Das Drama RWE

Karikatur: Ritter
Karikatur: Ritter

Vor einigen Jahren, genauer gesagt im Januar 2008, stand die RWE-Aktie bei einem Wert von 102,26 Euro. Im Jahre 2010, als die BUV Bürgerunion im Kreistag den Verkauf der 242.000 dem Kreis bzw. der Wirtschaftsförderungsgesellschaft gehörenden Aktien anregte, lag der Kurswert pro Aktie bei über 60 Euro. Im April des Jahres 2015 war der Kurs auf 24 Euro gesunken und am 24.08.2015 weiter auf nur noch 13,22 Euro. Die Eifel-Zeitung hatte vor vier Wochen über die Situation der Landkreisvermögen ausführlich berichtet. Am 11.09.2015 fiel der RWE-Kurs zeitweise auf 12,10 Euro  Dies bedeutet, dass allein der Blick auf den Aktienkurs von RWE mehr als furchterregend ist.

Die Börse straft RWE für deren Konzeptlosigkeit ab
Der Börsenwert des Energieversorgers RWE verfällt ganz rasch. Es gibt selbsternannte Experten, die glauben, RWE würde eine Neuausrichtung nicht schaffen. Dass der Aktienkurs in nur sechseinhalb Jahren um mehr als 88 % gefallen ist, ist die eine Traurigkeit – eine andere besteht darin, dass das RWE-Management unter ihrem Vorstandsvorsitzenden Peter Terium offensichtlich immer noch kein Konzept für die Wende gefunden hat.

Veraltete Eigentümer-Strukturen verhindern eine Erneuerung
Teilweise sind ihm allerdings die Hände gebunden – anders als bei den ebenfalls großen deutschen Energieversorgern E.ON und EnBW. RWE hat in den letzten Jahrzehnten eine uralte, gewachsene Eigentümer-Struktur nicht geändert. Städte, Kommunen und Landkreise sind Aktionäre und damit beteiligt an RWE. Sie entsenden auch Vertreter in die vielen Gremien des Konzerns. Das mag alles seine Berechtigung gehabt haben in Zeiten der Energie-Gebiets-Monopole. Seit einigen Jahrzehnten passt das aber nicht mehr in die wirtschaftliche Landschaft. Aber die politischen Kräfte, die beim RWE mitmischen, erhalten ja auch Pfründe und Geld, so sind kommunale Vertreter auch im RWE-Beirat mit dabei.

Horrende Vergütungen für Bürgermeister und Landräte
Dagmar Mühlenfeld, SPD-Bürgermeisterin der Ruhrgebiets-Stadt Mühlheim, erhielt für das Jahr 2014 eine Gesamtvergütung von satten 120.000 Euro (im Jahre 2013, als es dem RWE noch etwas besser ging, waren es immerhin 111.000 Euro; warum es im Jahre 2014 noch eine Steigerung gab, sollte der RWE einmal kommentieren).

Roger Graef, vor Jahren Landrat des Eifelkreises Bitburg-Prüm, erhielt vom RWE für das Jahr 2014 eine Vergütung von 100.000 Euro (im Jahre 2013 waren es 88.000 Euro). Dagmar Mühlenfeld ist seit 2003 direkt gewählte Oberbürgermeisterin von Mühlheim a.d.Ruhr – seit dem 20. September 2007 ist sie Mitglied im Aufsichtsrat der RWE AG. Roger Graef ist auch Geschäftsführer des Verbands der Kommunalen RWE-Aktionäre GmbH. Roger Graef war CDU-Landrat für Bitburg-Prüm von 1989 – 2006.

Eine Säule gerät ins Wanken
Vor einigen Wochen verkündete RWE-Vorstandschef Peter Terium einen Konzern-Umbau. Danach sackte der Aktienkurs fast täglich nach unten ab. Dies bedeutet, dass die freien Aktionäre offensichtlich kein Vertrauen mehr in Terium haben. Er führt RWE seit drei Jahren. Mit der jetzigen Situation bei RWE ist eine der Säulen der deutschen Stromversorgung arg in Bedrängnis und ins Wanken geraten.

Politik und Management sind Ursachen für die jetzige Krise
Natürlich stecken auch andere Energieunternehmen in der Krise. Dazu beigetragen hat zum Großteil die übereilte Energiewende der Bundesregierung, die ohne Rücksicht auf die Stromkonzerne und ihre Investitionen aus der Atomenergie nach Fukushima ausgestiegen sind. RWE geht es besonders schlecht, weil man ein selbstgemachtes Problem hat: RWE erzeugt immer noch 75 % seines Stroms aus fossilen Energieträgern wie Stein- und Braunkohle sowie aus Gas. Dieses liegt aber nicht an der sprunghaften Energiepolitik der Bundesregierung, sondern ist offensichtlich ganz klar ein Fehler des jetzigen und vorausgegangenen Managements unter dem Terium-Vorgänger Jürgen Großmann, der Vorstandsvorsitzender bei RWE vom 1. Oktober 2007 bis zum 30. Juni 2012 war. Er hatte 1997 die marode Georgsmarienhütte übernommen und gilt als ein schillernder Manager.

Zwischenzeitlich werfen ihm Wirtschaftsjournalisten vor, dass er in den letzten Jahren die Georgsmarienhütte-Gruppe in Defizite gefahren hat. Das RWE-Management hat jahrzehntelang die Anforderungen des heraufziehenden Klimawandels ignoriert und das Umsteuern auf nachhaltige Energieerzeugung ganz klar vernachlässigt. Seit Jahren steht die Energiebranche vor einem grundlegenden Umbruch – so wie es einst gewesen ist in der Foto-Industrie, in der Unterhaltungselektronik und bei Büromaschinen. Viele Firmen dieser Traditionsbranchen sind untergegangen, weil sie ganz einfach den Übergang in die digitale Technologie verschlafen haben – siehe Loewe, Metz, Grundig und weitere Firmen. Diese Gefahr besteht jetzt gemäß Branchenexperten auch bei RWE.

Ein Riese übersieht die dezentrale und digitale Veränderung
Die RWE-Manager haben übersehen, dass die Größe der Aktiengesellschaft, die früher eine Stärke war, in den Neuzeiten zur Schwäche geworden ist. Denn: Die Stromversorgung läuft zwischenzeitlich immer mehr dezentral und auch digital. Strom wird bekanntlich schon seit Jahren auf vielen Dächern und von immer mehr und immer größeren, leistungsstärkeren Windkrafträdern erzeugt. Alles ist mit intelligenten Computern vernetzt, die den Strom entsprechend des Bedarfs verteilen und auch die Verrechnungen durchführen. Natürlich ist hier noch nicht alles 100 % positiv. Zu bestimmten Zeiten wird in Deutschland zu viel Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt und zu anderen Zeiten fehlt der Strom. RWE & Co. hätten sich auch um das Thema Stromspeicherung im großen Stil kümmern müssen.

Dem Konzern-Umbau fehlt es an Visionen
Man kann durchaus sagen, dass in den letzten Jahren dem RWE das Geschäftsmodell weggebrochen ist. Und: Ein neues Geschäftsmodell hat RWE offensichtlich bis heute nicht gefunden. Es reicht also nicht, dass Konzern-Chef Terium vor einigen Wochen einen Konzern-Umbau ankündigte. In der Tat reicht es nicht, Hierarchie-Ebenen zu entfernen, die Zahl der Gremien zu verringern und auch noch mehr Arbeitsplätze abzubauen. Natürlich sind dies klassische Ansätze, um zunächst einmal die Kosten zu  reduzieren. Aber mit solchen Maßnahmen lässt sich kein neues Geschäftsmodell aufbauen. RWE ist wohl kaum handlungsfähig, weil es immer noch ein stark politisches Unternehmen ist. Immerhin halten die kommunalen Aktionäre (Städte und Landkreise) 25 % der Aktien.

RWE ist stark verwurzelt im Ruhrgebiet und damit auch mit der Kohle-Region extrem verbunden. Zudem ist RWE – neben den kommunalen Aktionären – auch zu einem Viertel im Besitz von kommunalen Stromversorgern. Deshalb haben einige Städte des Ruhrgebiets ganz starken Einfluss beim RWE, so dass Entscheidungen fast immer mehr aus politischen Gründen als aus strategischer Zukunftssicht fallen. Im RWE-Aufsichtsrat haben ehemalige Landräte, Oberbürgermeister und Gewerkschafter eine satte Mehrheit. Ganz kurios ist, dass im RWE-Aufsichtsrat Wolfgang Schüssel sitzt. Er war vom 4. Februar 2000 bis zum 11. Januar 2007 österreichischer Bundeskanzler (ÖVP).

Die Besetzung des RWE-Aufsichtsrates macht die notwendigen Änderungen der Konzern-Strategie schwierig.

Gibt es 2016 einen neuen Mann an der Spitze?
Im nächsten Jahr soll höchstwahrscheinlich Werner Brandt den RWE-Aufsichtsrat führen. Er ist kein klassischer Energie-Mann. Er war lange Zeit Vorstandsmitglied beim größten deutschen Software-Konzern SAP. Am besten wäre es, wenn die Bürgermeister und Kommunalvertreter im Aufsichtsrat und den anderen Kontrollgremien endlich begreifen würden, dass es bei RWE um mehr geht als um Pfründe und die Stadt- und Landkreiskassen, sondern um die Zukunft von 60.000 Beschäftigten. Die Kommunalvertreter sollten endlich beim RWE ihre Stühle räumen. Die politischen Vertreter beim RWE haben in ihren jeweiligen Regionen seit Jahren versäumt, zu guten Kursen ihre Aktienpakete zugunsten der Städte, Kommunen und Landkreise zu verkaufen.

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