Hubig: Schule ist der Ort, an dem wir dem Hass begegnen

Rheinland-pfälzische Bildungsministerin Dr. Stefanie Hubig/SPD

„In der Schule haben wir eine große Chance, nachhaltig gegen den Hass zu arbeiten und dem Antisemitismus entgegenzutreten“, sagte die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Dr. Stefanie Hubig zum Auftakt des Fachforums „Dem Hass begegnen – Antisemitismus entgegentreten – Handlungsfelder in der Schule“ am Freitag in Mainz. Bei dem Austausch mit über 150 Teilnehmern – zum Teil vor Ort im Plenarsaal des Landtages, zum Teil online zugeschaltet – wurde erörtert, welchen Beitrag Schulunterricht leisten kann, um dem immer wieder aufkeimenden Antisemitismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entschlossen die Stirn zu bieten.

Als besonderen Gast begrüßte Hubig bei der vom Ministerium für Bildung und dem Landtag Rheinland-Pfalz ausgerichteten Veranstaltung die Zeitzeugin Henriette Kretz. Die 1934 im polnischen Stanislawów geborene Lehrerin war als Kind dem Holocaust nur mit knapper Not entkommen, ihre Eltern verloren dabei ihr Leben. Kretz, die mittlerweile in Belgien lebt, berichtet seit Jahren in Schulen, auf Vorträgen und Veranstaltungen von ihren Erlebnissen und mahnt zur Wachsamkeit vor neuen Formen des Antisemitismus. „Die Begegnung mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen ist für Schülerinnen und Schüler sowie für Lehrerinnen und Lehrer eine sehr wichtige, wertvolle Erfahrung, denn hier werden die Inhalte des Geschichtsunterrichts im Menschen gegenüber real“, dankte Hubig Kretz für ihren unermüdlichen Einsatz.

„Dass Sie, liebe Frau Kretz, nicht den Hass, sondern die Versöhnung leben, dafür gebührt unser aller Hochachtung.“ „Hass und Versöhnung“ – so lautet auch der Titel des vor wenigen Tagen erschienenen Buches des Sozialpädagogen Reiner Engelmann. Für dieses Projekt hat der Autor die Zeitzeugin Kretz mit einem Aussteiger aus der Neonazi-Szene zusammengebracht, ihre Dialoge und Gedanken in fiktionaler Form aufgeschrieben.

Im Mainzer Landtag stellten beide das Buch vor, das auf eindrucksvolle Weise demonstriert, wie Überzeugungsarbeit gegen Antisemitismus funktionieren kann. Kretz, die im Dezember das Bundesverdienstkreuz erhalten und bereits im Januar 2019 vor dem Mainzer Landtag gesprochen hatte, nutzte ihren Besuch in Mainz zu einem eindringlichen Appell an die jüngere Generation, aus der Geschichte zu lernen. „Die Vergangenheit ist nicht da, um mit ihr zu leben, sondern um von ihr zu lernen“, mahnte Kretz. „Was geschehen ist, ist geschehen. Da kann man nichts mehr verändern. Wichtig ist die Zukunft. Wir wollen, dass Generationen nach uns so etwas nicht mehr erleben.“

Im Anschluss diskutierten Kretz, Engelmann und Ministerin Hubig, die selbst erst vor wenigen Tagen die Gedenkstätte des ehemaligen Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau besucht hatte, mit zwei jungen Mitgliedern der jüdischen Gemeinde in Mainz, was Schule leisten kann und sollte, um die Erinnerung wachzuhalten und zu verhindern, dass sich antisemitisches und menschenfeindliches Gedankengut erneut breitmachen kann. Eine zentrale Frage bleibt, wie Erinnerungsarbeit und lebendige Vermittlung der Geschichte des Nationalsozialismus gelingen kann, wenn sie immer weniger Zeitzeugen wie Henriette Kretz aus eigenem Erleben schildern können. Dazu bezog auch Dieter Burgard Stellung, der seit Mai 2018 Beauftragter von Ministerpräsidentin Malu Dreyer für jüdisches Leben und Antisemitismusfragen ist und 2001 Mitbegründer und seither Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten und Erinnerungsinitiativen zur NS-Zeit in Rheinland-Pfalz.

Im Anschluss an die Podiumsdiskussion hatten die Schülerinnen und Schüler sowie die weiteren Teilnehmer in Kleingruppen die Gelegenheit, sich in Präsenz und online über die Inhalte auszutauschen und der Zeitzeugin Kretz und dem Buchautor Engelmann weitere Fragen zu stellen. Ministerin Hubig kündigte an, Ihr Haus werde die Impulse aus dem Fachforum für die Planung weiterer Veranstaltungen und Unterstützungsmaßnahmen in den nächsten Jahren aufgreifen. Vereinbart wurde bereits, dass wir die Zusammenarbeit der Schulen mit den außerschulischen Beratungsstellen im Land stärker forcieren werden.

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