Offener Brief an die Bundeskanzlerin, Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder

Nachrichtlich an den Bundesgesundheitsminister und die Mitglieder des Bundestagsgesundheitsausschusses

Liquiditäts- und Insolvenzsicherung der Krankenhäuser und Rehakliniken

 

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

sehr geehrte Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder,

die Geschäftsführer der Krankenhäuser haben die große Sorge, dass ein wesentlicher Aspekt in der Bekämpfung der Corona-Pandemie in den politischen Entscheidungen kaum noch Beachtung findet. Im Frühjahr 2020 war den Politikern in Bund und Ländern noch sehr bewusst, dass ein Krankenhaus seine Leistungen für die Patienten nur dann erbringen kann, wenn es wirtschaftlich dazu in der Lage ist. Ein Schutzschirm wurde aufgespannt. Leider wurde er aber gerade dann wieder zugeklappt, als sich eine absehbar noch stärkere Pandemiewelle aufbaute. Politische Entscheidungsträger ließen die Kliniken im Regen stehen.

Es ist für uns nicht nachvollziehbar, ja geradezu paradox, dass angesichts exponentiell gestiegener Patientenzahlen mit COVID-19 die finanziellen Hilfen für die Krankenhäuser massiv eingeschränkt wurden.

Die wirtschaftliche Lage der meisten Häuser hat sich durch die politischen Vorgaben und die Aufgaben in der Pandemiebekämpfung im Vergleich zu 2019 nochmals deutlich verschlechtert. Die Krankenhäuser und Rehakliniken erreichen derzeit flächendeckend keine Kostendeckung mehr und sind an vielen Standorten bereits von Insolvenz bedroht. Nur etwa jedes fünfte Krankenhaus geht für 2020 von einem ausgeglichenen Ergebnis aus.

Angesichts dieser Zahlen, wie sie auch das aktuelle Krankenhaus-Barometer des Deutschen Krankenhausinstituts ermittelt hat, müssten bei den verantwortlichen Politikern alle Alarmglocken läuten.

Die Versorgung der mit Corona infizierten Patienten – wie übrigens auch aller anderen – ist gefährdet, wenn eine derart große Zahl von Krankenhäusern wirtschaftlich auf die Insolvenz zusteuert. Das ist keine Panikmache, sondern ernste Sorge, die auf Fakten beruht.

Die Corona-bedingte Absenkung des Leistungsniveaus der Krankenhäuser und Rehakliniken von 10 bis 20 Prozent gegenüber 2019 beruhte auf einer Aufforderung der Politik. Sie erfolgte aufgrund einer Vereinbarung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 12. März 2020. Mit dieser Aufforderung an alle Krankenhäuser übernahm der Gesetzgeber aber auch die Pflicht, das finanzielle Überleben der Krankenhäuser sicherzustellen. Inzwischen ist die Belastung der Kliniken durch die Versorgung von COVID-19-Patienten flächendeckend im Vergleich zum Frühjahr deutlich höher. Der Regelbetrieb wurde vielfach noch stärker heruntergefahren. Damit steigen die finanziellen Lasten weiter.

Angesichts der ausdrücklichen Aufforderung der Politik vom vergangenen März zur Daseinsvorsorge für die Bevölkerung in einer Pandemie von nationaler Tragweite erwarten wir, dass der Gesetzgeber die Pflicht, die er sich selbst auferlegt hat, auch erfüllt. Er muss für das finanzielle Überleben der Krankenhäuser sorgen.

Dafür sind mindestens zwei gesetzgeberische Entscheidungen notwendig:

  1. die sofortige Sicherstellung der Liquidität und
  2. der vollständige Ausgleich der Ist-Kosten.

Beide Ziele dürfen zudem nicht durch komplizierte und praxisuntaugliche Regelungen vereitelt werden, wie sie letzthin der Corona-Beirat des Bundesgesundheitsministeriums in unsinnigem Misstrauen gegenüber den Krankenhäusern empfohlen hat.

Aus dieser Erfahrung heraus befürchten wir allerdings, dass die nun offenbar wieder anstehende Beratung im Beirat nicht zu einer Lösung führt, mit der die Krankenhäuser und Rehakliniken überleben können. Sitz und Stimme im Beirat haben u.a. Experten, die seit langem einer extremen Reduzierung der Krankenhausstandorte in Deutschland das Wort reden. Dies geschieht bis heute ungeachtet der Erfahrungen der vergangenen Monate, die den Vorteil einer flächendeckenden und vernetzten Krankenhausversorgung deutlich demonstriert haben.

Wir möchten daher nochmals an den Beschluss vom 12. März 2020 erinnern, in dem die Krankenhäuser dazu aufgefordert wurden, grundsätzlich alle planbaren Aufnahmen, Operationen und Eingriffe in allen Krankenhäusern auf unbestimmte Zeit zu verschieben.

Weiter hieß es: „Die Bundesregierung stellt durch gesetzliche Maßnahmen zügig sicher, dass die dadurch entstehenden wirtschaftlichen Folgen für die Krankenhäuser seitens der gesetzlichen Krankenkassen ausgeglichen werden und kein Krankenhaus dadurch ins Defizit kommt.”

Diese Sicherheit haben wir definitiv nicht mehr. Hier muss die Politik zeitnah umsteuern. Das ist für die Bewältigung der Pandemie ebenso notwendig, wie für die Zukunft der Gesundheits-versorgung, die auf wirtschaftlich starke Kliniken aller Größenordnungen flächendeckend angewiesen sein wird.

Weder unsere seit einem Jahr immer stärker belasteten Mitarbeiter noch die Bevölkerung werden zudem verstehen, wenn es ausgerechnet in der Folge von Pandemie-Maßnahmen des Gesetzgebers zu Insolvenzen, Klinik- und Stationsschließungen käme, weil die Einrichtungen dem Aufruf zur Daseinsvorsorge gefolgt sind, nun aber im Stich gelassen werden. Die Pandemie wäre irgendwann besiegt, die flächendeckende, leistungsfähige Kliniklandschaft aber nachhaltig beschädigt – und damit ein wesentlicher Teil der Daseinsvorsorge, auf die sich die Menschen bisher verlassen konnten.

Diese Sorge, die uns umtreibt, sollten Sie mit uns teilen!

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Josef Düllings, VKD-Präsident                                Dr. Jens-Uwe Schreck, VKD-Geschäftsführer

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