30% Gewinneinbußen in der Milchviehhaltung – wirtschaftliche Schieflage nimmt dramatisch zu

Konstant niedrige Milcherzeugerpreise verbunden mit höheren Kosten für die Betriebsmittel haben zu einem Rückgang der Gewinne auf den Milchviehbetrieben um 30 Prozent geführt. „Zu den schlechten Milcherzeugerpreisen kommen Preise für Kälber hinzu, die mit einem unteren Niveau von 10 Euro/Kalb eine Katastrophe und Ausdruck völligen Werteverfalls sind“, kritisiert der Vorsitzende vom Bundesverband Deutscher Milchviehhalter e.V. (BDM) Stefan Mann vehement.

Im Wirtschaftsjahr 2018/19 lag laut Situationsbericht des Deutschen Bauernverbandes der durchschnittliche Gewinn der Milchviehbetriebe bei 66.600 Euro je Betrieb bzw. bei 44.000 Euro je Familienarbeitskraft.

„Es treibt mich zum Wahnsinn, wie unverantwortlich mit der Darstellung dieser Zahlen umgegangen wird“, ärgert sich Stefan Mann. „So wie das dargestellt wird, könnte beim weniger fachkundigen Leser dieser Zahlen der Eindruck entstehen, dass hier auf relativ hohem Niveau gejammert wird und dass dies ja gar nicht so schlecht ist, weil so mancher Beschäftigter in der gewerblichen Wirtschaft weniger verdient. Warum wird nicht deutlich kommuniziert, was mit diesem Gewinn alles finanziert und geleistet werden muss? Warum spricht man nicht von den Investitionssummen, die auf den Betrieben gestemmt werden müssen? Will man die wirtschaftliche Situation schönrechnen? Vom betrieblichen Gewinn müssen betriebliche Darlehen getilgt werden – u.a. für Investitionen, die auf den Milchviehbetrieben schnell in die Millionenhöhe gehen können. Außerdem müssten davon Rücklagen gebildet werden für Ersatz- und Neuinvestitionen, eine adäquate Alterssicherung müsste aufgebaut werden, das eingesetzte Kapital sollte verzinst werden und es müssten Reserven gebildet werden können, um das erhebliche wirtschaftliche Risiko, das durch Marktverwerfungen und die zunehmenden Wetterrisiken entsteht, abfedern zu können.

Wenn man das alles berücksichtigen würde, stünde am Ende der Rechnung ein Einkommen für die Lebenshaltung zur Verfügung, das sehr deutlich unter dem der übrigen Gesellschaft liegt, doch diese Zahl wird schon seit längerem nicht mehr veröffentlicht“, bilanziert BDM-Vorsitzender Stefan Mann.

Dass die Milchviehbetriebe angesichts dieser Betriebsergebnisse auf die Straße gehen und gegen weitere Auflagen mit den damit verbundenen Kostensteigerungen oder Ertragsrückgängen protestieren, ist mehr als verständlich und überfällig.

Die Betriebe erwarten aber nicht nur Erleichterungen bei den künftigen Anforderungen, sie brauchen eine echte wirtschaftliche Perspektive. Mehrere Milchkrisen und auch die Dürre der vergangenen Sommer haben die Betriebe in eine wirtschaftliche Schieflage gebracht, die ihnen die Luft zum Atmen nimmt.

Für das laufende Wirtschaftsjahr ist mit einem weiteren Gewinnrückgang zu rechnen, da die Milcherzeugerpreise gegenüber dem Vorjahr noch mal gesunken sind, die Kälberpreise weiter unterirdisch sind und sich auf Kostenseite keine positive Veränderung ergeben hat. „Kein Verantwortlicher in der Politik und bei den verschiedenen Verbänden darf sich darüber wundern, dass immer weniger Höfe einen Nachfolger finden und dass aktuell eine derart große Protestwelle durchs Land rollt“, stellt Stefan Mann fest. „Es ist Zeit für Lösungen und Taten statt Dialogrunden und Roadshows für mehr Wertschätzung.“

Der BDM weist seit vielen Jahren auf diese Entwicklung hin und hat entsprechende Vorschläge gemacht, wie man die Marktstellung der Milchviehhalter bzw. der ganzen Landwirtschaft deutlich verbessern, Marktkrisen begegnen und damit höhere Erzeugerpreise umsetzen könnte.  Teilweise sind die Grundlagen für die BDM-Lösungsansätze auch schon in der Gemeinsamen Marktordnung der EU verankert, doch fehlt es an der konsequenten Weiterarbeit daran, die Milchviehbetriebe wirtschaftlich nachhaltiger und krisenfester aufzustellen. „Das ist mehr als fahrlässig, wenn man in Betracht zieht, dass der Brexit ins Haus steht und mit ihm Marktverwerfungen prognostiziert werden. Wieder einmal wird man nicht vorbereitet sein, weil man den Argumenten der Verbände der Ernährungsindustrie gefolgt ist, die nichts unversucht lassen, um ihre komfortable Marktsituation, in der sie das Marktrisiko auf die Erzeuger abwälzen können, auch zukünftig zu erhalten.

„Wenn jetzt nicht sofort in der AgrarMarktpolitik umgesteuert wird, damit die Marktstellung der Landwirtschaft deutlich verbessert und die Agrargelder sozial gerecht verteilt werden, wird die bäuerlich geprägte Landwirtschaft mit vielfältigen Strukturen bald der Vergangenheit angehören“, warnt Stefan Mann die Bundesregierung.

 

 

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