Interview: „Wie die Läit suu redde“

Reil. Rudolf Hochscheid aus Reil hat ein Moselfränkisches Wörterbuch in zwei Bänden geschrieben und es jetzt auch veröffentlicht. Die Eifel-Zeitung hat mit ihm gesprochen:

EAZ: Herr Hochscheid, was hat Sie bewegt ein so umfangreiches Wörterbuch zu erstellen?
R. Hochscheid:
Eigentlich habe ich schon lange mit dem Gedanken gespielt, ein solches Buch zu erstellen. Der endgültige Auslöser, diese Arbeit anzugehen, war ein Gespräch mit Professor Schaaf aus Kinderbeuern. Er motivierte mich, die Arbeit anzugehen, wobei mir damals das Arbeitsvolumen, das auf mich zu kam, noch nicht bewusst war.

EAZ: Wie sind Sie dann vorgegangen?
R. Hochscheid:
Zunächst habe ich in einem Zeitraum von etwa sechs Jahren Material gesammelt. Als ich dann der Meinung war, jetzt kann ich mich hinsetzen und aus dem gesammelten Material ein Buch erstellen, begann für mich eine große Fleißarbeit. Im eigentlichen Lexikon sind weit über sechstausend Worte und Begriffe zusammengefasst, die sich in der Aussprache vom Hochdeutschen deutlich unterscheiden. Bei diesem Arbeitsschritt sind schon mehrere Kapitel definiert worden, in die die entstandene Datensammlung eingeflossen sind.

EAZ: Aber sie haben doch auch viele Sätze gebildet.
R. Hochscheid:
Für jemanden, der den Dialekt nicht kennt, aber kennenlernen will, bringt eine alphabetisch sortierte Ansammlung von Worten nicht sehr viel. Deshalb habe ich mich entschieden, viele Sätze zu bilden, in denen erkennbar wird, wie Worte und Begriffe im gesprochenen Dialekt benutzt werden.

EAZ: Nach welchen Regeln haben Sie dann die Worte geschrieben?
R. Hochscheid:
Die moselfränkischen Dialekte sind Tonakzentsprachen, die in der Vergangenheit eigentlich nie so dokumentiert wurden, wie wir das vom Hochdeutschen her kennen. Es gibt für das Schreiben dieses Dialektes  kein Regelwerk. Das hat den Vorteil, dass man nichts falsch schreiben kann aber den ganz großen Nachteil, dass geschriebener Dialekt im Prinzip nur für den lesbar ist, der es geschrieben hat.

EAZ: Und was bedeutet das für Ihr Lexikon?
R. Hochscheid:
Als ich mit der Arbeit begann, habe ich sehr schnell festgestellt, dass man ein Buch nicht ohne sogenannte Rechtschreibregeln erstellen kann. Also habe ich mir ein eigenes Regelwerk erstellt und Sie können es mir glauben, es war schwer sich an diese Regeln zu halten. Dieses Regelwerk steht gleich am Anfang von Band 1.

EAZ: Im Band 1 haben Sie also das reine Lexikon untergebracht?
R. Hochscheid:
Genau, hinter den üblichen Informationen am Anfang eines Nachschlagewerkes habe ich also die wichtigen Hinweise gestellt, die helfen sollen, sich mit dem Dialekt zurechtzufinden. Dann folgt das eigentliche Lexikon, zuerst nach dem Hochdeutschen sortiert und dann nach dem Dialekt.

EAZ: Was ist Ihnen denn dabei besonders aufgefallen?
R. Hochscheid:
Es sind neben vielen Kleinigkeiten zwei Dinge, die besonders auffallen. Zum einen stellt man fest, dass es für viele Worte, die wir um Hochdeutschen tagtäglich gebrauchen keine Entsprechung im Dialekt gibt. Als Beispiel soll hier das Wort „Erwachsener“ gelten. Im Dialekt gibt es dafür nur Umschreibungen. Zum anderen stellt man fest, daß viele Worte im Dialekt gleich mehrere Bedeutungen haben können, die sich dann auch total voneinander unterscheiden. Hier kann man als Beispiel angeben: „Beea“. Das kann im Reiler Platt bedeuten: Bär, Beere, Bier.

EAZ: Was ist Ihnen denn sonst noch aufgefallen?
R. Hochscheid:
Worte sprechen, wenn man im Dialekt groß geworden ist, ist einfach. Aber, die Worte schreiben, und so schreiben, dass man sie versteht ist teilweise schon sehr schwierig. Eigentlich stellt man fest, dass  man auf einige Buchstaben des Alphabetes problemlos verzichten kann, aber es fehlen auch ein paar Buchstaben.

EAZ: Können Sie Beispiele nennen?
R. Hochscheid:
Ja, unser Dialekt kennt zwei Sprecharten des Buchstabens „ä“. Im Schriftbild lässt sich das nicht unterscheiden, wenn man sich beim Schreiben auf die Buchstaben des deutschen Alphabetes beschränkt. Oder nehmen Sie als Beispiel das Wort „Magen“ oder „Vogel“. Beim Schreiben dieser Worte im Dialekt stellen Sie dann fest, dass hier ein Buchstabe fehlt.

EAZ: Und wie ist das Lexikon jetzt entstanden?
R. Hochscheid:
Entstanden ist alles zu Hause auf einem PC. Die Datensammlungen wurden mit einem Tabellenprogramm erfasst und sortiert. Das Setzen des Buches wurde mit einem Satzprogramm auf dem PC gemacht. Die große Fleißarbeit dabei war, dass pro Begriff drei verschiedene Aufbereitungen zu definieren waren. Gedruckt habe ich das Lexikon dann zu Hause auf einem Vollfarbdrucker und es dann in einer Buchbinderei binden lassen.

EAZ: Können Sie ein paar Zahlen nennen?
R. Hochscheid:
Gerne, also es sind knapp 6.300 Wörter, die sich beim Sprechen vom Hochdeutschen so stark unterscheiden, dass  ich sie festgehalten habe. Mehr als 400 Begriffe aus dem Arbeitsleben mit einem Satz, der zeigt, wie ein Wort benutzt wird. Etwa 750 Sätze, in denen normale Sätze, wie sie tagtäglich gesprochen werden. Zahlen, Zeit- und Maßangaben sind festgehalten. Zu den Vornamen, wie sie in der Mitte des letzten Jahrhunderts üblich waren, die Variationen. Weiterhin gibt es viele Mustersätze zum Thema „Nehmen“ vs. „Holen“. Besonders ergiebig war das Thema „Bezeichnungen, Schimpfnamen und Kosenamen“. Hier kommen etwa 400 Begriffe vor. Ein sehr interessantes Thema war das Erfassen aller Lagenamen der Ortsgemeinde. Diese Informationen sind zusätzlich kartographisch unterlegt. Man kann jetzt genau nachlesen, wo welche Lage ist oder war.

EAZ: Wie sieht Ihre Zukunft aus, wenn es um das Schreiben von Büchern geht?
R. Hochscheid:
Im Moment mache ich mir Gedanken darüber, wie man die typischen Spiele in Reil, für Kinder oder Erwachsene, im Freien oder Abends mit einer Flasche Wein, dokumentiert. Zusätzlich habe ich bereits damit begonnen, das Lexikon auch akustisch verfügbar zu machen.

EAZ: Gibt es auch ein paar Informationen, die Sie über sich selbst sagen wollen?
R. Hochscheid:
Beruflich habe ich in einem Computer-Unternehmen gearbeitet. Dort hatte ich mit sogenannten Großrechnern zu tun und mein Schwerpunktthema war Textaufbereitung und Drucken auf Hochleistungsdruckern. Dass ich auch auf einem PC die Druckaufbereitung und das Drucken beherrsche, bestätigt mein Lexikon. Inzwischen bin ich Rentner und kann jedem bestätigen, wie wenig Zeit man hat, wenn man erst einmal im Rentenalter ist.

EAZ: Zum Schluss noch die Frage: „Was wollen Sie eigentlich bei einer Leserin, bei einem Leser Ihres Lexikons erreichen?
R. Hochscheid:
Wenn es mir gelingt, dass jemand dieses Lexikon auf irgendeiner Seite aufschlägt und Worte, Begriffe oder Sätze findet, von denen er sagen kann: „Ja, das kenne ich noch und jetzt erinnere ich mich wieder“. Oder aber man sitzt zusammen und findet über dieses Lexikon zu einer Diskussion, die nur auf diesem Weg entstehen kann. 

Das Moselfränkische Wörterbuch (Reiler Platt) kann erworben werden: beim Verfasser Rudolf Hochscheid , Moselblick 33,  56861 Reil (Tel. 06542/ 21693) und  bei Getränke Reiner Weirauch, Kaiserstr. 10, 56861 Reil  (Tel. 06542/900040). Khg

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