Hochwasser in Ahrweiler: Dreistellige Zahl an Toten

Ahrweiler (dpa/lrs) – Die Suche nach weiteren Opfern in den teils völlig zerstörten Ortschaften in Rheinland-Pfalz geht weiter. Die Unwetterkatastrophe im Landkreis Ahrweiler hat bislang 110 Todesopfer gefordert, 670 Menschen wurden verletzt. «Es ist zu befürchten, dass noch weitere Todesopfer hinzukommen», berichtete die Polizei am Sonntag.

Hubschrauber haben Luftbildaufnahmen des betroffenen Gebiets gefertigt. Mithilfe dieser Aufnahmen suchen Rettungskräfte am Boden gezielt und systematisch die Sektoren ab. Das Absuchen des gesamten Geländes soll am Sonntag bis zum Einbruch der Dunkelheit abgeschlossen sein. Über weitere Suchmaßnahmen werde dann erneut entschieden, hieß es bei der Polizei.

Zu Beginn der Sonntagsmesse in Adenau hat die katholische Gemeinde der Opfer der Hochwasserkatastrophe gedacht. «Unsere Dörfer werden nie wieder so sein, wie es war», sagte Pfarrer Michael Schaefer zu Beginn des Gottesdienstes in der Pfarrkirche St. Johannes der Täufer in einer Ansprache außerhalb der Liturgie. «Wir haben glücklicherweise aus unseren Dörfern niemanden zu beklagen, der gestorben ist.»

Gegen Mittag traf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in dem vom Hochwasser betroffenen Gebiet ein – gemeinsam mit der Mainzer Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und weiteren rheinland-pfälzischen Ministern. In der Eifelgemeinde Schuld, die besonders schwer von der Unwetterkatastrophe getroffen wurde, wollte sich Merkel ein Bild von der Lage machen. Am Nachmittag war ein Pressestatement in Adenau geplant.

Auch im ebenfalls stark betroffenen Kreis Trier wurden am Sonntag die Aufräumarbeiten fortgesetzt. Erste Anwohner gingen bereits am Samstag zurück in ihre Häuser. Betroffen sind der Stadt zufolge 670 Gebäude, bei denen im Keller und Erdgeschoss fast alles zerstört wurde.

Unterdessen entspannt sich die Hochwasserlage an Mosel und Saar. Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes prägt Hochdruckeinfluss das Wetter in Rheinland-Pfalz. Am Sonntag und am Montag bleibe es weitgehend trocken. «Bis einschließlich Freitag ist voraussichtlich nicht mit weiteren Niederschlägen zu rechnen», hieß es aus Offenbach. «Es werden keine warnwürdigen Wettererscheinungen erwartet.»

An der Obermosel fallen die Wasserstände bereits, wie die Hochwasservorhersagezentrale des Landesamtes für Umwelt Rheinland-Pfalz am Sonntag berichtete. Am Pegel Perl wurde der Höchststand von 5,21 Metern am Samstagnachmittag erreicht. Am Pegel Trier werde die Meldehöhe von 6 Metern voraussichtlich in Kürze unterschritten. «Auch im Verlauf der kommenden Woche werden die Wasserstände an der gesamten Mosel weiter deutlich fallen.»

Das Land erweiterte die psychosoziale Hilfe für Angehörige und andere Betroffene. In Zusammenarbeit mit dem Schulpsychologischen Beratungsdienst und der Landespsychotherapeutenkammer soll ein telefonisches Therapieangebot geschaffen werden, wie das rheinland-pfälzische Sozialministerium am Sonntag mitteilte. «Wir wollen die Menschen, die durch das katastrophale Unwetter den Verlust eines Menschen betrauern, selbst in existenzielle Not geraten sind oder durch die Naturgewalten ihr gesamtes Hab und Gut verloren haben, nicht allein lassen.»

Die Einsatzleitung in Bad Neuenahr-Ahrweiler liegt nun beim Land Rheinland-Pfalz. Der Landkreis habe das Land gebeten, die Einsatzleitung zu übernehmen, hieß es am Sonntag. «Die erforderlichen Maßnahmen zur Bewältigung der verheerenden Unwetterkatastrophe übersteigen bei weitem die Einsatzmöglichkeiten des örtlichen Katastrophenschutzes», teilte die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) am Sonntag mit. Die ADD ist die zuständige Landesbehörde für den Katastrophenschutz.

«Das ist das erste Mal, dass sich in Rheinland-Pfalz eine Naturkatastrophe in dieser Größenordnung ereignet hat. Wir werden alles Erdenkliche tun, um die Folgen der Katastrophe gemeinsam zu bekämpfen. Die Kräfte des Landes und des Landkreises arbeiten eng zusammen», sagte ADD-Präsident Thomas Linnertz.

In vielen Orten ist noch immer das Strom- und Telefonnetz ausgefallen. Die Polizei warnt die Menschen im Katastrophengebiet vor freiliegenden Stromleitungen, unter Umständen könnten Stromleitungen auch noch aus mehreren Metern und auch ohne direkten Kontakt lebensgefährlich sein. Durch das Unwetter ist eine Vielzahl der Straßen im Ahrtal weiterhin gesperrt oder nicht befahrbar.

Die Polizei warnte vor Falschmeldungen: So gebe es «keine Flutwelle oder Dammbruch in Sinzig, Ahrweiler oder Umgebung», hieß es in einer Mitteilung am Samstagnachmittag. Aus Angst vor Plünderungen und wegen Hochwassertouristen soll die Polizeipräsenz erhöht werden – in der Nacht zum Sonntag blieb es jedoch ruhig.

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