Doch Herr Bundespräsident, für die Corona-Krise gab es ein Drehbuch!

In seiner Ansprache am 11. April 2020 hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier unter anderem gesagt: Zitat: „Es ist gut, dass der Staat jetzt kraftvoll handelt – in einer Krise, für die es kein Drehbuch gab.“ Zitat-Ende. Dem muss deutlich widersprochen werden!

Seit etwa vier Woche bestimmt das Corona-Virus unseren Alltag, nicht die vorausschauende Planung unserer Bundesregierung und der Landesbehörden. Die Bundesregierung war bereits am 10. Dezember 2012 davor gewarnt worden. Leider hat sie sich nicht an ihr eigenes Drehbuch gehalten. Die Ministerien wussten genau, was zu tun war. Passiert ist in all den Jahren nichts!

Die Eifel-Zeitung hatte bereits in ihrer Ausgabe KW 13 darüber berichtet. Es geht um eine Studie des Robert-Koch-Instituts zum Bevölkerungsschutz, welche in der Drucksache 17/12051 des Deutschen Bundestages vom 10.12.2010 veröffentlicht wurde. Die Bundesregierung wusste also sehr genau, was bei einer solchen Seuche auf Deutschland zukommen würde. Scheinbar ist dieses frei verfügbare Dokument niemandem mehr bekannt, weder dem Bundespräsidenten, den Abgeordneten und auch nicht den „sogenannten“ Experten und dem Robert-Koch-Institut (RKI).

Wie konnte das RKI zum Anfang der Corona-Krise die Gefahr als gering einschätzen? Wie konnten Politiker erst in kleinen Schritten Maßnahmen ergreifen?

Wer dieses vorausschauende Szenario aus 2012 liest, versteht um was es geht. Die Analyse von damals trifft peinlich genau Annahmen, die sich jetzt in geradezu unheimlicher Art und Weise bestätigen.

Risikoanalyse zum Bevölkerungsschutz

Es ist schon erschreckend, ja vielleicht sogar ein wenig apokalyptisch, was da im Dezember 2012 die damalige deutsche Regierung dem Bundestag vorgelegt hat: eine Risikoanalyse zum Bevölkerungsschutz. Die Drucksache 17/12051 beinhaltet zwei Szenarien: zum einen ein extremes Schmelzhochwasser aus den Mittelgebirgen und zum anderen eine Pandemie durch Virus Modi-Sars. Diese unscheinbare Drucksache 17/12051 liefert ein detailliertes Drehbuch für die Corona-Krise, in der wir uns derzeit mitten drin befinden.

Sieben Jahre hatten unsere Spezialisten im Land Zeit, sich auf solche eine Krise vorzubereiten. Aus diesem Szenario haben die Verantwortlichen nichts gelernt! Es fehlt an Schutzausrüstungen, Beatmungsgeräten etc… . Inzwischen wird sogar das Flies knapp, aus dem die Masken gefertigt werden.
Ende Januar 2020 hieß es aus noch aus dem Gesundheitsministerium, dass man die Gefahr für Deutschland durch das Corona-Virus als gering einschätze. Auch das Robert-Koch-Institut, von dem die Analyse aus dem Jahr 2012 stammte, verharmloste eher die Gefahr. Von Woche zu Woche änderte sich immer mehr die Tonlage.

 

Nichts gelernt aus der Risikoanalyse „Pandemie durch Virus Modi-SARS“

Vor immerhin mehr als sieben Jahren wurde in der Drucksache 17/12051 an alle Bundestagsmitglieder ein Szenario beschrieben, das dem heutigen Corona-Virus erschreckend ähnlich ist.

Die Risikoanalyse „Pandemie durch Virus Modi-SARS“ wurde damals unter fachlicher Federführung des Robert Koch-Instituts und Mitwirkung weiterer Bundesbehörden (u. a. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, Bundesanstalt Technisches Hilfswerk, Bundesnetzagentur, Paul-Ehrlich-Institut, Streitkräfteunterstützungskommando der Bundeswehr) durchgeführt.

Es wurde zunächst ein entsprechendes Szenario durch die behördenübergreifende Arbeitsgruppe erarbeitet. Anschließend wurden die anzunehmende Eintrittswahrscheinlichkeit einer solchen Pandemie sowie das bei ihrem Auftreten zu erwartende Schadensausmaß
bestimmt.

Das Szenario beschrieb ein außergewöhnliches Seuchengeschehen, das auf der Verbreitung eines neuartigen Erregers basiert. Hierfür wurde der zwar hypothetische, jedoch mit realistischen Eigenschaften versehene Erreger „Modi-SARS“ zugrunde gelegt. Die Wahl eines SARS-ähnlichen Virus erfolgte u. a. vor dem Hintergrund, dass die natürliche Variante 2003 sehr unterschiedliche Gesundheitssysteme schnell an ihre Grenzen gebracht hat. Die Vergangenheit hat bereits gezeigt, dass Erreger mit neuartigen Eigenschaften, die ein schwerwiegendes Seuchenereignis auslösen, plötzlich auftreten können (z. B. SARS-Coronavirus (CoV), H5N1-Influenzavirus, Chikungunya-Virus, HIV). Unter Verwendung vereinfachter Annahmen wurde für dieses Modi-SARS-Virus der hypothetische Verlauf einer Pandemie in Deutschland modelliert, welcher sowohl bundesrelevant als auch plausibel ist.

Das Szenario beschrieb eine von Asien ausgehende, weltweite Verbreitung eines hypothetischen neuen Virus, welches den Namen Modi-SARS-Virus erhielt.

Mehrere Personen reisen nach Deutschland ein, bevor den Behörden die erste offizielle Warnung durch die WHO zugeht. Darunter sind zwei Infizierte, die durch eine Kombination aus einer großen Anzahl von Kontaktpersonen und hoher Infektiosität stark zur initialen Verbreitung der Infektion in Deutschland beitragen. Obwohl die laut Infektionsschutzgesetz und Pandemieplänen vorgesehenen Maßnahmen durch die Behörden und das Gesundheitssystem schnell und effektiv umgesetzt werden, kann die rasche Verbreitung des Virus aufgrund des kurzen Intervalls zwischen zwei Infektionen nicht effektiv aufgehalten werden. Zum Höhepunkt der ersten Erkrankungswelle nach ca. 300 Tagen sind ca. 6 Millionen Menschen in Deutschland an Modi-SARS erkrankt. Das Gesundheitssystem wird vor immense Herausforderungen gestellt, die nicht bewältigt werden können.

Pandemie mit drei voneinander getrennten Wellen

Unter der Annahme, dass der Aufrechterhaltung der Funktion lebenswichtiger Infrastrukturen höchste Priorität eingeräumt wird und Schlüsselpositionen weiterhin besetzt bleiben, können in den anderen Infrastruktursektoren großflächige Versorgungsausfälle vermieden werden. Nachdem die erste Welle abklingt, folgen zwei weitere, schwächere Wellen, bis drei Jahre nach dem Auftreten der ersten Erkrankungen ein Impfstoff verfügbar ist. Das Besondere an diesem Ereignis ist, dass es erstens die gesamte Fläche Deutschlands und alle Bevölkerungsgruppen in gleichem Ausmaß betrifft, und zweitens über einen sehr langen Zeitraum auftritt. Bei einem Auftreten einer derartigen Pandemie wäre über einen Zeitraum von drei Jahren mit drei voneinander getrennten Wellen mit immens hohen Opferzahlen und gravierenden Auswirkungen auf unterschiedliche Schutzgutbereiche zu rechnen.

Für dieses Szenario wurden anschließend sowohl die für ein solches Seuchengeschehen anzunehmende Eintrittswahrscheinlichkeit als auch das bei seinem Auftreten zu erwartende Schadensausmaß gemäß der Methode der Risikoanalyse für den Bevölkerungsschutz auf Bundesebene bestimmt.

Die Ergebnisse der Risikoanalyse (Eintrittswahrscheinlichkeit, Schadensausmaß, Szenario) können Sie hier downloaden:

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