Dr. Fabian Stephany aus Hasborn – Data Policy Entrepreneur

Schon früh faszinierten ihn Computer. Geboren 1987 in Hasborn war es sein Vater, einer der ersten Lehrer, der in den 90er Jahren EDV-Anwendungen (so sagte man damals) unterrichtete und Fabian Stephany für Daten und Algorithmen begeisterte. So absolvierte er bereits als Schüler des Peter-Wust-Gymnasiums in Wittlich ein Praktikum in einem der ersten IT-Fachgeschäfte der Region. Nach dem Abitur 2006 zog es ihn zum Physikstudium nach Heidelberg. Doch schnell merkte Stephany, dass ihn das Verhalten von Menschen deutlich mehr interessierte als „tote Materie“.

Es folgten ein Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim. Der unbändige Drang, hinaus zu ziehen in die Welt, machte ihn mit 21 Jahren zu einem der damals jüngsten Berater in der Organisation für ökonomische Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris. Hier lernte er schnell, warum politische Entscheider aus der ganzen Welt auf die Expertise internationaler Organisationen wie der OECD hören. Die Daten über Handelsströme oder Finanztransaktionen, zunehmend auch über das Internet erhoben, verschafften den international vernetzten Forschungsinstituten einen signifikanten Wissensvorsprung bei der Lösung von sozialen, politischen und ökonomischen Problemen.

Nach seiner Pariser Zeit schlossen sich Studienaufenthalte in Mailand, Cambridge (UK) und Wien an. Immer klarer wurde der Schwerpunkt seines wissenschaftlichen Interesses: Daten sind der Rohstoff unserer Zeit mit denen sich bei geschicktem Einsatz viele soziale Probleme analysieren und lösen lassen. Obwohl Deutschland eine treibende Kraft beim Ausbau der europäischen Datenschutzverordnung (GDPR) war, wünscht sich Stephany deutlich mehr Tempo und Innovationsgeist beim Ausbau digitaler staatlicher Dienstleistungen hierzulande.

Doch Stephany ist keineswegs blauäugig in seinem Glauben an Fortschritt durch Daten. Auch er konnte die Schwächen von Big Data aus der ersten Reihe erleben: Während seines Masterstudiums an der Universität Cambridge belegte Fabian Stephany den Kurs des Psychologen Dr. David Stillwell, dessen bahnbrechende Forschung mit gigantischen Datenmengen aus sozialen Onlinemedien es möglich machte, menschliches Verhalten vorherzusagen. An die Arbeit mit Stillwell und seinem myPersonality Projekt erinnert sich Fabian Stephany mit Begeisterung. Doch während Stillwell und sein Team die Daten im Sinne der Wissenschaft und zur Früherkennung von psychischen Erkrankungen, wie Depressionen oder Schizophrenie, nutzen wollten, verkaufte einer seiner Mitarbeiter die Analysen von mehr als 50 Millionen Internetnutzern an ein Privatunternehmen mit dubiosen Absichten: Cambridge Analytica. Diese Firma sollte wenig später fragwürdige weltweite Berühmtheit erlangen. Der Konzern hatte es dem Fernsehunternehmer Donald Trump durch die gezielte Manipulation von Facebook-Nutzern ermöglicht, die US-Präsidentschaftswahlen 2016 zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Die Daten und Algorithmen zu diesem zweifelhaften Coup stammten aus dem Labor des Cambridge Wissenschaftlers Dr. David Stillwell.

Spätestens jetzt wurde Fabian Stephany klar, dass die Digitalisierung kein Selbstläufer werden würde. Die Menschheit steht an einem Scheideweg: Ohne klare Regeln könnte der digitale Wandel für uns ebenso nachteilig wie nützlich sein. Getrieben von dieser Einsicht eignete sich Fabian Stephany nach seiner Promotion in Sozialstatistik weitere Fähigkeiten als Datenwissenschaftler in der Privatwirtschaft an, um 2017 den neu gegründeten Bereich Digitalisierung der Wiener Denkfabrik Agenda Austria zu leiten. Doch die Donaumetropole konnte ihn nicht lange halten. Im Jahr 2019 wechselte er an die Universität Oxford wo er am Oxford Internet Institute zur digitalen Zukunft der Arbeit forscht und die Datenexperten von morgen unterrichtet. Die Absolventen des weltweit ersten Studiengangs in Sozialdatenwissenschaften finden Anstellungen bei den Internetgiganten des Silicon Valley, wie Amazon oder Google, aber zunehmend auch in internationalen Organisationen und Ministerien.

Diese sind oftmals auch die Kunden von Fabian Stephany, die er im Umgang und der Nutzung von Daten im Sinne der Allgemeinheit berät – Stephany tauft diese Arbeit „Data Policy Entrepreneurship“ (Wissenschaftliches Daten-Unternehmertum). Unter anderem durfte er für die Weltbank die Folgen des weltweiten Klimawandels auf die Migration modellieren oder für die Vereinten Nationen die digitale Ökonomie auf dem Balkan und in Zentralasien vermessen. Aktuell analysiert Fabian Stephany gemeinsam mit seinen Kollegen und der Internationalen Arbeitsorganisation in Genf die Folgen des digitalen Wandels für den Arbeitsmarkt. Es ist absehbar, dass viele Tätigkeiten in Zukunft von Computern erledigt werden, aber digitale Technologien verlangen ebenso von uns, neue Fähigkeiten zu entwickeln. Wenn wir diesen Umbruch zukunftsgewandt und sozial gestalten, dann kann er eine große Chance für alle werden. Sicher ist schon jetzt, Daten werden in diesem Wandel eine zentrale Rolle spielen.

Wenn er Abstand braucht vom rasanten Wandel der digitalen Welt, dann kehrt er gerne für ein paar Tage in die Heimat zurück, um Ruhe zu finden und beim Wandern durch die wundervoll hügelige Landschaft der Eifel neue Kraft zu tanken.

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