Spinnen und Weben

Der Flachsbau gehörte schon immer zur Eifel. Kaum eine Pflanze wurde mit so großer Sorgfalt behandelt wie die hochwertige Faserpflanze.

So musste die aufkeimende Flachssaat mehrmals gejätet werden, ehe die gereiften Pflanzen ausgerupft, gerauft und gebündelt wurden. Geraufter Flachs wurde mit Hilfe eines schmalen Brettes, versehen mit Eisenzähnen, von den Fruchtkapseln „gestreppt“, d.h. befreit. Dieses Gerät nannte man „Streef“. Der gestreppte Flachs, Lein genannt,  wurde sodann auf einer Wiese ausgebreitet und etwa zwei Wochen liegengelassen, bis alle hölzernen Teile aufgebrochen waren. In der Brechkaule, einer Bodenvertiefung, oder im Gemeindebackhaus wurde der Lein gedörrt, gebrochen und mit der „Bräsch“ von den Holzteilen befreit.

Durch das Schwingen, das mit Hilfe eines Schwingstockes zumeist von Frauen oder Mädchen geleistet wurde, löste man nun endgültig die hochwertigen Fasern vom Stängel und strich sie glatt. Die Schwingerinnen setzten sich zu dieser ungemein schwierigen Arbeit auf der Tenne in einen Halbkreis. Trotz erschwerter Bedingungen (Staub) sang man und beging regelrechte „Schwingfeste“. Vielerlei Brauchhandlungen rankten sich um diese tagelangen Arbeiten. Nahte etwa ein männliches Wesen, so sagten die Mädchen einen Spruch, putzten dem Mann mit Flachs die Schuhe und erhielten ein Getränk in Form von Bier, Wein oder Schnaps. Auch manche Liebesbeziehung soll hier entstanden sein.

War der Spinnstoff noch nicht rein genug, wurde er von Männern „gehechelt“. Bei diesem Arbeitsvorgang legte man die Faserbündel auf einen Holzstupp und klopfte sie weich und geschmeidig. Hiernach zog man sie durch ein verzahntes Brett, wobei letzte Reste an Holz abgestreift wurden. Den nun erzielten reinen Flachs nannte man „Reist“ oder „Riste“.

Beim Hanf wurde in gleicher Weise vorgegangen. Die Qualität dieser Pflanze war jedoch etwas geringer.

Das Spinnen fand meist in gemeinschaftlicher nachbarschaftlicher Arbeit wintertags statt. Aus dem Faserbündel zupften die Spinnerinnen  Wolle heraus und ließen sie auf der Spule zum Faden verknüpfen und aufwickeln. Zum Aufwickeln des gesponnenen Garns diente die Haspel, ein Drehrahmen. Aus diesem wurden die Stränge abgenommen, gewaschen und auf Latten aufgehängt. An die unermüdliche Drehung der Haspel erinnert noch die Redensart „Su lebendig wie en Haaspel“, im übertragenden Sinn:“ Er ist noch so rüstig wie eine Haspel“.

Während die Bäuerinnen in gemeinsamer Tätigkeit spannen, „Erzellches“ hielten und Lieder sangen, übte die Hofbäuerin ihre Spinntätigkeit alleine aus. Sie benutzte das schönste Spinnrad und verarbeitete den feinsten Leinen zu Leib- und Bettwäsche. Gröbere Stoffe verarbeiteten Mägde und Töchter zu Leintüchern für das Gesinde, zu Leinenhosen, Unterbetten und Säcken.

Das im Winter gewebte Leinen wurde im Frühjahr wiederholt drei Tage lang auf der Bachwiese gebleicht. Knechte des Hofes hielten Wache, wobei sie sich für die Nacht Laubhütten bauten.

„Weben ist die Kunst, durch eine Lage gleichlaufender Fäden kreuzweise eine zweite so durchzuziehen, dass immer ein Faden abwechselnd über und unter einem anderen liegt und das Ganze auf diese Weise gefestigt wird“ (Wrede).

Das Weben der Stränge musste gut geübt sein und erforderte einige Vorbereitungen. Die Stränge wurden nacheinander um die Winde geschlungen, dann durch ein kleines Spulrad auf die Spulen geleitet, die später beim Weben in das Schiffchen kamen. Durch das Werfen bezweckte man, die richtige Länge und Breite der Tuchkette zu bekommen; denn bevor das fertige Webgarn auf den Weberbaum gezogen wurde, wurde es mit Hilfe des großen Spinnrades auf den Spulrahmen aufgespult; dieser fasste 20 Stück. Auf diesem Rahmen spannte man das Webgarn in einzelnen Lagen auf die drehbare „Wärep“ mit Hilfe des gelochten Werftbrettes, durch welches vom Spulrahmen aus 20 Fäden auf den Werfrahmen gingen. Dieser nahm in großen Bauernhäusern oftmals eine ganze Zimmerwand ein.

Noch bis weit in das 19. Jahrhundert waren in der Eifel Spinnen und Weben unersetzbare Tätigkeiten in den Bauernhäusern. In jedem größeren Haus stand ein Webstuhl, gab es eine Webkammer. Um 1860 waren (nach A. Wrede) noch 1025 Webstühle im Kreis Bitburg, 1171 im Kreis Prüm und 330 im Kreis Daun. Manche sind heute noch (oder wieder) im Einsatz. Fein gemusterte Tisch-, Mund- und Handtücher, teils mit eingewebten Blumen-, Vögel- oder Figurenmotiven, buntkarierte Kissenüberzüge und farbige Samtkleiderstoffe zeugen vereinzelt noch von der hohen Kunst Eifeler Heimhandwerker.

Joachim Schröder

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