Ein Denker eben – von der Verbindlichkeit der Zeichen

Nachruf Zum Tode von Josef Simon

Der Philosoph Josef Simon wurde 1930 in Hupperath bei Wittlich in der Eifel geboren und studierte von 1950 an in Köln Philosophie, Geschichte, Germanistik und Geographie. Schon in seiner dort bei Bruno Liebrucks in den 50er Jahren entstandenen Dissertation „Das Problem der Sprache bei Hegel“ gewann er die für seine 1989 erschienene „Philosophie des Zeichens“ grundlegende Einsicht, dass die Zeichen „das Anerkannte“ sind. Sie sind das Vehikel der Wahrheit, nicht die Substanz, nicht das Wesen, und auch nicht der Begriff. Mögen wir uns auch ständig um diesen bemühen, erreichen werden wir ihn nie, sondern bleiben zuletzt doch nur auf Zeichen verwiesen, die nicht für Dinge stehen, sondern die wir statt der Dinge haben und „die wir“ temporär (und nicht etwa für alle Zeit und definitiv) entweder „verstehen oder nicht verstehen“. Damit wandte er sich gegen alle ontologischen Ansätze der Philosophie, nach denen das „Bezeichnen“ ein „sekundärer Akt“ ist. Nach Simon verhält es sich vielmehr umgekehrt: „Die Beurteilung des Bezeichneten als seiend“ ist „sekundär“. Aber auch andere Ansätze erweisen sich vor der Philosophie des Zeichens als im Kern unhaltbar; so der konsensustheoretische Wahrheitsbegriff sowohl in seiner kommunikationstheoretischen (Habermas) wie transzendentalpragmatischen (Apel) Version. Denn ein Konsens  kann auch im Falschen bestehen und schon allein deshalb niemals signum veritatis sein, ganz abgesehen davon, dass wir nach Simon über gar kein Kriterium dafür verfügen, ob man im Selben, im Sein oder in der Wahrheit, übereinstimmt. – Zuletzt hält Simon auch das Versprechen, dass nur der ein guter Schüler sei, der über seinen Lehrer hinauswächst. Gegen die „Philosophie von der Sprache her“ (Bruno Liebrucks), nach der es nur innerhalb der Sprache außersprachliche Gegenstände gibt, kann Simon einwenden, dass Sprache wohl Zeichen, nicht jedes Zeichen aber sprachlich ist, wenn wir – natürlich – auch nur innerhalb der Sprache den Unterschied von sprachlichen und außer- oder nichtsprachlichen Zeichen machen können. Das Zeichen erweist sich so als das „wahrhaft“, d. h. nichts ausschließende „Allgemeine“ (Hegel).

Doch nicht nur in systematischer, sondern auch in philosophiehistorischer Hinsicht erwies sich die Philosophie des Zeichens als fruchtbar. So hat Simon mit ihr in Bezug auf Descartes, Leibniz, Hamann, Humboldt, Kant, Hegel, Nietzsche und Wittgenstein neue Lesarten gewonnen, ganz einfach dadurch, dass er deren Schriften beim Zeichen nahm. In immer neuen Anläufen – deren Vielzahl am ehesten, wenn der Vergleich erlaubt sei, an den Sonatenkosmos Domenico Scarlattis erinnert – versuchte Simon die Individualität anderer, fremder Standpunkte anzuerkennen, d. h. ihnen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. In seinem letzten Buch „Kant. Die fremde Vernunft und die Sprache der Philosophie“ (2003), bringt er Kant und Hegel in eine gerade letzterem wohl kaum für möglich gehaltene Nähe. Angesichts deutsch-idealistischer Tradition klingt es beinahe wie eine Wiedergutmachung an Kant, wenn Simon die Hegelsche Rede von der „atomen, undurchdringlichen Subjektivität“, die man im Anderen, mit dem man es wirklich und ernsthaft zu tun hat, „anschaut“, quasi vorformuliert sieht in der Kantischen Rede von der „fremden Vernunft“, die man im Anderen „vor Augen hat“. Nach Kant, Hegel und Simon bleiben wir, bei allem Bemühen, den Anderen zu verstehen, einander fremd, so dass es also gar nicht darum gehen kann, Individualität aufzuheben, sondern nur darum, einander das Recht auf und die Freiheit zu eigenen Standpunkten, eigenen Meinungen (auch in der Philosophie) zu gewähren bzw. anzuerkennen. In dieser Freiheit dachte Josef Simon gegen alle sich dogmatisch zu verfestigen drohenden Positionen an. Darin war und blieb er: ein Denker eben. – Josef Simon verstarb am 28. März im Alter von 85 Jahren.

von Axel Hesper, Sinzig

Anm.d.Red. Der Verfasser hat bei Josef Simon Philosophie studiert und sein Studium mit einer Magisterarbeit über „Das Böse in der Philosophie Hegels“ abgeschlossen.

Zur Zeit arbeitet Herr Hesper an einer Dissertation über die Philosophie Josef Simons

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