht werden, bis das Gebäude bezogen werden kann. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass in Wittlich zwischenzeitlich auch mehr als 1.500 Asylbegehrende untergebracht würden. Niemand könne derzeit abschätzen, wie viele Flüchtlinge tatsächlich nach Deutschland kommen werden.

schaumburger_46_15Professorin Dr. Weiss informierte über die Abläufe in der Flüchtlingsaufnahme. Aktuell kämen 59 Prozent aller Flüchtlinge aus Syrien und nur 7 Prozent aus dem Westbalkan. Wittlich werde eine Außenstelle der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende (AfA) in Trier errichten. Deswegen seien im Grundsatz auch die Trierer Behörden weiterhin zuständig. Diese würden aber sicherlich notwendige Kooperationen mit den Wittlicher Verwaltungen eingehen. Ziel aller Handelnden sei es, die Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen und zu versorgen. Weiss stellte auch klar, dass die Flüchtlingskinder aus der AfA nicht die Kindertagesstätten oder Schulen in Wittlich besuchen würden. Die Betreuung der Kinder erfolge ausschließlich in der Einrichtung selbst. Erst den Kommunen zugewiesene Kinder, die sich damit auch dauerhaft in einer Gemeinde aufhalten, würden die örtlichen Kitas und Schulen besuchen.

Anke Marzi, stellvertretende DRK-Landesgeschäftsführerin, berichtete von der täglichen Arbeit in den Erstaufnahmeeinrichtungen. Das Deutsche Rote Kreuz sei bereits in mehreren Aufnahmeeinrichtungen Partner des Landes. Der DRK-Kreisverband Bernkastel-Wittlich werde die Flüchtlinge in der AfA-Einrichtung im ehemaligen Hela-Baumarkt betreuen. Neben der medizinischen Versorgung kümmere sich das DRK auch um die Verpflegung der Menschen. Auch werde ein Sozialdienst mit psychologischer Betreuung sowie entsprechende Kinder- und Jugendangebote eingerichtet, wie beispielsweise einer Spielstube für die Kleinsten. „Lassen Sie uns in Wittlich gemeinsam dieses Wagnis eingehen“, warb Marzi auch um ehrenamtliche Helfer. Bürgermeister Rodenkirch wies auf die großartige ehrenamtliche Hilfsbereitschaft aller gesellschaftlichen Gruppen bei der bisherigen Integration der zugewiesenen Flüchtlinge in Wittlich hin, die vom Mehrgenerationenhaus/Deutschen Kinderschutzbund federführend koordiniert werde.

Leitender Polizeidirektor Franz-Dieter Ankner zeigte auf, dass von den Asylbegehrenden weniger Gefahren zu erwarten seien, als dies landläufig behauptet werde. Dies bestätige aus polizeilicher Sicht die Erfahrung der vergangenen Jahre. Aufgabe der Polizei sei es vor allem, die AfA-Einrichtung vor Übergriffen von außen zu schützen. Er stellte klar, dass die Polizeidirektion Wittlich unter der Leitung von Polizeidirektor Otto Herrig und die Polizeiinspektion Wittlich unter der Leitung von Polizeirätin Anke Zimmermann schlagkräftig besetzt und einsatzbereit seien. Die Wittlicher sollten sich keine Sorgen um ihre Sicherheit machen, die Polizei werde sich auch weiterhin um ihre ureigenen Aufgaben kümmern.

Yilmaz Bayrakci stellte das beauftragte Sicherheitsunternehmen vor, das bereits in drei weiteren Einrichtungen und zwar im Saarland, in Baden-Württemberg und in Bayern entsprechende Erfahrungen mit Flüchtlingen gesammelt habe. Die Mitarbeiter würden übertariflich bezahlt und seien deswegen besonders motiviert. Entsprechende Fortbildungen seien eine Selbstverständlichkeit.

Bürgermeister Rodenkirch stellte auch den frisch ernannten Einrichtungsleiter vor. Axel Schaumburger, hauptberuflich bei der Justizvollzugsanstalt Zweibrücken beschäftigt, wird die AfA-Außenstelle Wittlich leiten. Stellvertreter ist der Justizvollzugsbeamte Thomas Thiel, der bei der Jugendstrafanstalt Wittlich im Hauptberuf tätig ist.

Nach gut einer Stunde hatten die Wittlicher das Wort. Knapp zwei Stunden bot sich den Besuchern die Möglichkeit, eigene Fragen an die Podiumsteilnehmer zu stellen. Die Kritik einer Teilnehmerin, dass kein Vertreter der muslimischen Gemeinde auf dem Podium vertreten sei, wies Rodenkirch zurück. Das Podium sei bewusst eng besetzt, um zu diesem Zeitpunkt die wesentlichen Informationen zur Flüchtlingsunterkunft im Hela-Baumarkt zu transportieren. Die muslimischen Gemeinden seien an diesem Abend alle im Publikum vertreten. Rodenkirch stellte Imam Sencaktar und den DITIB-Landesvorsitzenden Yilmaz Yildiz vor. Die DITIB-Moschee stehe diesbezüglich mit dem Bürgermeister in Kontakt, betonte Yildiz. Auch Tahir Dogan, Vorsitzender des Beirats für Migration und Integration des Landkreises Bernkastel-Wittlich, bestätigte die gute und vertrauensvolle enge Zusammenarbeit in Wittlich. Es wurden aber auch einige Sorgen der Bürger vorgetragen, insbesondere was die personelle Stärke der örtlichen Polizei betreffe.

Auch wurde der angespannte Wohnungsmarkt in Wittlich angesprochen, der aber nicht durch die in der AfA untergebrachten Flüchtlinge weiter belastet würde. Staatssekretärin Gottstein wies darauf hin, dass die in der AfA untergebrachten Flüchtlinge nicht automatisch nach Wittlich zugewiesen würden, sondern in ganz Rheinland-Pfalz nach dem Königssteiner Schlüssel verteilt werden. Die Landkreise, in denen eine AfA-Einrichtung besteht, würden sogar acht Prozent weniger Zuweisung an Flüchtlingen erhalten. Zu der Frage nach der Erforderlichkeit einer gesundheitlichen Prophylaxe wurde mitgeteilt, dass zwar grundsätzlich alle Schutzimpfungen empfohlen würden, von den Flüchtlingen aber keine gesonderte Krankheitsgefahr ausgehe. Im Gegenteil, die Asylbegehrenden würden eher selbst erkranken, da deren Immunsystem die westeuropäischen Kinderkrankheiten nicht überwunden hätten. Außerdem werden alle Flüchtlinge bereits in der Einrichtung durch die Gesundheitsämter in Trier und Wittlich untersucht.

Sichtlich beeindruckt zeigte sich Bürgermeister Rodenkirch von dem Statement der Schülerin Tamara Köcher, die darauf hinwies, dass die Flucht aus einem Krisengebiet keine Lustreise sei und die Fliehenden deswegen die Hilfe und Fürsorge aller Wittlicher bräuchten. Nach gut zweieinhalb Stunden schloss Rodenkirch die Veranstaltung mit einem Appell an die Humanität und zitierte sinngemäß aus dem Talmud: „Achte auf deine Gedanken, denn sie werden zu deinen Worten, achte auf deine Worte, denn sie werden zu deinen Taten und achte auf deine Taten, denn sie werden zu deinem Schicksal!“

Im Anschluss standen alle Podiumsteilnehmer noch für bilaterale Fragen zur Verfügung. Weitere Informationen sind im Internet zu finden, beispielsweise auf folgenden Internetseiten des MIFKJF, des BAMF, des Arbeitskreises Asyl Rheinland-Pfalz und der Caritas. Folgende Links wurden empfohlen:

http://mifkjf.rlp.de/fileadmin/mifkjf/Integration/FAQs_Fluechtlinge.pdf,
http://www.bamf.de/DE/Migration/AsylFluechtlinge/asylfluechtlinge-node.html,
http://www.koordinierungsstelle.com/,
http://wp.asyl-rlp.org/,
http://www.caritas-rhein-mosel-ahr.de/migration/psz.html.

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