Anna Huberta Roggendorf

Ordensgründerin und Missionarin aus Mechernich

215_roggendorf_49_14Die weibliche Ordensgemeinschaft der Society of the Helpers of Mary (SHM; Gesellschaft der Helferinnen Mariens) ist heute mit ca. 300 Schwestern in über 50 Niederlassungen auf drei Kontinenten im sozialkaritativen Bereich engagiert. Ins Leben gerufen wurde diese Gemeinschaft von der 1909 in Metternich geborenen Gertrud (Ordensname: Anna Huberta) Roggendorf. Die Ordensgründerin kam aus einer der früher gar nicht so seltenen kinderreichen katholischen Familien, in denen sich gleich mehrere Mitglieder für einen geistlichen Lebensweg entschieden. Von den acht Kindern des Mechernicher Ehepaares Roggendorf-Krischer wurden drei Töchter Ordensschwestern; zwei Söhne entschieden sich ebenfalls für eine geistliche Laufbahn. Auf den ersten Blick könnte man in dieser Anhäufung ein Indiz für ein völlig vom katholischen Glauben dominiertes Familienleben sehen. Dr. Margarete Brown, eine Schwester der Ordensgründerin, wies demgegenüber jedoch darauf hin, dass die Familie des Ingenieurs und Heimatforschers Hubert Roggendorf und seiner Frau, der Modistin Anna Krischer, zwar konservativ und katholisch, aber nicht frömmlerisch gewesen sei.

Nach ihrer Ansicht kam im Wunsch der Töchter, Missionarinnen zu werden, eine Art antibürgerlicher Emanzipation zum Tragen, da der Ordensweg damals für Mädchen aus ländlich-katholischen Familien einer der wenigen Alternativen gewesen sei, ein Leben jenseits der bürgerlichen Lebensläufe als Hausfrau und Mutter zu führen: „Die Alternative wäre bürgerliche Enge gewesen; in Mechernich hätte sie die kleineren Geschwister verwahren müssen.“ (M. Brown). Unabhängig von dieser Sicht, die der spirituellen Komponente nicht gerecht wird, bleibt festzuhalten, dass die vier ältesten der Roggendorf-Kinder sich im Teenager-Alter für ein zölibatäres Leben ohne eigene Kinder entschieden. Dieser Entscheidung folgten sie im weiteren Leben konsequent: Anna Hubertas Schwestern Agnes (Jahrgang 1910) und Maria (Jahrgang 1914) wirkten als Missionsschwestern in Pakistan beziehungsweise in Brasilien, während der älteste Bruder Josef Roggendorf (1908-1982) in den Jesuitenorden eintrat und ein international renommierter Gelehrter an der Sophia University in Tokio wurde.

Die Ordenslaufbahn von Gertrud Roggendorf begann mit der Aufnahme als Novizin in die Ordensgemeinschaft der Töchter vom heiligen Kreuz (Filiae Sanctae Crucis, Ordenskürzel FCr), die sich der Hilfe für Menschen in schweren sozialen Notlagen verschrieben haben – ein Anliegen, das auch den Roggendorf-Schwestern besonders am Herzen lag. Als 19-Jährige schloss sich die Metternicherin den Töchtern vom heiligen Kreuz im Haus Aspel in Rees an. Wie stark muss Schwester Anna Huberta später den eklatanten Gegensatz zwischen dem großartigen Schlossgebäude am Niederrhein und den Slums der Vielmillionenstadt Bombay (heute: Mumbai) empfunden haben! Im Herbst 1932 betrat die rheinische Jungmissionarin erstmals den Boden der britischen Kronkolonie Indien. Anfangs unterrichtete sie als Lehrerin, einige Jahre später wurde sie nach Andheri bei Bombay versetzt und dort mit 29 Jahren Oberin im St. Catherine’s Home. Im St. Catherine’s Home werden seit den zwanziger Jahren im Geist christlicher Nächstenliebe und Jesus-Nachfolge Mädchen und Frauen aufgenommen, liebevoll betreut und unterstützt, die sich in ärgster Not befinden: Waisen, Findelkinder, Missbrauchte und Verstoßene, Kranke und Alte.

Der Einsatz gegen die miserablen Lebensbedingungen besonders der weiblichen Bevölkerung im rasant wachsenden Bombay trat für Oberin Roggendorf nun ganz in den Vordergrund. Für sie wie für ihre Mitschwestern bestand dabei von Anfang an das Ziel darin, den Mädchen und Frauen nicht nur materiell zu helfen, sondern sie vor allem auch seelisch wieder aufzurichten. Nach Beginn des 2. Weltkriegs wurde bei Anna Huberta der Wunsch immer intensiver, ihre Ideale in einer neuen, eigenständigen Ordensgemeinschaft zu verwirklichen. Zusammen mit einigen Gleichgesinnten gründete sie daher 1942 die Gemeinschaft der Helferinnen Mariens. In den folgenden Jahren und Jahrzehnten wurde das Konzept der Hilfe für die Ärmsten räumlich und organisatorisch weiter in die Slums von Mumbai und andere Orte getragen. 1962 erfolgte die offizielle Anerkennung der Gemeinschaft durch den indischen Kardinal Valerian Gracias (1900-1978). Weitere Meilensteine in der Geschichte der jungen Ordensgemeinschaft waren die 1984 bestätigte, vom großen Interfaith-Theologen Joseph Neuner SJ (1908-2009) entworfene Ordenskonstitution und die durch Johannes Paul II im Jahr 2001 vorgenommene päpstliche Anerkennung.

Diese beiden letztgenannten Erfolge, die die internationale Arbeit und Ausbreitung der Ordensgemeinschaft erleichtern, erlebte Mutter Anna Huberta nicht mehr. Bereits im Juli 1973 erlag die rastlos tätige Missionarin, deren Lebensweg vielfach an den von Mutter Teresa erinnert, einem Lungenkrebsleiden. Ihre letzte Ruhestätte fand die Eiflerin in Andheri, dem langjährigen irdischen Zentrum ihres christlichen Lebens. Verfasser: Gregor Brand

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