Erster Zug seit der Flut-Katastrophe in Gerolstein angekommen – aus Richtung Kaisersesch

Eifelquerbahn ist befahrbar! Arbeitskreis fordert provisorische, touristische Nutzung zur Saison 2022

Archivfoto – Kyllbrücke bei Pelm

„Die Eisenbahn sollte den Menschen dienen, die sie brauchen, nicht nur dem Kapital“, sagt nachdenklich Michael Müller, Sprecher des Arbeitskreises zur Förderung des Schienenverkehres, zur bisherigen Unternehmensstrategie der sich immer noch im Bundeseigentum befindlichen Bahn AG. Denn die Eifelquerbahn Gerolstein – Daun – Kaisersesch wurde in den vergangenen Monaten aufwändig instandgesetzt, um in Gerolstein „gestrandete“ Fahrgäste zu bergen, weil die stark beschädigte Eifelstrecke bis auf weiteres nicht befahrbar ist.

Mit Erfolg: Am Donnerstag, den 06.01.2022, erreichte nach 12 Uhr die erste Zugfahrt seit der Flut-Katastrophe den Bahnhof Gerolstein: nicht aus Richtung Trier oder Euskirchen, sondern aus Richtung Daun kommend. Es handelte sich um eine erste „Inspektionsfahrt“ über die Eifelquerbahn, diese Strecke ist somit wieder für Zugfahrten befahrbar. Vorangegangen sind unter anderem ein kompletter Freischnitt der über 50 Kilometer langen Bahnstrecke, aber auch Gleisbauarbeiten wie die Beseitigung von Spurverengungen in Betteldorf.

Die Strecke soll aber dennoch formal stilllgelegt bleiben, wie das Eisenbahnbundesamt auf Anfrage mitteilte, die Bahn AG beabsichtigt nach Abschluss der Überführungsfahrten keine weitere Nutzung der Strecke zu ermöglichen. „Nach monatelanger Arbeit ist die Strecke endlich wieder befahrbar und nach ein paar Wochen soll die einzige, endlich wieder funktionsfähige Schienenverbindung nach Gerolstein einfach wieder eingestellt werden“, ist Michael Müller noch immer fassungslos. Für die Bahn AG zähle offenbar nur ihr wirtschaftliches Interesse, den Kapitalwert der schadhaften Fahrzeuge in Gerolstein nicht abschreiben zu müssen. Dass es darüber hinaus einen dringenden Bedarf der Menschen in der Region an dieser Schienenverbindung für das Jahr 2022 gebe, werde schlichtweg ignoriert.

Der Arbeitskreis zur Förderung des Schienenverkehrs appelliert daher an Kommunen, Zweckverband und Land umgehend das Gespräch mit der Bahn AG zu suchen, um zumindest einen Betrieb für das gesamte Jahr 2022 zu gewährleisten. Dabei geht es dem Arbeitskreis um eine Bestellung touristischer Zugfahrten von Gerolstein über Daun bis Kaisersesch, mit Anschluss an den bestehenden Schienenpersonennahverkehr ab Kaisersesch in Richtung Andernach und Rheinstrecke. Hiermit würde – wenn auch mit Umweg – wieder eine provisorische Schienenanbindung Gerolsteins über Andernach in Richtung Bonn und Köln geschaffen.

„Wir sprechen bewusst von einem touristischen Verkehr“, so Michael Müller, „da niemand abstreitet, dass eine Ertüchtigung der Strecke für den täglichen, modernen SPNV notwendig ist. Dem sollte aber nicht im Wege stehen, die Strecke zumindest so nutzen zu können, wie sie jetzt befahrbar ist. Die Strecke ist befahrbar und sollte allen dienen, die jetzt Bedarf haben.“ Die Brücken ermöglichen offenbar die Überführung von Zugfahrten mit schweren Loks und langen, abzuschleppenden Fahrzeugen. Demnach kann es aus Sicht des Arbeitskreises auch keine Sicherheitsprobleme geben, relativ leichte Triebwagen mit Personenbeförderung verkehren zu lassen. „Niemand spricht von schweren Dampfzügen“, legt Michael Müller fest, „der touristische Verkehr kann in bewährter Form mit Schienenbussen oder anderen, leichten Triebwagen abgewickelt werden. Diese stellen keine größere Belastung für die Brückenbauwerke dar als der jetzt geplante Betrieb der Überführungsfahrten.“

Der derzeitige Zustand bedeute zweifelsfrei lange Fahrtzeiten, die aber für Touristen dennoch attraktiver als der bestehende Schienenersatzverkehr mit Umstieg in Euskirchen, häufig verpassten Anschlüssen und kurvenreicher Linienbusfahrt durch die Eifel seien. Vor allem geht es dem Arbeitskreis dabei um den Radtourismus, da ein touristischer Verkehr über die Eifelquerbahn mit Fahrradmitnahme möglich sei, während die Bahn AG diesen seit Juli eingestellt hat: Im Schienenersatzverkehr der Eifelstrecke ist keine Fahrradmitnahme möglich. Seit Juli ist es nun schon

nicht mehr möglich, mit öffentlichem Nahverkehr und Fahrrad in die Eifel zu kommen! Der Arbeitskreis sieht daher bereits eine grundlegende, für den Tourismus essentielle Verbesserung, wenn für die Saison 2022 zumindest täglich eine touristische Zugfahrt über die Eifelquerbahn morgens mit Anschluss aus Andernach und Rheinstrecke von Kaisersesch nach Gerolstein und nachmittags retour angeboten werden könne. Dies sei auch mit dem bestehenden Infrastrukturzustand und den derzeit möglichen Fahrtzeiten problemlos machbar, betont Michael Müller.

Die Sicherungsanlagen für die Bahnübergänge wurden von der Bahn AG für die Überführungsfahrten offenbar nicht wieder in Betrieb genommen. Die Sicherung erfolgt als „Postensicherung“, indem Zugpersonal aussteigt und den Bahnübergang mit einer Flagge sichert. „Kein Problem“, sagt Michael Müller. Denn dieses Betriebsverfahren wurde bereits in der Vergangenheit im touristischen Verkehr an Bahnübergängen in Daun-Boverath sowie Laubach angewandt und könnte auch als Provisorium für die Saison 2022 dienen. Es würde sicherlich nicht an ehrenamtlichen Hilfskräften für diese Dienste mangeln, ist sich Michael Müller sicher. Ein weiteres, vermeintliches Problem stellt die fehlende bzw. außer Betrieb genommene Zugsicherungstechnik dar, die im regulären Betrieb dazu dient, ein Zusammenstoßen mehrerer Züge zu verhindern. Auch das ist aus Sicht des Arbeitskreises aber nur ein vorgeschobenes Argument gegen eine provisorische, touristische Nutzung der Strecke in der Saison 2022, da sich dieses Problem gar nicht ergebe, solange der Betrieb mit nur einem Zug abgewickelt werde.

„Und ein Zug ist immerhin mehr als keiner“, betont Michael Müller. Darüber hinaus sei es aber durchaus auch möglich die Strecke betrieblich in zwei Abschnitte zu trennen: Einen Streckenblock Gerolstein – Daun und einen Streckenblock Daun – Kaisersesch, wobei eine Überfahrt von dem einen in den anderen Streckenblock technisch ausgeschlossen werden könne. Hiermit wäre, so Michael Müller, möglich, auch gefahrlos sowohl einen Zug morgens von Gerolstein in Richtung Daun als auch einen Zug morgens zeitgleich von Kaisersesch in Richtung Daun starten zu lassen. Die Fahrgäste könnten dann zur Weiterfahrt bedarfsweise im Bahnhof Daun von dem einen in den anderen Zug umsteigen.  Dieses Betriebsverfahren wurde bereits im touristischen Verkehr auf der Eifelquerbahn in den Anfangsjahren ab 2001 erfolgreich eingesetzt.

Dem Arbeitskreis zur Förderung des Schienenverkehrs liegen bereits Zusagen von Eisenbahnverkehrsunternehmen vor, die diese Verkehre für das Jahr 2022 kurzfristig erbringen könnten, wenn diese vom zuständigen Zweckverband bestellt und von der Bahn AG als Eisenbahninfrastrukturunternehmen für die Eifelquerbahn ermöglicht würden. Eisenbahnrechtlich möglich wären ein Antrag der DB AG zur Erteilung einer befristeten Betriebsgenehmigung bis zum 31.12.2022 oder einer Sondergenehmigung, um die eisenbahnrechtlichen Voraussetzungen zu schaffen – wenn sie es denn wollen würde… „Niemand fordert unmögliches“, lautet das Fazit von Michael Müller, „nur ein wenig von dem guten Willen, den alle in Anbetracht der gravierenden Infrastrukturschäden im Sommer versprochen haben, um wenigstens das Beste aus der miserablen Situation zu machen.“ Der Zeitplan sei ambitioniert, aber der Zug NOCH nicht abgefahren, wenn jetzt alle an einem Strang ziehen würden.

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