Kreisverwaltung erklärt Bürgerbegehren für unzulässig

Formaljuristisch mag die Entscheidung der Kreisverwaltung korrekt sein. Die mehr als 11.000 Unterschriften des Bürgerbegehrens „Rettet die Biotonne“ entsprechen laut Kreisverwaltung nicht den Anforderungen von § 11 e der Landkreisordnung. In diesem Sinne soll der Kreistag am 16. März 2020 in seiner nächsten Sitzung auf Empfehlung der Kreisverwaltung die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens feststellen.

Zur Sachdarstellung heißt es seitens der Kreisverwaltung wie folgt:

Am 02.01.2020 wurden bei der Kreisverwaltung Vulkaneifel Unterschriftenlisten zum Bürgerbegehren „Rettet die Biotonne“ abgegeben. Das Bürgerbegehren wird durch Karl Hüppeler, Im Bungert 10, 54585 Esch, Erika Solimini, Talstraße 5, 54585 Esch, und Stefanie Schoder, Ginsterweg 3, 54587 Lissendorf, vertreten.

Der Gegenstand des Bürgerbegehrens ist wie folgt formuliert:

Die Unterzeichner beantragen, folgende Fragestellung zum Bürger-entscheid zu stellen: Soll der abgelehnte Kreistagsbeschluss vom 02.09.2019 zum Antrag „Biotonne IV/15 erhalten“ aufgehoben und stattdessen dem Antrag die Zustimmung erteilt werden, damit das seit 20 Jahren bewährte Abholsystem der Biotonne erhalten bleibt?

Über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens entscheidet der Kreistag nach Anhörung der das Bürgerbegehren vertretenden Personen. Die Verwaltung hat hierzu die o.g. Personen zur Kreistagssitzung eingeladen.

Unter Federführung von Herrn Klaus Benz (Jurist und ltd. staatl. Beamter bei der Kreisverwaltung) wurde die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens mit nachfolgendem Ergebnis geprüft.

Vorbemerkung:

Ein Bürgerentscheid kann nur stattfinden, wenn das vorangegangene Bürgerbegehren zulässig ist. Die Entscheidung über die Zulässigkeit trifft gemäß § 11 e, Abs. 4 Satz 2 LKO der Kreistag nach Anhörung der das Bürgerbegehren vertretenden Personen. Bei der Zulässigkeitsprüfung gibt es keinerlei Ermessens- oder Beurteilungsspielraum. Sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen gegeben, muss der Kreistag die Zulässigkeit feststellen, sind sie nicht gegeben, muss der Kreistag die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens feststellen.

Prüfergebnis der Kreis-verwaltung Vulkaneifel und der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion:

Die Kreisverwaltung Vulkaneifel hat die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens umfassend geprüft. Zudem hat die ADD im Rahmen der Kommunalaufsicht eine Stellungnahme zur Zulässigkeit des Bürgerbegehrens abgegeben. Die kommunalrechtlichen Prüfungen kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass das Bürgerbegehren „Rettet die Biotonne“ unzulässig ist.

Begründung:

Die Zulässigkeit scheitert nicht am Quorum. Die Zahl der gültigen Unterschriften übersteigt das notwendige Quorum von 2.977 gültigen Unterschriften. Damit ist die Voraussetzung von § 11 e, Abs. 3 Nr. 1 LKO erfüllt.

Unbestimmtheit des Bürgerbegehrens

Dem Bürgerbegehren fehlt jedoch die erforderliche Bestimmtheit. Der Antrag des Bürgerbegehrens muss so eindeutig abgefasst sein, dass ein übereinstimmender Wille der Unterzeichner zweifelsfrei erkennbar ist. Der Text des Bürgerbegehrens muss so deutlich formuliert sein, dass die Unterzeichner wissen, worum es geht und die Verwaltung eine klare Handlungsanweisung erhält. Erforderlich ist, dass das sachliche Begehren aufgrund des objektiven Erklärungsinhalts, wie er in der Formulierung und Begründung der Frage zum Ausdruck kommt und verstanden werden kann, erkennbar ist (OVG Rheinland-Pfalz; 10 A 10472/19; Urteil vom 02. Oktober 2019).

Das Bürgerbegehren fragt, ob der Kreistagsbeschluss vom 2. September 2019 aufgehoben werden soll und stattdessen dem Antrag „Biotonne IV/15 erhalten“ die Zustimmung erteilt werden soll. Das Bürgerbegehren sagt weder im Begehren noch in der Begründung des Begehrens, was der Inhalt des abgelehnten Antrags in der Kreistagssitzung vom 02.09.2019 ist. Dem Bürgerbegehren fehlt daher ein konkreter Sachbezug.

Der dem Bürgerbegehren zugrundeliegende Antrag in der Kreistagssitzung vom 02.09.2019 enthält zwei Regelungen: Die erste Regelung ist die Aussetzung der Beschlussfassung über die Abfall- und Gebührenordnung bis eine ausreichende Beratung im Ausschuss für Klimaschutz, Mobilität und Infrastruktur erfolgt ist. Die zweite Regelung ist ein Moratorium für den Erhalt der Biotonne, bis die Ergebnisse der Evaluation des „Trierer Modells“ vorliegen und eine Überprüfung der Wirtschaftlichkeitsberechnung der Ökoeffizienzanalyse zum Entsorgungsangebot von Siedlungsabfällen vom September 2014 erfolgt ist.

Die Kreisverwaltung stellt weiter fest, dass sich aus dem Antrag des Bürgerbegehrens weder erkennen lässt, dass es bei dem Bürgerbegehren um die Aussetzung einer Beschlussfassung über die Abfall- und Gebührenordnung geht, noch, dass das Ziel des Bürgerbegehrens ein Moratorium – mithin der Aufschub der Einführung des „Bringsystems“ – ist. Die weitere Formulierung des Bürgerbegehrens – „damit das seit 20 Jahren bewährte Abholsystem der Biotonne erhalten bleibt“ – ist ebenfalls unbestimmt. Nach dem Wortlaut könnte dies Teil der Begründung des Bürgerbegehrens sein oder inhaltlichen Bezug auf den Grundsatzbeschluss des Kreistages vom 04.12.2017 nehmen. Dem Bürgerbegehren fehlt der konkrete Sachbezug. Somit ist bereits keine eindeutige Frage gestellt, die mit „Ja oder Nein“ beantwortet werden müsste.

Unzulässiger Gegenstand des Bürgerbegehrens

Soweit sich das Bürgerbegehren mit der Aussetzung der Beschlussfassung über die Abfall- und Gebührenordnung befasst, ist es bereits gemäß § 11 e, Abs. 2, Nr. 4
LKO gesetzlich ausgeschlossen, da ein Bürgerentscheid über Abgabensätze der Entsorgungsbetriebe – unzulässig – ist.

Erledigung des Bürgerbegehrens durch Zeitablauf

Soweit sich das Bürgerbegehren mit dem abgelehnten Antrag wegen eines Moratoriums befasst, ist bereits die Umsetzung durch die Verwaltung unmöglich geworden. Ziel des Moratoriums war der Aufschub der Einführung des „Bringsystems“ bis die Ergebnisse der Evaluation des „Trierer Modells“ vorliegen und eine Überprüfung der Wirtschaftlichkeitsberechnung der Ökoeffizienzanalyse zum Entsorgungsangebot von Siedlungsabfällen vom September 2014 erfolgt ist. Das „Bringsystem“ dient der getrennten Erfassung von Speise- und Küchenabfällen und wurde zum 01.01.2020 eingeführt. Ein Moratorium wegen der Einführung des „Bringsystems“ hat sich durch Zeitablauf erledigt.

Verfristung des Bürgerbegehrens gegen den Grundsatzbeschluss

Soweit das Bürgerbegehren inhaltlich das Ziel – Erhalt der Biotonne – verfolgt, und zu diesem Schluss kommt man bei verständiger Würdigung des Zwecks des Bürgerbegehrens, wäre Gegenstand des Begehrens die Aufhebung (Kassation) des (Grundsatz-)Beschlusses des Kreistags vom 04. Dezember 2017.

Dieser lautet:

Auf Empfehlung des Werkausschusses stimmt der Kreistag dem „Logistikkonzept 2020“ zu und beauftragt seine Mitglieder, in der Verbandsversammlung des A.R.T dort ebenso abzustimmen. Bezüglich Ziffer 3. des Logistikkonzepts soll zum 01.01.2020 das verbandseinheitliche „Modell Trier Plus“ für den Bioabfall eingeführt werden. Mit einem Ergebnis von 23 Ja-Stimmen, 6 Gegenstimmen und bei einer Stimmenthaltung wurde der Beschluss gefasst.

Das Bürgerbegehren, das sich inhaltlich gegen den Grundsatzbeschluss des Kreistages vom 04.12.2017 richtet, ist aufgrund Zeitablaufs unzulässig. Ein sogenanntes kassatorisches Bürgerbegehren muss gemäß § 11 e, Abs. 3, S.1, 2. Halbs. LKO innerhalb von vier Monaten nach Beschlussfassung eingereicht werden. Diese Frist ist mit Ablauf des 04. April 2018 längst verstrichen.

Sperrung nachfolgender Bürgerbegehren

In der oben benannten Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 02.10.2019 wird klargestellt, dass in dem Fall, in dem ein Bürgerbegehren gegen einen Grundsatzbeschluss verfristet eingereicht und damit unzulässig ist, hierdurch weitere Bürgerbegehren, welche sich gegen die Maßnahme als solche richten, gesperrt werden. Damit ist auch aus diesem Grunde ein Bürgerbegehren wegen der Aussetzung der Abfallgebührensatzung und Beschlussfassung über ein Moratorium unzulässig.

Fehlerhafte Begründung

Ferner leidet das Bürgerbegehren an einer fehlerhaften Begründung. Durch die Begründung des Bürgerbegehrens soll sichergestellt werden, dass die Bürgerinnen und Bürger schon in dieser ersten Phase des direkt demokratischen Verfahrens Bedeutung und Tragweite der mit Ja oder Nein zu entscheidenden Fragestellung erkennen können. Die Bürgerinnen und Bürger können nur dann sachgerecht entscheiden, wenn sie den Inhalt des Begehrens verstehen, seine Auswirkungen überblicken und die wesentlichen Vor- und Nachteile abschätzen können.

Zur Begründung des Bürgerbegehrens wird ausgeführt, dass in dem Konzept des Zweckverbandes keine Mülltrennung vorgesehen ist. Die Aussage, der Zweckverband sähe keine Mülltrennung vor, ist falsch. Der Zweckverband ist gesetzlich zur Mülltrennung verpflichtet. Biomülltüte und Biomüllcontainer des Zweckverbandes dienen der getrennten Erfassung von Speise- und Küchenabfällen in einem „Bringsystem“. Diese Abfälle sollen in einer Qualität erfasst werden, dass eine Vergärung zu Biogas möglich ist.

Es wird ausgeführt, es gäbe keine sozialverträgliche Regelung zur Entsorgung von Windeln.

Kreisverwaltung: Biotonne als auch Bioabfallcontainer dienen nicht der Entsorgung von Windeln. Die Aussage ist nicht geeignet, das Bürgerbegehren zu begründen. Es ist auch nicht erkennbar, warum diese Aussage zutrifft.

Die Verkehrssicherungspflicht an den Bioabfallcontainern sei nicht geklärt.

Kreisverwaltung: Die Verkehrssicherungspflicht ist gesetzlich geregelt. Es gelten die allgemeinen Sorgfaltsregeln des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).

Der Weg zum Sammelcontainer sei für ältere, kranke und behinderte Verbraucher nicht durchführbar.

Kreisverwaltung: Die Begründung, dass der Weg zu den Sammelcontainern für ältere, kranke und behinderte Verbraucher nicht durchführbar ist, ist in seiner pauschalen Behauptung falsch.

Zusammenfassung der Kreisverwaltung:

Vorgenannte Behauptungen sind unzutreffend. Hier handelt es sich um falsche und inhaltlich nicht relevante Informationen. Die Ausführungen sind nicht geeignet, die Frage, weshalb der Kreistagsbeschluss vom 02.09.2019 aufgehoben werden soll, zu begründen. Es wird nicht begründet, weshalb die Beschlussfassung über die Aussetzung der Abfall- und Gebührenordnung bis eine ausreichende Beratung im Ausschuss für Klimaschutz, Mobilität und Infrastruktur erfolgt ist, ausgesetzt werden soll. Es wird nicht begründet, was eine ausreichende Beratung im Ausschuss für Klimaschutz, Mobilität und Infrastruktur bedeutet. Es wird auch nicht ausgeführt, weshalb ein Moratorium für den Erhalt der Biotonne, bis die Ergebnisse der Evaluation des „Trierer Modells vorliegen, gefordert wird. Eine Begründung für die Annahme des Antrags „Biotonne IV/15 erhalten“ ist nicht ersichtlich. Das Bürgerbegehren verstößt daher gegen die Begründungsobliegenheit.

Fazit: Das Bürgerbegehren „Rettet die Biotonne“ entspricht nicht den Anforderungen von § 11 e LKO. Der Kreistag ist rechtlich verpflichtet, die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens festzustellen. 

Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen
Eifelzeitung E-Paper Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen