Multiple Sklerose – eine Krankheit mit 1000 Gesichtern

Am 27. Mai war Welt-MS Tag. Allein in Deutschland sind etwa 200.000 Menschen an Multipler Sklerose (MS) erkrankt. Die Krankheit gilt als unheilbar. Den meisten Betroffenen merkt man es nicht immer an, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich etwa Lähmungen bemerkbar machen. Diese unerbittlich fortschreitende Krankheit knn im Laufe der Zeit den eigenen Körper und Geist in eine immer größere Unselbstständigkeit drängen. 

Interview mit einer Betroffenen 

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Katja Kerschgens

Die Eifel-Zeitung sprach mit einer betroffenen Frau über ihre Krankheit. Seit über 20 Jahren lebt sie mit der Diagnose MS, steht mitten im Berufsleben und meistert ihre Krankheit in beeindruckender Art und Weise. Sie heißt Katja Kerschgens, wohnt in Adenau und ist selbstständig. Sie trainiert seit 2001 bundesweit eine umfangreiche Bandbreite von Teilnehmern in Rhetorik und Schlagfertigkeit: von Callcenter-Agents, Chefsekretärinnen und Geschäftsführern über Finanzvertriebler, Frauen im Handwerk, Landwirte, Politiker und Professorinnen bis hin zu Technikern oder Verkäufern.

Darüber hinaus bietet die Germanistin, Journalistin, Trainerin und Autorin mit ihrem Kommunikationsservice KKKom Textarbeit für die Presse, Fachredaktionen und viele weitere Publikationen an.

Katja Kerschgens studierte Germanistik, Sprachwissenschaft und Phonetik in Köln. Sie ist professionelles Mitglied der „German Speakers Trainers Association“ und gelistet bei „Premium Trainers“ sowie bei „Genders Dialog Society“. Sie ist Gründungs- und Vorstandsmitglied vo
n „Behinderte retten Leben e.V.“ und kooperiert mit „ProthUnikate“.

Eifel-Zeitung: Frau Kerschgens, was genau ist Multiple Sklerose?

Katja Kerschgens: Auf einen einfachen Nenner gebracht: Bei MS entzündet sich die Schutzschicht der Nervenfasern. Dadurch verlieren die betroffenen Nerven die Leitfähigkeit. Dann können zum Beispiel Kribbeln in den Gliedmaßen, Seh- oder Gehprobleme die Folge sein.

Eifel-Zeitung: Sie sind  also… wie sagen Sie dazu? Krank? Behindert?

Katja Kerschgens: Ich bin nicht krank. Ich habe eine Krankheit. Ob sie mich hat, ist noch nicht entschieden. Mittlerweile ist der Verlauf bei mir nicht mehr zu übersehen. Als Rhetoriktrainerin und Speakerin mache ich kurzerhand ein neues Thema für meine Zuhörer daraus!

Eifel-Zeitung: Wie sieht der Krankheitsverlauf aus?

Katja Kerschgens: Bei jedem einzelnen Betroffenen anders. MS kann sich jahrelang ruhig verhalten oder in kürzester Zeit in den Rollstuhl führen. Ich selbst habe die Diagnose vor über 20 Jahren erhalten. In den letzten zwei, drei Jahren wurde mir unzweideutig vor Augen geführt, was es heißt, MS zu haben. 

Eifel-Zeitung: Spüren Sie die Krankheit?

Katja Kerschgens: Taube Finger habe ich schon seit etlichen Jahren, jetzt fällt mit das Gehen immer schwerer. Ein Gehstock ist mein neuer Begleiter, für meine früheren Städte- und Museumsmarathons würde ich heute auf einen Rollstuhl zurückgreifen. Auch mein Sprechvermögen war eine Zeitlang betroffen – das ging an meine Existenz, denn damit verdiene ich mein Geld.

Eifel-Zeitung: Was ist der Auslöser von Multiple Sklerose?

Katja Kerschgens: Wenn die Ärzte das mal so genau wüssten! Es hat mit einer Fehlleitung des körpereigenen Immunsystems zu tun, so dass es seine Waffen gegen sich selbst einsetzt. Was der Grund dafür ist, daran wird weiter geforscht.

Eifel-Zeitung: Seit wann haben Sie die Diagnose?

Katja Kerschgens: Ende 1994 – mitten in meiner Abschlussarbeit an der Uni – hatte ich ein Taubheitsgefühl am gesamten Körper und einen sehr findigen Hausarzt, der mich gleich zu einer Neurologin schickte. Wenige Wochen später war der Befund durch eine MRT-Untersuchung nahezu, einige Zeit später durch eine Lumbalpunktion absolut eindeutig. Manche suchen aber Jahre, bis sie auf MS als Ursache für ihre Besch
werden kommen.

Eifel-Zeitung: Beeinflusst Sie die Krankheit im Alltag?

Katja Kerschgens: Ich muss in all meinem Tun immer langsamer werden – und wer mich kennt, weiß, wie schwer mir das fällt.

Eifel-Zeitung: Bedeutet Multiple Sklerose nicht das Ende der Berufslaufbahn?

Katja Kerschgens: Da frage ich provokant zurück: Wieso sollte sie? Ich sage immer: Weitermachen im Rahmen der Möglichkeiten. Wir alle sind nicht Opfer der Umstände, sondern Gestalter der Umstände. Das fällt nicht immer leicht, aber quengeln und jammern macht mich auch nicht gesund. Eher im Gegenteil.

Eifel-Zeitung: Wie gehen Ihre Kunden mit dem Thema um?

Katja Kerschgens: Als selbstständige Rhetoriktrainerin und Coach erlebe ich einen interessanten Effekt, seit ich meine Krankheit in Seminaren und Vorträgen offenbare: Meine Teilnehmer schneiden sich ein Stück von meinem Lebensmut ab und stellen ihre eigenen Hindernisse in ein neues Licht. Sehr interessanter Effekt!

Eifel-Zeitung: Was halten Sie für besonders wichtig für ein glückliches Leben mit MS?

Katja Kerschgens: Die Erkrankung nicht zum Lebensmittelpunkt zu machen. Ich werde mit immer mehr Grenzen konfrontiert, muss meine Ziele stets neu konfigurieren. Mir selbst fällt das auch nicht immer leicht, wenn wieder eine Selbstverständlichkeit aus meinem Alltag herausbricht. Aber das gilt für jeden Menschen, ob aufgrund von Entlassung aus dem Job, Beziehungsende oder Krankheit: Grenzen sind oft sehr real und schwer wegzudiskutieren. Aber wer den Zaun entlangschaut, entdeckt vielleicht eine Lücke, einen Umweg oder eine ganz neue Richtung für sein Leben

Eifel-Zeitung: Vielen herzlichen Dank für das Gespräch!

Katja Kerschgens: Sehr gern. Ich wünsche mir, dass es auch Nicht-Betroffene inspiriert!

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