Christoph Martin Wieland in einer neuen Biografie

Von Johannes von der Gathen, dpa

Berlin (dpa) – Vielleicht kennt der ein oder andere ältere Leser noch den Versroman «Oberon» oder die «Geschichte der Abderiten», aber im Grunde ist Christoph Martin Wieland ein gründlich vergessener Autor. Natürlich stand er immer im Schatten der Dichterfürsten Goethe und Schiller, aber die Weimarer Klassik beginnt eigentlich mit Wieland, der im Jahr 1773 als Prinzenerzieher von der Herzogin Anna Amalia an den Hof nach Weimar geholt wurde – zwei Jahre bevor Goethe kam.

In der ersten Biografie seit siebzig Jahren erkundet der Hamburger Literaturwissenschaftler Jan Philipp Reemtsma das Leben und Werk des Christoph Martin Wieland neu – sein fast 700 Seiten starkes, sehr gut lesbares Werk ist in der Kategorie Sachbuch für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert.

Der polyphone Erzählfluss

Wir lernen einen höchst vielfältigen, äußerst produktiven, und auch politisch hellwachen Autor kennen. Neben Romanen, Verserzählungen, Übersetzungen von Shakespeare, Lukian oder Horaz hat Wieland ab 1773 auch den «Teutschen Merkur» herausgegeben, eine der erfolgreichsten und langlebigsten Kulturzeitschriften seiner Zeit. Hier kommentiert er später auch die Ereignisse der Französischen Revolution, deren epochale Bedeutung der Herausgeber sofort erkannte. Aber Wieland, und dies ist typisch für diesen Autor, ergreift nicht Partei für eine Seite. Vielmehr wägt er in Dialogform die Argumente für und gegen den Umsturz der politischen Ordnung ab.

Reemtsma betont, dass Wieland kein Dogmatiker gewesen sei, der nur eine Sicht der Dinge zulässt. Auch in dem im antiken Griechenland angesiedelten Briefroman «Aristipp und einige seiner Zeitgenossen», den der Autor selbst als sein Hauptwerk betrachtete, kommen unterschiedliche Stimmen zu Wort, werden Dinge immer wieder aus anderen Perspektiven betrachtet. Es gibt nicht den einen allwissenden Erzähler, sondern einen polyphonen Erzählfluss. «Das Problem ist, dass man sich für sehr vieles interessieren muss, wenn man Wieland genießen will», schreibt Reemtsma. Sein Buch ist eine wunderbare Einladung, einen vergessenen Autor neu zu entdecken.

Jan Philipp Reemtsma, Christoph Martin Wieland. Die Erfindung der modernen deutschen Literatur, C.H. Beck Verlag München, 704 S., 38 Euro, ISBN 978-3406800702

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Streik in Hollywood? Drehbuchautoren verhandeln um Vertrag

Los Angeles (dpa) – In Hollywood wächst die Sorge vor einem Streik der Drehbuchautoren. Die Mitglieder der «Writers Guild of America» (WGA) stimmten mit überwältigender Mehrheit von knapp 98 Prozent für einen Arbeitskampf, sollten die laufenden Vertragsverhandlungen bis zum 1. Mai kein Ergebnis bringen. Das teilte die Gewerkschaft am Montag mit. Mehr als 9200 Mitglieder, knapp 80 Prozent der stimmberechtigten Autoren, hätten ihr Votum abgegeben – das sei eine Rekordbeteiligung. Ein Streik könnte viele Film- und Fernsehprojekte in Hollywood lahmlegen. Weiterlesen

Cornelia Funke: Kinder sollen in die Natur gehen

Augsburg (dpa) – Die Bestseller-Autorin Cornelia Funke (64) hält es für wichtig, dass Kinder Kontakt mit der Natur haben. «Meine größte Sorge ist es, dass Kinder, denen die Natur Angst macht, weil sie sie nicht mehr kennen, auch ganz bestimmt nicht für ihren Erhalt kämpfen werden», sagte die Kinderbuchautorin der «Augsburger Allgemeinen». «Es gibt sehr beunruhigende Studien darüber, was es mit ihnen anstellt, kaum noch den offenen Himmel über sich zu haben und den wilden Dingen in dieser Welt nur noch beaufsichtigt zu begegnen.» Weiterlesen

Ein Jahrzehnt lang Hogwarts – «Harry Potter» kommt als Serie

Von Barbara Munker und Larissa Schwedes, dpa

Los Angeles/London (dpa) – Für den berühmtesten Zauberlehrling der Welt bricht ein neues Zeitalter an: Die Abenteuer von Harry Potter sollen als TV-Serie aufgelegt werden. Der US-amerikanische Streamingdienst HBO Max gab das Projekt am Mittwoch (US-Ortszeit) bekannt und kündigte eine «getreue Adaption» der «ikonischen» Bücher an.

Die britische Bestseller-Autorin J.K. Rowling, die die sieben «Harry Potter»-Romane geschrieben hat, ist demnach als ausführende Produzentin an Bord. Auch David Heymann, der alle Filme produziert hat, soll sich in Gesprächen über seine Mitwirkung befinden.

HBO Max veröffentlichte einen rund halbminütigen Trailer, in dem eine aus den bisherigen Verfilmungen bekannte Melodie zu hören ist und sich etliche fliegende, brennenden Kerzen – erinnernd an die typische Dekoration des Speisesaals der Zauberschule Hogwarts – zu einem Harry-Potter-Schriftzug zusammensetzen.

Dem «Hollywood Reporter» zufolge ist die Laufzeit der HBO-Max-Serie, bei der ein völlig neuer Cast Harry, Hermine, Ron und die anderen bekannten Charaktere verkörpern soll, auf zehn Jahre angelegt.

Die magische Welt einer Zauberschule

1997 erschien mit «Harry Potter und der Stein der Weisen» der erste Band der Saga um den Zauberschüler und die magische Welt der Zauberschule Hogwarts. Mit mehr als 500 Millionen verkauften Büchern in rund 80 Sprachen gilt Harry Potter als erfolgreichste Literaturserie der Welt. Von 2001 bis 2011 folgten acht Kinofilme mit Daniel Radcliffe, Rupert Grint und Emma Watson als Hauptdarsteller der Fantasy-Reihe.

Mittlerweile ist um die Bestsellerreihe ein ganzes Universum entstanden: So kann man in London etwa in ein mehr als mehr als fünf Stunden langes Harry-Potter-Theaterstück gehen oder in den Warner-Studios Harry-Potter-Filmsets und berühmte Requisiten besichtigen. Kürzlich kamen die Abenteuer des Zauberlehrlings zudem als Videospiel namens «Hogwarts Legacy» heraus und entwickelten sich innerhalb kürzester Zeit zum Gaming-Erfolg – und das sind nur einige Beispiele von vielen.

Dass Rowling selbst in der neuen Produktion mitmischt, dürfte längst nicht allen Fans gefallen. In den vergangenen Jahren gab es angesichts transfeindlicher Äußerungen der Bestseller-Autorin zunehmend Kritik und teilweise auch die Debatte darum, ob man sich von ihren Werken distanzieren müsse. Sogar der aus den Verfilmungen bekannte Harry-Potter-Schauspieler Daniel Radcliffe kritisierte Rowling offen.

HBO-Max-Chef Casey Bloys verteidigte die Zusammenarbeit. Rowlings Einblicke würden sehr hilfreich sein, sagte er dem «Hollywood Reporter» zufolge. Man wolle sich nicht in die hauptsächlich online stattfindende Debatte über die Einstellungen der Autorin begeben. «Die Harry-Potter-Geschichte ist sehr bestärkend und positiv im Blick auf Liebe und Akzeptanz, das ist unsere Priorität, das, was auf dem Bildschirm ist.»

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Vor 70 Jahren erschien der erste James-Bond-Roman

Von Philip Dethlefs, dpa

London (dpa) – Die Angst vor der bevorstehenden Ehe soll Ian Fleming motiviert haben, seinen ersten Spionagethriller zu schreiben. Um sich vom Gedanken an das Ende seines Junggesellendaseins abzulenken, setzte sich der britische Autor und ehemalige Geheimdienstoffizier an die Schreibmaschine.

Auf seinem Anwesen Goldeneye auf Jamaika tippte er Anfang 1952 die ersten Worte. Gut ein Jahr später, am 13. April 1953, wurde der Roman «Casino Royale» in Großbritannien veröffentlicht. Es war die Geburtsstunde von James Bond.

Anfängliche Zweifel

Dass seine Figur einmal so berühmt werden würde, hätte Ian Fleming sicher nicht zu träumen gewagt. Tatsächlich hatte der Autor sogar große Zweifel, als er sein Manuskript für «Casino Royale» – je nach Quellenlage – nach sechs Wochen oder gut zwei Monaten fertiggestellt hatte. Als Fleming seinem Freund, dem Schriftsteller William Plomer, ein Manuskript schickte, soll er vorsichtig angemerkt haben, er schäme sich dafür, wolle es aber trotzdem riskieren. Doch Plomer erkannte das Potenzial von 007 und ermutigte seinen Freund.

Flemings Inspiration für «Casino Royale» waren eigene Erlebnisse als Mitarbeiter des britischen Marinegeheimdienstes während des Zweiten Weltkriegs sowie reale Ereignisse, die er während dieser Zeit mitbekam. Fleming, der am 28. Mai 1908 in London geboren wurde, arbeitete zunächst als Journalist und Börsenmakler, bevor er im Krieg Geheimdienstoffizier wurde. Es war wohl eine Berufung, denn die geheimnisvolle und gefährliche Welt der Spionage faszinierte Fleming.

In «Casino Royale» soll Geheimdienstagent Bond im französischen Royale-les-Eaux an einem Baccarat-Turnier mit hohen Einsätzen teilnehmen. Sein Auftrag ist es, den sowjetischen Agenten Le Chiffre, der das Geld seiner kommunistischen Partei zur Finanzierung eigener krimineller Aktivitäten verwendet, in den Ruin zu treiben. Le Chiffre hat kürzlich eine große Summe verloren und braucht dringend Geld, um seine gefährlichen Gläubiger auszubezahlen. Bond wird bei seinem Auftrag von Vesper Lynd unterstützt, einer Agentin des britischen Finanzministeriums, in der sich verliebt.

Ein neuer Heldentypus

«Casino Royale» markierte eine Abkehr vom bis dato üblichen klassischen Krimi. Flemings dynamische Erzählweise bestach durch eine ungewöhnlich rasante Handlung, packende Action und lebhafte Charaktere. Damit etablierte er einen neuen Standard für Thriller- und Abenteuerromane, der bis heute Bestand hat. In Bond erschuf Fleming zudem einen neuen Heldentypus. Er ist höflich und kultiviert, bei Bedarf aber auch zu extremer Gewalt fähig – ein Gentleman und Auftragsmörder. Das hatte es vorher nicht gegeben.

Ein auffälliges Merkmal an Flemings Schreibstil ist die lebendige, beschreibende Sprache, etwa mit Geräuschen und Gerüchen. «Der Gestank nach Rauch und Schweiß ist in einem Casino um drei Uhr morgens äußerst widerlich», lautet der erste Satz in «Casino Royale». So werden Leserinnen und Leser direkt mitten in eine lebhafte Umgebung versetzt.

Fleming war für seine Liebe zum Detail bekannt. Geradezu akribisch beschrieb er alles, von der Kleidung, die seine Charaktere tragen, ihrem Essen und ihren Getränken, über Gebäude und Straßennamen bis zu den Autos, die sie fahren. Indem die Umgebung zeitgemäß und greifbar wurde, wirkte seine Geschichte realistischer und glaubwürdiger.

Wegweisend war auch seine äußerst bildliche Beschreibung von Gewalt und Sex, die damals nicht unumstritten war. Sie trug allerdings dazu bei, Bonds Image als harter und kompromissloser Held zu festigen. Für Aufsehen sorgte etwa eine detailliert beschriebene Folterszene, in der 007 nackt an einen Stuhl gefesselt ist und Le Chiffre ihm wiederholt mit einem Teppichklopfer zwischen die Beine schlägt.

Ein Vogelkundler als Namensgeber

Flemings eigene Persönlichkeit prägte die von ihm erschaffene Figur stark. Wie Bond war er selbst als Liebhaber schneller Autos, teurer Kleidung und exotischer Reiseziele bekannt. Der Autor hatte auch einen Ruf als Frauenheld – eine Eigenschaft, die sich bekanntlich ebenfalls in Bonds Charakter widerspiegelt. Auf der Suche nach einem möglichst gewöhnlichen Namen für seinen Helden wurde Fleming in seinem Bücherregal fündig. Dort stand das Vogelkundebuch «Birds of the West Indies» des Autors James Bond.

Flemings älterer Bruder Peter war bereits ein etablierter Autor von Reiseliteratur. Er überzeugte seinen Verlag, der anfangs wenig Interesse an «Casino Royale» zeigte, den Roman zu verlegen. Es sollte sich lohnen. In Großbritannien wurde «Casino Royale» sofort ein Erfolg. Weniger als einen Monat nach Verkaufsstart waren die ersten rund 4700 Exemplare des Buchs ausverkauft.

70 Jahre später ist der Geheimagent 007 ein Phänomen der Popkultur. Elf weitere Romane und zwei Kurzgeschichtensammlungen von Fleming folgten, die in unzählige Sprachen übersetzt wurden. Dazu gibt es viele lizenzierte James-Bond-Geschichten von anderen Autoren. Zuletzt schrieb der Autor Anthony Horowitz eine Trilogie, in die er sogar unverwendetes Originalmaterial von Fleming einbaute und die für ihre Nähe zum Stil des James-Bond-Erfinders gelobt wurde.

Sean Connery ist der erste Bond

Der Start der berühmten 007-Filmreihe, die 1962 mit Sean Connery in der Hauptrolle begann und mit wechselnden Darstellern bis heute andauert, bedeutete einen weiteren gigantischen Popularitätsschub für den Geheimagenten. Die 25 Filme der Produktionsfirma EON sorgten weltweit für klingelnde Kinokassen. Fleming erlebte nur die Anfänge davon mit. Er starb am 12. August 1964, einen Monat, bevor der Film «Goldfinger» einen weltweiten 007-Hype auslöste.

Dass «Casino Royale» erst 2006 von EON verfilmt wurde, lag daran, dass die Rechte zuvor woanders lagen. Ein US-amerikanischer TV-Film von 1954 mit Barry Nelson als Jimmy Bond und die verrückte Komödie «Casino Royale» von 1967 mit David Niven, Peter Sellers und Orson Welles haben wenig mit Flemings Debütroman gemeinsam. Der 21. Film der EON-Reihe mit Daniel Craig orientiert sich hingegen nah am Buch.

Zum 70. Jubiläum von «Casino Royale» werden alle James-Bond-Romane und Kurzgeschichten von Ian Fleming im April neu veröffentlicht. Doch Rechteverwalter Ian Fleming Publications sorgte ausgerechnet damit für große Verärgerung. Denn wie das Unternehmen im Besitz von Flemings Nachfahren bestätigte, wurden Begriffe und Referenzen, die heute als anstößig empfunden werden könnten, in der Neuauflage entfernt oder geändert. Unter anderem Fleming-Biograf Andrew Lycett kritisierte das scharf. Nicht alle Bücher sind davon betroffen. «Casino Royale» soll auch in der Neuauflage unverändert bleiben.

80. Geburtstag: ChatGPT spricht über «Der Kleine Prinz»

Hamburg (dpa) – Wie würde sich der Kleine Prinz heute auf der Erde bewegen? Wäre er auf Instagram und Twitter? Würde er auf eine Demo von Fridays For Future gehen? Diese und ähnliche Fragen hat sich der Hamburger Verleger Oliver Wurm gestellt und ein kleines Büchlein zum 80. Geburtstag des Klassikers «Der kleine Prinz» von Antoine de Saint-Exupéry am 6. April herausgegeben. Weiterlesen

Vom Internetphänomen zum Romanautor: «Mindset» von El Hotzo

Von Lisa Forster, dpa

Berlin (dpa) – Auf Twitter schreibt er unter dem Namen El Hotzo zig satirische Nachrichten pro Tag und ist damit ziemlich erfolgreich. Seine Tweets, in denen er sich über den Kapitalismus, die politischen Parteien oder eine vermeintliche deutsche Leitkultur lustig macht, werden von mehreren Hunderttausend Menschen gesehen. Auf Instagram folgen ihm 1,3 Millionen.

Jetzt hat Sebastian Hotz, so der bürgerliche Name des 27-Jährigen, einen Roman geschrieben. «Mindset» ist im Prinzip eine Fortführung seines Twitter-Accounts und versammelt eine ganze Reihe witziger Alltagsbeobachtungen.

Das funktioniert auch in der längeren Form. Gerahmt werden die Witze von einer Geschichte über ein paar junge Männer, die versuchen, ihr Leben zu optimieren, und dabei einem bizarren Internet-Coaching verfallen.

Fahrrad «das niedrigste Glied in der Nahrungskette des Individualverkehrs»

Im Zentrum steht Maximilian Krach, ein junger Mann, der auf den ersten Blick recht erfolgreich ist. Er fährt teure Autos, trägt große Uhren und gibt sein Wissen in Selbstoptimierungs-Kursen weiter, die er über Instagram vermarktet. «GENESIS EGO» heißt seine Marke, und dahinter steckt die Idee, dass das richtige «Mindset» jedem Menschen zum Erfolg verhelfen könne. Erfolgreiche Menschen sind in dieser Theorie Wölfe, andere Menschen Schafe (oder «Lowperformer»). Und ein Fahrrad zum Beispiel «das niedrigste Glied in der Nahrungskette des Individualverkehrs».

Eines Tages werden Krachs Posts in den Instagram-Feed von Mirko gespült, der von seiner Tätigkeit in der IT eines mittelgroßen Unternehmens in Gütersloh äußerst gelangweilt ist. Er lässt sich von Krachs Ideen zur Selbstoptimierung anstecken und taucht ein in die Welt dieser jungen Männer, die alle die gleichen Slim-Fit-Anzüge tragen und am liebsten über Rennwagen reden.

Doch irgendwann geraten Störfaktoren in ihr Leben. Zwei Frauen bringen an unterschiedlichen Stellen der Geschichte die scheinbar so durchoptimierten Abläufe der «GENESIS EGO»-Anhänger ins Wanken.

Genüsslich seziert der Erzähler in «Mindset» die häufig tristen Alltagswelten der Protagonisten. Viele der Beobachtungen wären vermutlich auch als Tweet erfolgreich, etwa diese über unsere Arbeitswelt: «Die Industrialisierung brachte uns einen zerstörten Planeten, die komplette Entfremdung von unseren Mitmenschen und eine unübersichtlich große Auswahl an Puddinggeschmacksrichtungen, doch sie ersparte uns keine einzige Minute Arbeit.»

Roman gegen neoliberale Leistungsgesellschaft

Hotz kann dabei auch aus eigenen Erfahrungen schöpfen. Aufgewachsen ist er in Franken, inzwischen lebt er in Berlin. Vor seiner Tätigkeit als Autor und unter anderem Gag-Schreiber für das «ZDF Magazin Royale» absolvierte er in Nürnberg ein duales Studium. Das setzte sich aus BWL plus Ausbildung als Industriekaufmann bei Siemens zusammen, wie sein Verlag informiert.

Mit «Mindset» ist ihm nun mehr als eine Aneinanderreihung von Punchlines gelungen. Er hat einen Roman geschrieben, der gegen die Selbstoptimierung und eine neoliberale Leistungsgesellschaft wettert, dabei aber empathisch auf seine Protagonisten schaut. Niemand wird als plumper Bösewicht dargestellt, das tut der Geschichte gut. Manchmal fehlt den Charakteren die Tiefe – trotzdem will man wissen, wie es mit ihnen weitergeht.

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Entdeckungen und Etabliertes – Nominierungen für Leipziger Buchpreis

Von Birgit Zimmermann, dpa

Nach drei Absagen wegen Corona wird die Leipziger Buchmesse wieder veranstaltet. Auch ihr Buchpreis bekommt seinen bewährten Rahmen zurück. 15 Titel in drei Kategorien sind dafür in der Endauswahl.

Ein «alter Bekannter», etablierte Autorinnen, Entdeckungen – die Nominierungen für den Preis der Leipziger Buchmesse 2023 decken eine große Bandbreite ab. Mit dem Österreicher Clemens J. Setz («Monde vor der Landung») nominierte die Jury am Donnerstag in der Belletristik-Kategorie einen Autor, der den Preis vor zwölf Jahren schon einmal gewonnen hat. Ulrike Draesner («Die Verwandelten») und Angela Steidele («Aufklärung. Ein Roman») zählen zu den festen Größen in der Branche. Joshua Groß («Prana Extrem») und Dinçer Güçyeter («Unser Deutschlandmärchen») komplettieren die Shortlist.

Die Jury-Vorsitzende Insa Wilke hob die Vielfalt hervor: «In diesem Jahr haben uns quer durch die Sparten die unterschiedlichen Ausdrucksformen fasziniert, mit denen einerseits Geschichte zum Spiegel gegenwärtiger Fragen wird und andererseits die unmittelbare Gegenwart befragbar und sichtbar wird in ihren Ambivalenzen und komplexen Konfliktlagen», erklärte sie.

Der Preis wird am 27. April in Leipzig verliehen. Nach Angaben der Messe hatten diesmal 161 Verlage insgesamt 465 Werke eingereicht. Der Preis wird in den Kategorien Belletristik, Übersetzung und Sachbuch/Essayistik vergeben. Er ist mit insgesamt 60 000 Euro dotiert – je 15 000 Euro erhalten die Gewinnerin oder der Gewinner, jede Nominierung ist zudem 1000 Euro wert.

Der Chef des Literaturhauses Leipzig, Thorsten Ahrend, schätzte die Auswahl in der Belletristik-Sparte als ausgewogen und überraschend zugleich ein. «Es ist ein starkes Statement, mit Clemens J. Setz jemand zu nominieren, der den Preis schon einmal gewonnen hat», sagte Ahrend. Das sei eher unüblich und spreche dafür, dass «Monde vor der Landung» ein herausragender Roman sei. Generell stünden alle Nominierten zu Recht auf der Liste – auch wenn es natürlich immer auch noch andere Autorinnen und Autoren verdient hätten.

Aus Sicht der Bloggerin und Buchhändlerin Tina Lohrenz ermöglicht es der Preis der Leipziger Buchmesse immer wieder, «kleine Perlen» zu entdecken. Das sei auch dieses Jahr wieder so, sagte die 32-Jährige, die den Buchblog «Frollein von Kunterbunt» betreibt. Die Auswahl sei zudem sehr politisch und berücksichtige auch unabhängige Verlage.

Unter den nominierten Übersetzerinnen und Übersetzern ist in diesem Jahr auch Antje Rávik Strubel, die 2021 als Autorin den Deutschen Buchpreis in Frankfurt gewonnen hatte. Sie steht für ihre Übertragung des Buches «Wer hat Bambi getötet?» aus dem Schwedischen auf der Shortlist. Außerdem wurden Nicole Nau, Johanna Schwering, Katharina Triebner-Cabald sowie Brigitte Oleschinski und Osman Yousufi nominiert. In dieser Kategorie sind vor allem kleinere Verlage vertreten.

Bei den Sachbüchern ist das thematische Spektrum ebenfalls groß. Sie reicht von Jan Philipp Reemtsmas Beschäftigung mit der modernen deutschen Literatur und dem Autor Christoph Martin Wieland («Christoph Martin Wieland. Die Erfindung der modernen deutschen Literatur») bis hin zur Ausbeutung der Natur in Afrika zu Gunsten westlicher Länder (Simone Schlindwein: «Der grüne Krieg. Wie in Afrika die Natur auf Kosten der Menschen geschützt wird – und was der Westen damit zu tun hat»). Nominiert sind außerdem Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey («Gekränkte Freiheit. Aspekte des libertären Autoritarismus», Birgit Weyhe («Rude Girl») und Regina Scheer («Bittere Brunnen. Hertha Gordon-Walcher und der Traum von der Revolution»).

Nach drei Corona-Absagen der Leipziger Buchmesse hintereinander rechnet Literaturhaus-Chef Ahrend damit, dass der Preis in diesem mehr Aufmerksamkeit als zuletzt erzeugen wird. Zwar wurde die Auszeichnung auch in den Vorjahren vergeben, aber es sei natürlich etwas anderes, wenn das live und nicht in einer Videoschalte gemacht werde, sagte Ahrend. «Es wird eine größere Wirkung haben. Das ist für die Branche und die Buchmesse wichtig und natürlich auch toll für die Autorinnen und Autoren.»

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Suters Roman über die Liebe und viele Wahrheiten

Von Christiane Oelrich, dpa

Zürich (dpa) – Der gebrechliche Dr. Stotz will seinen Nachlass ordnen und sichert sich für einen fürstlichen Lohn die Dienste des arbeitslosen jungen Juristen Tom Elmer. Zum Job gehören neben der Arbeit eine Wohnung im gleichen Haus, opulente Mahlzeiten, viel Alkohol und stundenlange Kamingespräche.

Schnell zeigt sich, dass die zentrale Rolle im Leben des Dr. Stotz eine mysteriöse Frau spielt. Was führt der Alte im Schilde, als er den jungen Anwalt Kiste um Kiste mit alten Dokumenten und Erinnerungen durchwühlen lässt?

Der Schweizer Autor Martin Suter hat wieder einen richtigen Roman vorgelegt, seinen elften. Der Name der mysteriösen Frau ist auch der Titel: Melody. «Er klingt wie eine Melodie, ist geheimnisvoll und hat etwas Verlockendes», sagt Suter der Deutschen Presse-Agentur. Und das wiederum klingt wie die Quintessenz der suterschen Schriftstellerei. Zu seinen Geschichten gehören oft so Verlockendes wie Liebe und gutes Essen, ein Faden wie eine Melodie und vor allem Geheimnisse um Schein und Sein. «Bei Melody ist es sogar ganz stark so», sagt Suter.

Langes Warten

Dr. Stotz kommt mit genügend Alkohol immer mehr in Fahrt, wenn er Tom seine Melody-Erlebnisse häppchenweise präsentiert. Was ist aber aus ihr geworden, nachdem sie vor mehr als 40 Jahren kurz vor der Hochzeit spurlos verschwand? Wirklich spurlos? Der Alte erweist sich als verdammt guter Geschichtenerzähler. Suter hinterlässt auf Toms Suche nach der Wahrheit immer wieder «Schein und Sein»-Spuren: «Suchen wir nicht alle nach einer Geschichte, die uns interessanter macht?» fragt ein Freund von Dr. Stotz etwa.

Anhänger von Suters bunten Roman-Welten mussten sechs Jahre auf das neue Buch warten, seit «Elefant» (2017). In der Zwischenzeit hat er das Protokoll seiner privaten Plaudereien mit dem Autor Benjamin von Stuckrad-Barre über Badehosen, Glitzer und LSD (2020, «Alle sind so ernst geworden») und eine Roman-Biografie über einen der bravsten deutschen Fußballer, Bastian Schweinsteiger, vorgelegt (2022, «Einer von euch»). Anders halt. Nun also wieder ein Roman ganz im suteresken Stil. Kostprobe: «Am Anfang trug er keine Krawatte. Seine Abschlussnoten waren Krawatte genug, fand er», oder: «Es roch nach Tabakpfeife, Kaffee und Vergangenem».

«Melody» ist ein Buch über die Tücken des Alters und die Eitelkeit mancher, vor dem Ableben noch ihre Biografie für die Nachwelt zu schönen. Und natürlich über die ewige Liebe. Darüber weiß Suter einiges, er ist seit fast 45 Jahren mit seiner Frau zusammen. Was ist das Geheimnis einer langen Liebe? Typisch Suter, geheimnisvoll: «Ich bin immer noch dabei, das herauszufinden. Das Leben ist eigentlich zu kurz, um sich richtig kennenzulernen, auch sich selbst.»

Wie ein Gitarrist ohne Verstärker

Mit «Melody» hat Suter auch eine andere Liebe wieder entdeckt: das Schreiben von Hand. Er habe einen Tablet-Computer gefunden, der Hand- in Druckschrift verwandelt. «Dadurch habe ich nicht jeden Tag ein paar Stunden an meinem Schreibtisch gesessen, sondern auch mal auf dem Sofa, im Garten, in der Bahn geschrieben – ganz «unplugged», wie ein Gitarrist ohne Verstärker», erzählt er. Es war eine gute Erfahrung. «Durch moderne Technik werde ich immer altmodischer, ich schreibe wieder von Hand, wie mit 16», sagt Suter.

Und noch einmal Melody: Was ist die Moral von der Geschicht’? «Meine Geschichten haben eigentlich keine Moral», sagt Suter. «Aber ich weiß, was Sie meinen. Es ist vielleicht: Es gibt nicht nur eine Wahrheit, es gibt viele Wahrheiten.»

 

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Eifel-Literatur-Festival erst wieder in 2024

Prüm (dpa/lrs) – Das nächste Eifel-Literatur-Festival geht erst in 2024 wieder an den Start. Die 16. Auflage der Reihe finde «aus organisationstechnischen Gründen erst wieder im Frühjahr 2024 statt, nicht in 2023», teilte Festivalgründer Josef Zierden in der Eifelstadt Prüm mit. «Es wird eine kompakte Auflage sein mit reduziertem, aber weiterhin hochkarätigem Programm.» Weiterlesen

Alois Hotschnigs erstes Bild von Mainz ist eine Schaffnerin

Mainz (dpa/lrs) – Alois Hotschnigs («Der Silberfuchs meiner Mutter») erster Eindruck von Mainz ist «das Bild einer Schaffnerin». Auf der Zugfahrt von seinem Wohnort Innsbruck nach Mainz habe sie seine «Sucherei nach dem Ticket» hinter Kufstein mit der Frage überbrückt, wo es denn hingehe, berichtete der neue Stadtschreiber am Dienstag in Mainz. Seine Antwort habe sie mit dem Satz kommentiert: «Sie fahren in die schönste Stadt Deutschlands.» Und auf seine Frage, wer ihm das denn sage, habe sie geantwortet: «Ich bin ein Mainzer Mädchen.»

Der österreichische Schriftsteller, der mit seiner Frau die Stadtschreiberwohnung bereits bezogen hat, kündigte an: «Ich habe vor, mich einzulassen auf Begegnungen.» Von dem Literaturpreis habe er vorher – «obwohl die Liste so lang ist» – nichts gewusst, räumte der 38. Preisträger ein – «und wenn ich es gewusst hätte, wäre ich nie und nimmer auf die Idee gekommen, mich selber einmal vorzustellen an diesem Ort». «Umso größer ist die Freude, weil sie so unverhofft ist, und weil die Begegnungen im Vorfeld (…) so freundschaftlicher Art waren.» Weiterlesen

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