Biomüll: Missverständnisse und „Tricks“

„Genervt“, wie zahlreiche Mitbürger, vom Umgang verschiedener Interessengruppen sowie einiger verantwortlicher Politiker mit dem Thema „Biomüll-Entsorgung“, möchte ich vor dem Hintergurnd meiner Studienschwerpunkte Wahlforschung, politische Psychologie, Bürgerbeteiligung, Statistik, … hier meine wesentlichen Eindrücke aus den zahlreichen Gesprächen und Veröffentlichungen der letzten Monate zusammenfassen:

  • Art und Weise sowie Umfang und Zeitpunkte (auch Pausen) der Einbeziehung der Öffentlichkeit durch Mandatsträger und Verwaltung haben dazu geführt, dass viele Mitbürger den „Ernst der Situation“ und damit die Dringlichkeit, sich selbst einzubringen, sowie die Ernsthaftigkeit der Absicht, das Hol- in ein Bringsystem umzuwandeln, lange unterschätzt haben. Dies sollte man den ansonsten politisch interessierten Bürgern nicht zum Vorwurf machen, was angesichts des späten Engagements vieler Betroffener derzeit leider gelegentlich geschieht.
  • Bei einem so weit gehenden und in der Alltagspraxis spürbaren Eingriff in die bisherige Versorgung der Bürger mit kommunalen Dienstleistungen wäre meines Erachtens schon zu Beginn eine Befragung ohne versteckte Manipulation der Betroffenen sehr sinnvoll gewesen (siehe Punkt 3). Psychologisch gesehen waren die entstandenen Probleme also zu erwarten und hätten seitens der politischen Vertreter sowie der Kreisverwaltung im Vorfeld erkannt werden müssen! Es ist aber nie zu spät, den richtigen Weg einzuschlagen!
  • Die durchgeführten Unterschriftensammlungen, die Diskussionen über Bürgerbefragungen sowie die aktuelle „Befragung“ der Haushalte durch den A.R.T. wären überflüssig gewesen, hätte man den Bürgern die beiden Systeme zuvor kurz, sachlich und transparent, ohne der geringsten Versuchung einer Manipulation zu erliegen(!), einschließlich der zugehörigen Konsequenzen, erklärt! Daran würde sich dann die folgende tendenzlos formulierte Wahlmöglichkeit anschließen:

Antwort:    O   Ich bin für die Umstellung auf das neue Bringsystem.

O   Ich bevorzuge das bisherige Holsystem.

  • Dieser meines Erachtens einzig mögliche Weg einer dauerhaften Lösung des Problems mit angemessener Bürgerbeteiligung und maximaler Zufriedenheit des Bürgers mit der politischen Entscheidungsfindung könnte auch zum jetzigen Zeitpunkt noch eingeschlagen werden, egal wie kostspielig die bisherigen „Experimente“ waren! Dabei bin ich mir ansonsten voll bewusst, dass zu viel „direkte Demokratie“ nicht bezogen auf alle möglichen politischen Fragestellungen sinnvoll, zielführend, effizient und demokratischer ist. Beim hier vorliegenden Problem wäre der Bürger allerdings kaum überfordert gewesen.
  • Das Ergebnis der letzten Befragung durch den A:R:T: war so zu erwarten, wenn man dem Bürger, der auf sparsamen Umgang mit seinen Finanzen angewiesen ist, „vorgaukelt“, das Holsystem sei, egal wie die Mehrheit entscheidet, nur als „Zusatzleistung“ mit erheblichen Mehrkosten zu haben! Diese eingeschränkte Wahlmöglichkeit ist, wie es sinngemäß auch dem dieser Tage veröffentlichten Leserbrief von Friedhelm Bongartz zu entnehmen ist, bereits die Folge vorangegangener, nicht transparenter und unzureichend vorbereiteter (Fehl-)Entscheidungen.

Es sollte nicht unterschätzt werden, dass sehr viele Mitbürger, ganz besonders natürlich Alte und Kranke den bisherigen Service, auch im Falle geringer Mehrkosten, weiter nutzen möchten, was ja offensichtlich auch in fast allen übrigen Regionen Deutschlands der Fall ist! Das Thema hat also auch einen sozialen Aspekt, wie man in Gesprächen mit Betroffenen derzeit deutlich erkennen kann! Hier ist die Gemeinschaft der Bürger als Ganzes gefordert!

  • Bei genauer, unparteiischer Betrachtung kann man allerdings auch die Position einiger Volksvertreter, die ca. 11 000 Unterschriften würden „klar den Bürgerwillen widerspiegeln“ und so eine teure Befragung überflüssig machen, als „Taktik“ entlarven. Zwar ist das Kostenargument nicht von der Hand zu weisen und der so zum Ausdruck gebrachte Wille vieler Bürger sollte auch nicht ignoriert werden, aber Rückschlüsse auf die Mehrheitsmeinung kann man bei wissenschaftlich sauberer Betrachtung aus diesem Votum natürlich nicht ableiten, obwohl dies immer wieder versucht wird!

Mögen die politischen Gremien erkennen, dass es sich hier um ein Thema handelt, das auch beim jetzigen Stand der Diskussion und angesichts der bisher getroffenen Entscheidungen, wirklich „demokratisch“ nur noch wie in Punkt 3.) beschrieben gelöst werden kann. Es handelt sich um ein typisches Feld für mehr Bürgerbeteiligung, wobei alle der Versuchung widerstehen müssen, durch manipulative Fragestellung den Bürger bei seiner Entscheidung zu beeinflussen! Ein solches, in diesem Fall ausnahmsweise wirklich einmal basisdemokratisches Vorgehen, schmälert keineswegs die wichtige Funktion der ehrenamtlich(!) tätigen Volksvertreter. Es wirkt sogar dem fatalen Eindruck entgegen, hier seien noch andere Interessen im Spiel!

Für ihr gut gemeintes Engagement gebührt den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung ansonsten unser aller Dank!

Manfred Böffgen, Gerolstein

(Anm. d. Redaktion: Herr Böffgen war langjähriger Fachkonferenzleiter „Sozialkun

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