Dörfer der Verbandsgemeinde Daun auf dem WEG zu neuen Solidargemeinschaften

Die Eifelzeitung im Gespräch mit Gerd Becker, Vorsitzender des Vereins Bürger für Bürger,  und Bürgermeister Werner Klöckner (VG Daun)

EZ: Herr Becker, Ihr Verein hat im letzten Jahr an dem bundesweiten Wettbewerb „Engagierte Stadt“ erfolgreich teilgenommen. Um was geht es dabei?

Becker: „Engagierte Stadt“ wird getragen vom Bundesfamilienministerium und sechs namhaften Stiftungen. Auf uns würde eher die Bezeichnung „Engagierte Verbandsgemeinde“ zutreffen. Ziel dieses Programms ist es, nachhaltige Strukturen und gute Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagement zu entwickeln und zu stärken. Unter annähernd 300 Bewerbungen wurden u. a. wir ausgewählt. Nun werden wir über einen Zeitraum von drei Jahren darin unterstützt, dass sich der Verein Bürger für Bürger zu einer Rückgratorganisation für Sorgende Gemeinschaften in unseren Dörfern entwickelt. 

EZ: An Sie, Herr Klöckner, die Frage: was hat dies mit dem WEGE-Prozess zu tun?

Klöckner: Zum einen ist ja der Verein aus dem WEGE-Prozess heraus entstanden. Er bietet niedrigschwellige Unterstützungsleistungen vorwiegend für ältere Mitbürger an. Damit leistet er einen Beitrag dazu, dass Menschen trotz Unterstützungs- und Pflegebedarf so lange wie möglich in ihrer gewohnten Umgebung verbleiben können. Als wir uns erstmals 2011 mit der Idee der Vereinsgründung beschäftigt haben, hat wohl keiner erhofft, dass wir zwischenzeitlich einen solchen Erfolg aufweisen können. Dieser zeigt sich vorwiegend daran, dass bald das 500. Mitglied begrüßt werden kann. Zum anderen sind Sorgende Gemeinschaften unser Zukunftsbild für das Zusammenleben in unseren Dörfern, nicht nur der Älteren, sondern aller Generationen.

EZ: Was sind denn Sorgende Gemeinschaften? Diesen Begriff hören wir in der letzen Zeit öfter.

Becker: Mit ihnen soll einer gesellschaftlichen Entwicklung begegnet werden: Dass die klassischen familiären Strukturen zunehmend nicht mehr vorhanden sein werden, um Teilhabe, insbesondere aber Unterstützung und Pflege zu gewährleisten. Es geht darum, die Institution „Familie“ um „Wahlverwandtschaften“ zu erweitern. Dies erfordert Solidarität und Verantwortung in Nachbarschaften und Dörfern. Experten nennen dies eine auf Gegenseitigkeit verpflichtete Gemeinschaft zur Bewirtschaftung des Lebens.

Klöckner: Wenn Unterstützungsbedarf vorliegt, ist zudem eine Vernetzung zwischen den professionellen Leistungserbringern, informellen sozialen Netzen, freiwillig Engagierten und den Familienmitgliedern mehr als bisher zu gewährleisten. Ihr Zusammenwirken muss strukturiert und effizient gestaltet werden.

EZ: Ist das denn heute nicht gewährleistet?

Klöckner: Ich denke, dass es jetzt schon eine Vielzahl von unterstützungsbedürftigen Alleinstehenden und Familien gibt, deren einziger persönlicher Kontakt in den Besuchen der Pflegekraft besteht. Teilhabe bedeutet mehr, z. B. Eingebundensein in eine Gemeinschaft mit Begegnungen. Wir denken hier auch aus der Zukunft heraus. Wir fragen uns, wie wollen wir im Jahre 2030 leben, wenn die Zahl der Älteren und der Hochbetagten nochmals deutlich höher als heute ist.

Becker: Nicht ohne Grund beschäftigt sich der im Oktober letzten Jahres der Bundesregierung vorgelegte 7. Bericht der Sachverständigenkommission mit dem Thema „Sorge und Mitverantwortung in der Kommune – Aufbau und Sicherung zukunftsfähiger Gemeinschaften“. Darin wird gerade die Rolle der Kommunen dargestellt, die u. a. darin besteht, lokale Netzwerkstrukturen – wie sie Herr Klöckner eben beschrieben hat – in ihrem Aufbau zu fördern und sie in ihrer Sicherung zu unterstützen. Und was sicherlich neu in den Blick geraten ist: Das ist nicht nur eine Aufgabe der Kommune, sondern eine gemeinsame Aufgabe von Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Kommune.

EZ: Wirtschaft?

Klöckner: Ja, auch die Wirtschaft ist aufgefordert und zwar gemeinsam mit Kommune und Zivilgesellschaft die demografische Veränderung zu gestalten und hier konkret Sorgende Gemeinschaften mit zu entwickeln und zu gewährleisten. Es geht um ein gemeinsames Wirken dieser drei Sektoren – nur so können gesellschaftliche Herausforderungen erfolgreich bewältigt werden. Das ist nicht nur eine Erkenntnis von uns und der 7. Altenberichtskommission, sondern auch der das Programm „Engagierte Stadt“ tragenden Organisationen.

EZ: Was haben Sie sich zum Ziel gesetzt?

Becker: Dies haben wir in unserer Bewerbung für das Programm „Engagierte Stadt“ wir folgt formuliert, ich darf zitieren: „2030 hat sich aus einer Besitzstandswahrungsgesellschaft eine Potenzialentfaltungsgemeinschaft entwickelt, in welcher sich die Menschen als Subjekte begegnen und sich nicht mehr als Objekte der eigenen Ziele und Maßnahmen benutzen. An die Stelle ehrenamtlichen Engagements ist eine Gemeinschaft der gegenseitigen Selbstverpflichtung der Bürgerinnen und Bürger vor Ort getreten. Die Lebensqualität und Lebenszufriedenheit aller Menschen wird stetig gefördert, das Leben im Alter in der gewohnten Umgebung ermöglicht und gleichzeitig die Bleibeorientierung jüngerer Generationen in ihrer Heimat gestärkt.“ Wir haben es erreicht, dass acht Gemeinden und Orte  gemeinsam mit uns bereits auf diesem WEG sind.

EZ: Dafür wünschen wir Ihnen die nötige Tatkraft und bedanken uns für das Gespräch. 

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