Alois Thomas

Bistumsarchivar und Kirchenhistoriker aus Klotten

Viele eifelstämmige Familien- und Geschichtsforscher kennen das historische Gebäude des Bistumsarchivs in Trier aus eigenem Erleben. Die Verantwortung für das dort aufbewahrte historische Gedächtnis des Bistums – Kirchenbücher und andere meist unersetzliche Dokumente – oblag über 50 Jahre lang dem in Klotten bei Cochem geborenen Archivar, Gelehrten und Priester Alois Thomas. Der schmächtige, aber zähe Eifelmoselaner war im 20. Jahrhundert eine herausragende Persönlichkeit in Sachen Geschichte und Kultur des Bistums Trier.

Alois Thomas erblickte nach eigenen Worten das Licht der Welt „in den Nachtstunden des 18. Januar 1896, als mit Böllerschüssen und Feuerwerk das 25jährige Jubiläum der Gründung des Deutschen Kaiserreiches 1871“ gefeiert wurde. Seine Eltern Jakob Thomas und Barbara geb. Schmitz stammten aus Winzerfamilien, die schon vor dem 30-jährigen Krieg in Klotten ansässig waren. Diese tiefe, fast mystische Beziehung zur moselländischen Weinkultur fand später beim Gelehrten Thomas Niederschlag in den Themen seiner wissenschaftlichen Qualifikationsschriften. Seine 1931 veröffentlichte Dissertation trug den Titel „Die Theologie des mystischen Kelterbildes“, eine zeitgleich erscheinende stark erweiterte Fassung erfolgte mit „Die Darstellung Christi in der Kelter“. Ausgehend von einer rätselhaften Rede des Propheten Jesaja (Isaias) ging Thomas den christlichen Deutungen und Darstellungen dieser altbiblischen Metapher vom Keltertreter nach: Christliche Autoren und Künstler haben, inspiriert von den Jesaja-Versen, vor allem im Mittelalter immer wieder Jesus mit Begriffen aus dem Weinbau verbunden. In seiner Trierer Habilitationsschrift untersuchte Thomas erneut die Verknüpfung von Christentum, Weinbau und Kultur: „Maria, der Acker und die Weinrebe in der Symbolvorstellung des Mittelalters“ (1952).

Der wissbegierige Winzersohn hatte 1914 sein Abitur am Regino-Gymnasium in Prüm gemacht. Wohl aufgrund einer ihm attestierten schwächlichen Konstitution wurde er nicht gleich eingezogen, sondern konnte in Innsbruck drei Jahre lang Theologie und Philosophie studieren. Ab Herbst 1917 war er in den Kriegslazaretten der Westfront als Sanitäter eingesetzt. Das Theologiestudium schloss Thomas in Trier ab, wo er 1920 feierlich zum Priester geweiht wurde; seine Primiz war ein stolzer Moment in der Geschichte des an Geistlichen keineswegs armen Geburtsorts Klotten. Praktischen Seelsorgedienst leistete Kaplan Thomas in Dudweiler und in Trier-St. Antonius. Zunehmend machte ihm eine schwere Stimmbanderkrankung zu schaffen, so dass er 1929 mit Archivarbeiten betraut wurde und die Erlaubnis zum Weiterstudium in Freiburg/Breisgau erhielt. An die Promotion 1931 schloss sich ein zweijähriges Studium in Rom an. Ende Juni 1933 verließ der Eifelmoselaner das Priesterkolleg in der Ewigen Stadt und kehrte in das inzwischen von Hitler regierte Deutschland zurück. Bis 1936 war Dr. Thomas Hausgeistlicher im Schwesternhaus Manderscheid der Franziskanerinnen von Waldbreitbach.

1936 begann die eigentliche Archivtätigkeit des Klotteners: Er wurde Diözesan-Archivar und mit der Leitung des neu gegründeten Bistumsarchivs betraut, zudem Kanzler des Bistums. Unter seiner Leitung wurde das aus mannigfachen Beständen zusammengetragene Archivgut gesichtet, geordnet und erforscht. Nachdem dieser kulturelle Schatz die Bombardierung Triers weitgehend überstanden hatte, kam 1953 der für die Bevölkerung wohl interessanteste Bestand hinzu: Frankreich gab die 1794 beschlagnahmten Kirchenbücher zurück, und das Land Rheinland-Pfalz überließ sie dem Bistumsarchiv als Dauerleihgabe. Kurz vorher hatte sich das Arbeitsfeld von Alois Thomas bereits auf andere Weise erweitert: 1952 war er Diözesankonservator und Leiter der Bauabteilung im Generalvikariat geworden. Beim Neubau von fast 300 Kirchen in der Nachkriegszeit hatte sein Wort ebenso besonderes Gewicht wie bei der Restaurierung oder dem Schutz der archäologischen Bestände und Denkmäler. Gewichtig war auch, was der 1957 zum außerordentlichen Professor ernannte Theologe in wissenschaftlicher Hinsicht zu sagen hatte. Mit insgesamt 90 Artikeln in Fachpublikationen zu Fragen christlicher Kunst, Kirchengeschichte und Ikonographie sowie fast 200 weiteren Beiträgen schuf er „ein eindrucksvolles wissenschaftliches Lebenswerk“ (M. Persch). Die Lebensleistung des 1961 zum päpstlichen Hausprälaten ernannten Thomas umfasste außerdem 13 selbständig erschienene Bücher sowie die Herausgeberschaft der „Veröffentlichungen des Bistumsarchivs Trier“. Im höchsten Alter veröffentlichte er noch das Buch „Kirche unter dem Hakenkreuz: Erinnerungen und Dokumente“ (1992); es war ihm ein Herzensanliegen, die Leidenswege von Katholiken während der NS-Zeit nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

91-jährig übergab Professor Thomas 1987 die Leitung des Bistumsarchivs an Dr. Martin Persch (1948–2013). Ausdruck seines weiten Ansehens waren zwei mit Fachabhandlungen gefüllte Festschriften, die ihm zum 70. und zum 90. Geburtstag gewidmet wurden. 1990 beging Alois Thomas sein 70-jähriges Priesterjubiläum; ein solches Ereignis hatte es bis dahin erst zweimal im Bistum Trier gegeben. Prälat Professor Thomas starb am 20. April 1993. Er wurde in seinem geliebten Heimatort, dessen Ehrenbürger er war, beigesetzt.

Verfasser: Gregor Brand

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