August Horch

 „Das war alles unbeschreiblich herrlich“ – so begeistert erlebte August Horch (1868-1951) als Zehnjähriger den Bau der Eisenbahn entlang der Mosel. Technik faszinierte ihn, seit er zum ersten Mal in die väterliche Schmiede durfte. Selbstverständlich war dies keineswegs.

Der Eifelmoselaner, Nachfahre von Schmieden und Winzern, hätte sich auch für den Winzerberuf interessieren können. Doch obwohl der später nur 1, 60 m große und zähe Horch für den Weinberg körperlich geeigneter schien als für die Arbeit an Esse und Amboss, begann er mit 13 Jahren bei seinem Vater Karl Friedrich eine Lehre am Amboss. Seine Mutter Helene (geb. Michel) war da schon seit 7 Jahren tot; aus der zweiten Ehe des Vaters hatte August zwei Stiefgeschwister. Mit 16 begab sich der Schmiedegeselle auf Wanderschaft. Horchs Walz führte den von technischer Lernbegier geradezu Besessenen bis tief in den Balkan. Er arbeitete unterwegs als Schmied, Uhrmacher und Maschinenschlosser. Seine Qualität lag nicht in roher Muskelkraft, sondern in der Fähigkeit zu Feinarbeiten und im blitzschnellen Verständnis technischer Konstruktionen. Horch wollte jetzt Ingenieur werden. Obwohl er nur die Volksschule besucht hatte, durfte er im sächsischen Mittweida ein Ingenieurstudium beginnen. Die erste Berufstätigkeit als Maschinenbau-Ingenieur begann an der Ostsee. In Rostock konstruierte er eine Düngerstreumaschine, später auch Kräne und Dampfmaschinen.

Nächste Station war die namhafte Neptun-Werft, danach ging es zurück nach Sachsen. In Leipzig lernte Horch fasziniert die neuen Verbrennungsmotoren kennen, war aber dort primär mit Organisationsfragen betraut. Mutig bewarb sich der 27-Jährige beim Autogenie Carl Benz in Mannheim – und wurde sofort eingestellt. Noch im gleichen Jahr erlebte er hautnah eine Glanzstunde im Autobau: Im Werk von Benz lief die Produktion des „Velo“ an, des weltweit ersten Serienautomobils. Horch wollte sich in dieser Zukunftsbranche selbstständig machen. Nachdem ihm der Kaufmann Salli Herz Startkapital zur Verfügung gestellt hatte, eröffnete er 1898 in Köln eine Autowerkstatt. Horch verkaufte eine von ihm weiterentwickelte Bosch-Zündung, arbeitete aber zugleich an der Entwicklung eines eigenen Autos mit neuartigem „stoßfreien Motor“.

Der erste dieser Horchwagen war Ende 1900 fahrbereit, aber für mehr als Prototypen reichte das Kapital nicht. Horch übertrug schließlich seinen Kölner Betrieb an R. Bauer, durfte sich dafür aber mit seinen Maschinen auf Grundstücken von Bauers Bruder im Vogtland niederlassen. Unter der Firma A. Horch & Cie. wurden in Reichenbach neue Autos gebaut, darunter erstmals auch solche mit Vierzylindermotor.

Der handwerklich arbeitende Betrieb, vom beliebten „Papa Horch“ patriarchalisch geführt, hatte 1904 rund 90 Mitarbeiter. Die folgenden Jahre waren geprägt von sportlichen und technischen Triumphen der Horchautos, aber auch vom Dauerkampf um Kapital. Horch musste betriebliche Kompromisse eingehen, die letztlich 1909 zur Trennung vom Werk, das weiter Horchs Namen trug, führten. Dem Moselaner gelang es, Kapital für ein neues Unternehmen in Zwickau aufzutreiben.

Dessen Firmenname wurde weltbekannt: Audi. Das lateinische Wort „Audi“ bedeutet: Höre! Mit anderen Worten: Horch! Die von Horch und seinen Ingenieuren entworfenen Audi-Wagen waren vor dem 1. Weltkrieg bei Autorennen legendär erfolgreich. Der Krieg führte dazu, dass Horch im Unternehmen sich völlig Organisationsfragen widmen musste; als Konstrukteur war er fortan nicht mehr tätig. 1920 trennte er sich von den Audi-Werken und arbeitete in Berlin als renommierter Kraftfahrsachverständiger. Als 1932 die Auto Union AG als Zusammenschluss von Audi, DKW, Horch und Wanderer gegründet wurde, kam Horch in den Aufsichtsrat. In finanzielle Schwierigkeiten geriet er, als sein Versuch, in Winningen eine moderne Hühnerfarm aufzubauen, scheiterte. Als Zwickau nach 1945 Teil der SBZ wurde, fiel die Unterstützung durch die Auto Union weg, neue Notjahre begannen.

Auch familiär hatte Horch keineswegs nur Glück. Seine Frau Anneliese erblindete, wurde bewegungsunfähig und depressiv. Auch mit seiner 2. Frau Else Kolmar blieb er ohne leibliche Kinder; froh machten ihn zwei Adoptivkinder. Horchs Enkelin Helga Henselder-Barzel starb 1995 bei einem Autounfall. Dr. h. c. August Horch wurde in seinem Heimatdorf beerdigt – der angemessene Ort für diesen Autopionier, der einst seine sächsischen Arbeiter Mosellieder singen ließ.

Verfasser: Gregor Brand
 

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