Podiumsdiskussion zur medizinischen Versorgung in Zell

Zell/Mosel. Am Freitag, den 05.04.2019 veranstaltete die offene Liste der SPD für den Stadtrat in Zell eine Podiumsdiskussion zum Thema „Ambulante pflegerisch-medizinische Versorgung auf dem Land“. Bürgermeisterkandidat Hans-Josef „Hanjo“ Börsch fungierte dabei als Moderator der Veranstaltung und konnte dabei sowohl mit fachlich kompetenten wie auch kommunalpolitischen Gästen als Diskussionspartneraufwarten. Neben Bürgermeister Hans Schwarz, der eingangs ein kleines Grußwort zur Veranstaltung sprach und dem Bürgermeister der mittelbar von den Entscheidungen um das Krankenhaus in Zell betroffenen Verbandsgemeinde Traben-Trarbach/Kröv Marcus Heintel, stellten sich Dr. Günther Matheis (Präsident der Landesärztekammer RLP), Dr. Markus Mai (Präsident der Landespflegekammer RLP) und Nina Benz als Inhaberin eines Mobilen Pflegedienstes sowie Tagespflege den Fragen vom Podium und aus den Zuschauerrängen.

von Links Hans Schwarz,Stadtbürgermeister Zell (Mosel), Dr. Günther Matheis (Präsident der Landesärztekammer RLP),Hanjo Börsch, Bürgermeisterkanidat der Stadt Zell bei der Wahl am 26.Mai 2016, Nina Benz Inhaberin eines Mobilen Pflegedienstes, Dr. Markus Mai (Präsident der Landespflegekammer RLP) Bürgermeister vonTraben-Trarbach/Kröv Marcus Heintel und Benedikt Oster, MdL

Hanjo Börsch betonte in seiner Einführung, dass die ambulante pflegerische-medizinische Versorgung auf dem Land ein wichtiges Thema ist, dem sich auch die Politik in der Gemeinde nicht verschließen darf und aktiv an Lösungen mitarbeiten muss. Die ambulante medizinische Versorgung sei ein wichtiger Stützpfeiler der kommunalen Daseinsvorsorge und rücke zunehmend in den Fokus der politischen Entscheidungsträger. Da sich in vielen Regionen die Auswirkungen des demographischen Wandels auf die Versorgungsstrukturen bereits bemerkbar machen, könne das gewohnte hohe Versorgungsniveau vor Ort nur durch verstärkte Anstrengungen aller Akteure gesichert werden.

Laut Malu Dreyer müsse das gemeinsame Ziel die Sicherstellung einer hochwertigen medizinischen Ausbildung und einer guten ärztlichen Versorgung abseits der Ballungszentren sein, führte er weiter aus, konstatierte aber, dass davon in Zell konkret noch nichts zu spüren sei.

„Vielmehr ist es in den letzten 14 Jahren zu einer deutlichen Alterung der Ärzteschaft gekommen. Landesweit stieg die Anzahl der Ärzte und Psychotherapeuten im Alter von 60 und mehr Jahren von 795 auf 2.486 an und beträgt mittlerweile 32 Prozent. 2005 waren es 13 Prozent. Noch drastischer ist es in unserem Kreis hier sind 44% der Ärzte älter als 60 Jahre. Bei uns im Kreis sind über 60% der Ärzte älter als 55-59 Jahre und auch die Erreichbarkeit der nächstgelegenen Hausarztpraxis ist in unserem Kreis schlechter als der Landesdurchschnitt.“ So beträgt die durchschnittliche Entfernung in der Region zur nächstgelegenen Hausarzt-Praxis ca. 3,3km, während der Landesschnitt in Rheinland-Pfalz aktuell bei 1,6km liegt.

Aber auch die pflegerische Versorgung stellt die Region vor große Probleme. Allein der Fachkräftemangel wird sich in den nächsten Jahren noch deutlicher abzeichnen und vor allem im ambulanten Bereich spürbar werden.

Konfrontiert mit diesem Eingangsstatement erhielten die Diskussionsteilnehmer die Möglichkeit durch gezielte Fragen von Börsch, sich zu der Thematik zu äußern. So konstatierte Dr. Matheis, dass  die Kassenärztlichen Vereinigungen Anreize für die Niederlassung von Ärzten setzen müssten – etwa durch Zuschüsse für die Praxisneueröffnung, Stipendien für angehende Landärzte und flexiblere Arbeitsmodelle. „Die heutigen Ärzte arbeiten nicht mehr so, wie es die Ärzte es zu meiner Zeit getan haben“, stellte er fest, ohne dieses dabei negativ zu werten. Dies sei eine insgesamt gesellschaftliche Entwicklung, die zu beobachten sei. Work-Life-Balance sei das Stichwort, welches eben auch für Ärzte gelte. Entsprechend stellt sich die Frage danach, wie Kommunen dagegen steuern können, um junge Ärztinnen und Ärzte für die Region zu begeistern.

Hierzu, so Börsch, habe die SPD-Fraktion Zell einen entsprechenden Antrag für die nächste Ratssitzung eingereicht, in dem eine Stipendien-Vergabe für Studierende oder eine Art Darlehen für junge Absolventen einhergehend mit der entsprechenden Verpflichtung, in Zell für eine gewisse Zeit auch zu praktizieren, angeregt wird. Ebenso wie die Bildung einer Expertengruppe für die Ausarbeitung dieses Konzepts.

Eine weitere Möglichkeit wird in Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) oder Gesundheitszentren gesehen. „Konkrete Planungen stehen diesbezüglich bald in Morbach an“, konnte Marcus Heintel berichten. „Die Vorteile liegen klar auf der Hand: Unter einem Dach gibt es mehrere Ärzte, oft auch Fachärzte, die Räume und Geräte in Teilen gemeinsam nutzen können. Weitere Ärzte können angestellt und damit das angestrebte Arbeitsmodell umgesetzt werden. Gleichzeitig kann man mit mehreren Medizinern die Sprechstundenzeiten erweitern. Auch für Weiterbildungen oder als Ein- und Ausstiegsmodell ist diese Form der Niederlassung zuträglich. Außerdem kann man an diesem Ort zusätzliche Angebote wie Apotheken oder Physiotherapeuten unterbringen.“

Auf die Situation in der Pflege den Notstand angesprochen, sagte Dr. Markus Mai: „Pflege muss uns endlich wieder etwas wert sein! Deshalb macht sich die Landespflegekammer auch für die „Pflege 4.0“ stark! 4.0 heißt in diesem Fall nicht, dass es etwas mit Digitalisierung zu tun hat, sondern dass Pflegekräfte für ihren anspruchsvollen und belastenden Beruf eine entsprechende Vergütung erhalten müssen – und diese liegt bei ca. 4.000€! Nur so kann es uns auch gelingen, den Beruf der Pflege entsprechend wieder attraktiv zu gestalten.!“ Seine Kollegin in der Landespflegekammer Nina Benz schob nach: „Natürlich ist und bleibt der Pflegeberuf ein Beruf, der von der Leidenschaft und der Berufung der Menschen lebt, die sich für diese Tätigkeit interessieren – aber wenn Sie sich bei all der zu leistenden Arbeit, gepaart mit einem großen Teil an Verantwortung darüber Gedanken machen müssen, wie Sie ihr Leben mit Ihrem Gehalt stemmen können, dann läuft etwas verkehrt! Und ich rede nicht davon, dass ich ein teures Auto fahren möchte, im Gegenteil – ich selbst fahre einen Kleinwagen, habe ein eigenes Pflege-Unternehmen in Veldenz, welches viel meiner Zeit in Anspruch nimmt und bin dazu noch alleinerziehend.“

Das Thema der Veranstaltung war zwar klar auf die ambulante pflegerisch-medizinische Versorgung ausgelegt, jedoch brannte dem Publikum auch Fragen zu der aktuellen Situation um das Zeller Krankenhaus unter den Nägeln. Hanjo Börsch machte noch einmal deutlich, dass dieses Thema bewusst ausgeklammert worden sei, aber dennoch parteiübergreifend Fraktionen im Stadtrat sich diesem Thema so gut wie es kommunalen Entscheidern möglich sei, stellen würden. Dies machte auch die Anwesenheit des FWG-Kandidaten für den Posten des Bürgermeisters Hans-Peter Döpgen und Mitgliedern der FWG noch einmal deutlich, die die Einladung der SPD offenbar gerne angenommen hatten, um gemeinsam Lösungen für das Thema der Veranstaltung zu finden.

Insbesondere die fachkundige Einschätzung von Dr. Matheis war aufgrund der vielen Fragen bezüglich des Krankenhauses gefragt, der versuchte einen generellen Zusammenhang zwischen dem Abrechnungssystem der Kassenärztlichen Vereinigungen und den Ansprüchen an die Komplett-Versorgung von Krankenhäusern gerade in ländlichen Gebieten klar zu machen: „Was Sie in Zell

brauchen sind nicht hochgerüstete Abteilungen mit Spezialisierungen, nur weil diese vermeintlich viel Geld bringen. Sie brauchen eine anständige Grund- und Regelversorgung inklusive einer fachlich sehr guten Notfallversorgung, die gewährleistet sein muss und die es ermöglicht, Menschen in bestimmten Situationen in Fach- und Spezialkliniken zu überführen. Der eigentliche Knackpunkt ist und bleibt aber das Abrechnungssystem der Kassen, die mit Pauschalbeträgen eine sinnvolle, finanzierbare Art der Pflege nahezu unmöglich machen.“

Fast zwei Stunden stellten sich die Teilnehmer auf dem Podium den Fragen der Zuschauer und konnten mit hoher Kompetenz und Sachlichkeit Rede und Antwort stehen. Und auch bei einem Gläschen Wein im Anschluss gab es noch genügend Möglichkeit sich auszutauschen. Ein langer Abend im Sitzungssaal des Rathauses –aber ein sehr informativer Abend und ein voller Erfolg, wenn man den Stimmen der Zuschauer glauben darf.

 

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