Vergessene Gärten in Gipperath

Gipperath. Das Buch „Die Gärten der verlorenen Erinnerung“ von Hermann Simon hat in der Region große Aufmerksamkeit erregt. Im Titel spricht er die vergessenen Gärten an, die früher am Dorfrand seines Heimatorts Hasborn lagen, und wo noch heute auf Wiesen Gartenblumen blühen. Solche „Gärten der verlorenen Erinnerung“ gibt es auch in Gipperath.

Sie liegen nordöstlich des Orts in etwa 15 Minuten fußläufiger Entfernung vom Ortsrand in einer Einsenkung, durch die der Engelsbach fließt.

Der Engelsbach speist sich aus den feuchten Hangwiesen entlang der Kreisstraße 21 von Gipperath nach Niederöfflingen zwischen Eichenwäldchen und Anhöhe zum Orner. Der Südwesthang der Einsenkung trägt auch die Bezeichnung „Engelsberg“, und zeichnet sich durch eine bevorzugte klimatische Lage aus, d.h., es ist dort windstill und warm.

Der Engelsbach mit Sumpfdotterblumen

Während auf der Gipperather Höhe im Frühjahr die Blüte der ersten Blumen nur zu erahnen ist, blühen am Engelsberg massenhaft Schneeglöckchen, ein paar Traubenhyazinthen und vereinzelt Osterglocken. Hier stehen, früher als im kleinen Eifeldorf selbst, die Kirsch-, Pflaumen- und Apfelbäume in voller Blüte. Jeder landwirtschaftliche Betrieb besaß einst am Engelsberg eine etwa fünf Meter breite Gartenparzelle. Sie war Gemeindeland und durfte unentgeltlich genutzt werden. Die Gärten dienten alljährlich der Anzucht von Hackfrucht-Setzlingen für die Felder und der Anzucht von Gemüsepflanzen.

Das Areal der Gärten erstreckte sich entlang eines relativ steilen Hangs. Daher mussten die Gipperather alle Bodenarbeiten mühselig von Hand mit Hacke, Spaten und Rechen erledigen, solange es noch keinen Traktor mit Seilwinde zum Pflügen gab. Alle nachfolgenden Arbeiten verrichteten die Dorfbewohner mit Hacken und unter zu Hilfenahme von Zinkblecheimern: Düngen des Bodens mit Gülle und Kuhmist, Anlegen der Saatreihen, Aussäen der Samenkörner, Jäten von Unkraut und Wässern der aufkeimenden Pflänzchen. Das dafür notwendige Wasser schöpften die Gipperather aus dem Engelsbach, der unterhalb der Gärten fließt.

Mit dem in der zweiten Hälfte der 1960-er Jahre einsetzenden Umbruch in der Landwirtschaft und Fortschritten in der Bodenbearbeitung, verloren die Gärten ihre Bedeutung und wurden aufgegeben. Die Gärten verwilderten vollständig. Heute, über 50 Jahre später, deutet auf die „Gärten der verlorenen Erinnerung“ nur noch die ungewöhnliche Vegetation hin mit Obstbäumen, Johannisbeersträuchern und zahlreichen Zwiebelgewächsen.

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