Offener Brief des Imkerverbandes an Ministerpräsidentin Malu Dreyer

An die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz

Frau Malu Dreyer

Staatskanzlei

Peter-Altmeier-Allee 1

55116 Mainz

buergerbuero@stk.rlp.de

  1. Januar 2020

 

Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin,

ein erfreuliches neues Jahr wünschen wir Ihnen. Rheinland-Pfalz hat ein Problem. Das Problem wird von Jahr zu Jahr größer, seit 2016 hat sich Rheinland-Pfalz bundesweit damit an die Spitze gesetzt. Rheinland-Pfalz hat gleich zwei Ministerien, die für die Lösung des Problems zuständig sind. Landwirtschaftsminister Wissing und Umweltministerin Höfken können oder wollen das Problem nicht lösen. Darum wenden wir uns heute hoffnungsvoll an Sie, sehr geschätzte Frau Ministerpräsidentin Dreyer. 2016 wurden in einer einzigen Probe Blütenpollen aus Bienenvölkern eines Standortes in Rheinland-Pfalz 34 verschiedene Wirkstoffe aus dem Pflanzenschutz im Rahmen des deutschen Bienenmonitorings nachgewiesen. Die Blütenpollen dienen den Honigbienen, Wildbienen und Hummeln als Nahrung für die Nachkommen. Am 30. August 2017 haben wir im Umweltministerium dazu berichtet. Anwesend war Umweltministerin Höfken, Vertreter des Landwirtschaftsministeriums und auch agrarpolitische Sprecher verschiedener Fraktionen. Hier ein Auszug aus einer Folie:

96% der Proben sind belastet, max 34 Pestizide/Probe (RLP) Über 80% nicht verkehrsfähig (von der Ohe, Biene&Natur 6/17) Ursache sind kontaminierte Blüten in Raps, Obst, Spargel u. A.

Offensichtlich durch die landwirtschaftliche Praxis

 

Dieser Befund hat das Landwirtschaftsministerium veranlasst an dem betroffenen Standort weitere Untersuchungen durchzuführen. Heraus kamen noch wesentlich höhere Werte als in der bundesweiten Spitzenprobe.

Vor wenigen Monaten wurde dann öffentlich, dass der Standort in Ingelheim liegt. Die Medien berichteten darüber, die SWR-Landesschau, die Rheinzeitung hatte einen sehr lesenswerten Artikel landesweit auf der Titelseite, sogar Rockland-Radio nahm es ins Programm und auch überregional wurde es in verschiedenen Medien, z.B. in der Süddeutschen veröffentlicht. Was hat die rheinland-pfälzische Umweltministerin Höfken dazu gesagt? NICHTS!

Das Landwirtschaftsministerium wird von dpa folgenderweise zitiert: «Das Spektrum der Funde in den Pollen bildet den bestimmungsgemäßen Einsatz der Pflanzenschutzmittel in den angebauten Kulturen ab».

Was hat Landwirtschaftsminister Wissing dazu gesagt? Er hat am 12. Dezember vor 500 Tracktorfahrer*innen gegen „Ökopopulisten“ agitiert und Sprechchöre im Publikum provoziert, die „Ökofaschisten“ erwidert haben. Von den erschreckenden wissenschaftlichen Erkenntnissen zu den Wirkstoffen in rheinland-pfälzer Blütenpollen hat er NICHTS gesagt, im Gegenteil, er hat seinen Einsatz für weitere Mittelzulassungen angekündigt.

Wenn Bäuerinnen und Bauern gegen „Ökofaschisten“ brüllen -was auch immer ein „Ökofaschist“ sein soll- ist das nicht gerade zum Dialog einladend. Aber genau das wollen sie angeblich, die Delegierten des Bauern-und Winzerverbandes (BWV) Süd in ihrer Resolution vom 4. November 2019. Auch die Organisation „Land schafft Verbindung“ will den Dialog auf Grundlage  wissenschaftlicher Fakten statt Ideologie. Genau das wollen wir auch. Und „gemeinsam praxisgerechte Lösungen…erarbeiten“, der Schlusssatz der Resolution der Delegierten des BWV Süd. Darum bitten wir Sie, geschätzte Frau Ministerpräsidentin, einen Dialog über die wissenschaftlichen Fakten zu organisieren zwischen Landwirt*innen, Winzer*innen, Imker*innen, Naturschützer*innen und Landwirtschafts- wie auch Umweltverwaltung. Eine hervorragende Gelegenheit für einen Dialog bieten die rheinhessischen Agrartage in Nieder-Olm vom 20.01- bis zum 24.01.20. Unser Wunsch wäre hierbei ein gemeinsames Monitoring zu vereinbaren um eine fundierte wissenschaftliche Basis zu bekommen die zur Entschärfung der Hotspots wie den in Ingelheim beitragen können. Bisher werden gerade mal 7 Standorte in Rheinland-Pfalz beprobt. Nitratmessstellen in Rheinland-Pfalz gibt es 1600. Einzelbefunde von anderen Standorten in Rheinland-Pfalz zeigen sehr geringe und sogar vollkommen rückstandsfreie Blütenpollen. Das gibt uns Zuversicht, dass ein landesweites Monitoring für die Landwirtschaft und die Natur von Rheinland-Pfalz eine echte Chance bietet. Eine Entschärfung der Rückstandssituation im Blütenpollen könnte wiederum zu einer höheren Akzeptanz bei der Zulassung von Wirkstoffen führen. Eine winwin-Situation. Besondere Sorgfalt erfordert die Standortauswahl von Blühflächen um eine Kontamination durch Wirkstoffe von Pflanzenschutzmittelanwendungen zu vermeiden. Voraussetzung ist hinzuschauen, nicht die Augen vor den Problemen zu verschließen. Da wissen wir uns bei Ihnen, geschätzte Frau Ministerpräsidentin in mutigen Händen.

Zum Schluss noch eine Info aus Baden-Württemberg. Dort wurde an einem Runden Tisch ein Gesetzentwurf Eckpunktepapier vereinbart, das ein Budget von 62 Mio Euro für Biodiversität und Landwirtschaft vorsieht. Für uns scheint von besonderer Bedeutung zu sein, die Reduktion vom Pflanzenschutzmitteleinsatz um 40-50% bis 2030, die Einrichtung von Demonstrationsbetrieben zur Reduktion von Pflanzenschutzmittel und die Finanzierung von zusätzlicher Beratung. Bei uns in Rheinland-Pfalz könnte eine ausgewogene Beratung erreicht werden, indem die staatlichen Berater*innen bei Feldbegehungen  anstatt von Mitarbeitern von BASF und Bayer Crop Science in Zukunft von einer agrarökologischen Fachkraft begleitet werden. Im Übrigen möchten wir freundlich darauf hinweisen,  dass die „Ökologie“ kein politischer Kampfbegriff ist, sondern ein wissenschaftlicher Fachausdruck. Der Berufsstand, für den die Ökologie allergrößte Bedeutung hat sind die Bauern und Winzer.

Hochachtungsvoll

Franz Botens

  1. Vorsitzender

Imkerverband Rheinland-Pfalz e.V.

botens@web.de  Tel. 0178-7312566

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