Bund will Katastrophenschutz nicht an sich ziehen

Nach Ansicht von Bundesinnenminister Seehofer sollte die Verantwortung für den Katastrophenschutz weiter bei Ländern und Kommunen liegen. Doch nach der Flutkatastrophe zeichnen sich auch Veränderungen ab.

Nach der verheerenden Unwetterkatastrophe in Westdeutschland soll die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen beim Katastrophenschutz verbessert werden. Für eine neue zentrale Führungsrolle der Bundesbehörden zeichnet sich dagegen keine Mehrheit ab.

Nach Ansicht von Bundesinnenminister Horst Seehofer sollte der Bund auf jeden Fall nicht die Verantwortung für den Katastrophenschutz an sich ziehen. Die im Katastrophenfall notwendigen Entscheidungen müssten weiter vor Ort getroffen werden, ein Eingreifen in die Kompetenzen von Ländern und Kommunen wäre hier der falsche Weg, sagte der CSU-Politiker am Montag im Bundestag bei einer Sondersitzung des Innenausschusses.

Durch die Unwetterkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen waren in der vorvergangenen Woche mindestens 179 Menschen ums Leben gekommen, Dutzende werden noch immer vermisst.

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) solle lediglich als «Kompetenzzentrum von Bund und Ländern eine stärkere koordinierende Rolle übernehmen, betonte Seehofer. Darauf hätten sich die Innenministerkonferenz von Bund und Ländern auch bereits vor den Überflutungen im Westen Deutschlands geeinigt.

«Herr Seehofer hat hier völlig Recht», sagte FDP-Fraktionsvize Michael Theurer. Der Bund sollte hier vor allem als Koordinator auftreten. Allerdings sollten mit einer Reform der Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen die Möglichkeiten der unteren Ebene gestärkt werden, ihre Aufgaben richtig wahrnehmen zu können. Der Bund unterstützt die Länder aktuell bei der Errichtung und Reparatur von Sirenen, um die Bevölkerung im Katastrophenfall zu warnen.

Noch ungeklärt ist, weshalb die betroffenen Länder und Kommunen vor der Katastrophe nicht ausreichend gewarnt hatten. In einem am 14. Juli mittags – also mehrere Stunden vor der Katastrophe – erstellten Bericht des Gemeinsamen Melde- und Lagezentrums von Bund und Ländern hieß es: «Im morgigen Tagesverlauf ist ein Anstieg des Wasserstands bis in den Bereich von 900 cm nicht ausgeschlossen, jedoch aufgrund der unsicheren Niederschlagsvorhersage noch schwer abzuschätzen.»

THW-Vizechefin Sabine Lackner sagte dem Nachrichtenportal «ZDF heute»: «Eine weitere Zentralisierung ist nicht dienlich.» Die Zuständigkeit, wie sie bisher geregelt sei – «von unten nach oben» – sei richtig, «weil der Landrat oder der Bürgermeister die Situation vor Ort am besten kennt», sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Albert Weiler der Deutschen Presse-Agentur. Weiler trägt als ehrenamtlicher Bürgermeister der Thüringer Gemeinde Milda selbst Verantwortung im Katastrophenschutz. Die Länder und Kommunen sollten die von der Akademie des BBK angebotenen kostenlosen Schulungen zum Katastrophenschutz nutzen; die Teilnahme solle am besten sogar verpflichtend sein.

Die Bewältigung akuter Katastrophenlagen liegt bislang in der Verantwortung der Länder und Kommunen. Der Bund hat seinerseits die Aufgabe, für den Schutz der Bevölkerung im Verteidigungsfall zu sorgen. Einige Experten halten die Aufteilung für überholt.

Die Grünen hätten bei der Sondersitzung auch gerne NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) und den rheinland-pfälzischen Innenminister Roger Lewentz (SPD) befragt. Die Vorsitzende des Innenausschusses, Andrea Lindholz (CSU) sagte, sie habe die Tagesordnung nicht überfrachten wollen. Sie halte es aber für sinnvoll, die beiden Landesminister zu einer weiteren Sitzung in den Ausschuss zu bitten.

Gegen Warnungen der Bevölkerung per Cell Broadcasting hatte es in der Bundesregierung vor den von Starkregen ausgelösten Überschwemmungen wohl Widerstand gegeben. Von der Idee seien «nicht immer alle begeistert gewesen in den letzten Monaten», bestätigte Seehofer. «Aber ich habe entschieden, dass wir es tun und machen, da gibt es überhaupt kein vernünftiges Argument dagegen», fügte er hinzu.

BBK-Präsident Armin Schuster, hatte zur Warnung per Cell Broadcasting im Frühjahr eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Dem Vernehmen nach ging es dem Leiter der Behörde, die dem Innenministerium untersteht, dabei auch darum, andere Ressorts – unter anderem das Wirtschaftsministerium – zu überzeugen.

Beim Cell Broadcasting wird ähnlich wie bei einer SMS eine Nachricht an Handy-Nutzer verschickt – und zwar an alle Empfänger, die sich zu dem Zeitpunkt in der betreffenden Funkzelle aufhalten.

Die Telekom hatte sich vergangene Woche offen dafür gezeigt, das dafür notwendige System aufzubauen. Vodafone betreibe zusätzliche Warnsysteme auf Basis von Cell Broadcast bereits für Behörden in mehreren Ländern wie etwa Italien und Großbritannien und könne dies auch in Deutschland anbieten, wenn die Behörden dafür einen Auftrag erteilten, sagte ein Unternehmenssprecher.

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