Ex Finanzminister Deubel behält vorläufig Beamtenpension

Ex Finanzminister Ingolf Deubel, Foto: EAZ

Der ehemalige Finanzminister des Landes Rheinland-Pfalz Ingolf Deubel behält trotz seiner strafgerichtlichen Verurteilung vorläufig seine Versorgungsbezüge. Dies ent­schied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in einem Eilrechtsschutzverfahren.

Der Antragsteller stand bis zu seiner Ernennung zum Finanzminister im Jahre 2006 als Beamter im Dienst des Landes Rheinland-Pfalz. Während seiner Zeit als Mitglied der Landesregierung beging er im Zusammenhang mit der Durchführung eines vom Land teilweise mitfinanzierten Investitionsvorhabens vier Untreuehandlungen. Nachdem das Investitionsvorhaben wegen der gescheiterten Finanzierung nicht mehr realisiert werden konnte, trat er am 7. Juli 2009 von seinem Amt als Finanzminister zurück und wurde drei Monate später, wie gesetzlich vorgesehen, in den Ruhestand versetzt (sog. Nürburgring-Affäre). Nach seinem Eintritt in den Ruhestand wurde der Antragsteller als Zeuge vor einem Untersuchungsausschuss des Landtags vernommen. Hierbei machte er eine falsche uneidliche Aussage.

Nürburgring - Skandal
Die ganze Geschichte über den Finanzskandal am Nürbuirgring

Das Landgericht Koblenz verurteilte den Antragsteller wegen dieser Taten mit Urteil vom 31. Januar 2020 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten (entspricht 27 Monaten). Dabei setzte die Strafkammer zunächst für die im Ruhestand begangene uneidliche Falschaussage eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten (entspricht 16 Monaten) fest. Wegen der vier in seiner Zeit als Finanzminister begangenen Untreuehandlungen erhöhte das Strafgericht die für die uneidliche Falsch­aussage festgesetzte Einsatzstrafe um weitere 11 Monate.

Nach Rechtskraft des Strafurteils teilte das für die Versorgung des Antragstellers zuständige Landesamt für Finanzen ihm Ende September 2020 mit, dass er seinen Anspruch auf beamtenrechtliche Versorgung verloren habe und stellte nur wenige Tage später, am 1. Oktober 2020, die laufenden Zahlungen ein.

Der Antragsteller suchte daraufhin beim Verwaltungsgericht Koblenz um Eilrechts­schutz nach mit dem Ziel, seine Versorgungsbezüge vorläufig weiter zu erhalten.  Das Verwaltungsgericht lehnte seinen Eilantrag ab. Es sei weder eine besondere Eilbedürf­tigkeit erkennbar noch stünden ihm weitere Versorgungsbezüge zu. Die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten reiche unabhängig von dem Zeitpunkt, in dem die den Einzelstrafen zugrundeliegenden Straftaten begangen worden seien, aus für den kraft Gesetzes eintretenden Verlust seiner Versorgungs­bezüge als Ruhestandsbeamter.

Auf die hiergegen eingelegte Beschwerde des Antragstellers hob das Oberverwaltungs­gericht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf und stellte fest, dass der Antrag­steller vorläufig – bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens – seine Rechte als Ruhestandsbeamter durch die strafgerichtliche Verurteilung nicht verloren hat.

Der Antragsteller habe entgegen der Auffassung der Vorinstanz wesentliche Nachteile und damit ein besonderes Eilbedürfnis durch die von ihm schon erstinstanzlich vorge­legte Auflistung seiner Einnahmen und Verpflichtungen hinreichend glaubhaft gemacht. Außerdem sei ein besonderes Eilbedürfnis und damit ein Grund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung hier offenkundig, nachdem ihm Ende September 2020 mitge­teilt worden sei, dass die Zahlung seiner Versorgungsbezüge ab 1. Oktober 2020 voll­ständig eingestellt werde, ohne dass ihm ein Abschlag auf seine Rente aus der Nach­versicherung ausgezahlt worden sei.

Der Antragsteller habe auch seine Rechte als Ruhestandsbeamter nicht durch seine strafgerichtliche Verurteilung verloren.

Der Verlust der Beamtenrechte und damit auch der Versorgungsbezüge kraft Gesetzes setze nach der hier allein in Betracht kommenden Rechtsgrundlage – § 70 Abs. 1 Satz 1 Landesbeamtenversorgungsgesetz (LBeamtVG) in Verbindung mit § 24 Beamten­statusgesetz – voraus, dass der Versorgungsempfänger entweder wegen einer im aktiven Dienstverhältnis begangenen vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr oder wegen einer im Ruhestand begangenen vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden sei. Eine Zusammenrechnung von Freiheitsstrafen für vor und nach der Zurruhesetzung began­gene Taten sei entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht zulässig. Der Wortlaut der Norm, der ausdrücklich zwischen einer Verurteilung „wegen einer vor Beendigung des Beamtenverhältnisses begangenen Tat“ und „wegen einer nach Beendigung des Beamtenverhältnisses begangenen Tat“ unterscheide, sei eindeutig. Nach der Recht­sprechung des Bundesverwaltungsgerichts setze die rechtliche Automatik der kraft Gesetzes eintretenden Beendigung des Beamtenverhältnisses bzw. des Verlustes der Rechte als Ruhestandsbeamter einen eindeutigen, für Zweifelsfragen der Auslegung keinen Raum lassenden Anknüpfungspunkt voraus. Deshalb könne nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber eine kraft Gesetzes eintretende Beendigung dieses Verhältnisses an Voraussetzungen habe knüpfen wollen, die erst durch eine zweifel­hafte Auslegung zu ermitteln seien.

Eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung der Vorschrift sei aber unabhängig davon wegen des in § 70 LBeamtVG klar zutage tretenden Willen des Gesetzgebers auch aus rechtsystema­tischen oder rechtsvergleichenden Erwägungen nicht zulässig. Die Gesetzgeber in Bund und Ländern (mit Ausnahme von Bayern und Brandenburg) unterschieden für den Verlust der Beamtenrechte eines Versorgungsempfängers – nach einer „Vorgänger­regelung“ aus dem Jahr 1937 – bereits seit den 1950er Jahren stets zwischen Straf­taten, die vor und solchen, die nach der Zurruhesetzung eines Beamten begangen worden seien. Dieses gesetzgeberische Ziel dürfe nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht werden, indem ein Gericht abgekoppelt vom erkennbaren Willen des Gesetzgebers wegen „unerträglicher Wertungswidersprüche“ den Wortlaut der Norm ignoriere oder in sein Gegenteil verkehre und damit letztlich seine eigene rechts­politische Einschätzung an die Stelle des demokratisch legitimierten Gesetzgebers setze.

Daher müsse für den Verlust der Versorgungsbezüge des Antragstellers entweder eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr für die vor der Zurruhesetzung begangenen Straftaten oder eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren für die nach der Zurruhesetzung begangenen Straftaten vorliegen. Weder das eine noch das andere habe das Land­gericht in seinem Strafurteil festgesetzt. Während die uneidliche Falschaussage nach der Zurruhesetzung des Antragstellers erfolgt sei, habe er die vier Untreuehandlungen Ende 2008/Anfang 2009 noch vor seiner Zurruhesetzung begangen, da er sich zu diesem Zeitpunkt noch als Minister in einem besonderen öffentlich-rechtlichen Amts­verhältnis und nicht im Ruhestand befunden habe. Das Landgericht habe für die nach der Zurruhesetzung begangene uneidliche Falschaussage 1 Jahr und 4 Monate (= 16 Monate) Freiheitsstrafe ausgeworfen. Dieses Strafmaß erreiche ersichtlich nicht die erforderliche Dauer von zwei Jahren. Nach Abzug dieser 16 Monate von der Gesamt­strafe von 2 Jahren und 3 Monaten (= 27 Monate) seien für die vier abgeurteilten nur noch (27 – 16 =) 11 Monate übriggeblieben. Damit erreiche die verhängte Freiheitsstrafe für die vor der Zurruhesetzung des Antragstellers begange­nen Untreuehandlungen ihrerseits nicht das erforderliche Mindestmaß von einem Jahr Freiheitsstrafe.

Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen
Eifelzeitung E-Paper Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen