Edmund Conen

In der an denkwürdigen Tagen wahrlich nicht armen deutschen Fußballgeschichte nimmt der 27. Mai 1934 einen ganz besonderen Platz ein. An diesem Tag fand in Italien das erste WM-Spiel einer deutschen Fußballnationalmannschaft statt – der Anfang einer beeindruckenden Erfolgsgeschichte.  Und ein Eifelmoselaner sorgte dafür, dass dieses Spiel gegen Belgien noch aus einem anderen Grund ein sporthistorisches Glanzlicht erhielt: Der erst 19-jährige Ürziger Edmund Conen erzielte den ersten reinen Hattrick der WM-Geschichte: drei Tore in einer Halbzeit. Eine solche Leistung in einem WM-Spiel schafften seitdem überhaupt nur 8 Spieler weltweit – als einziger Deutscher Gerd Müller. Der Name des Münchner Ausnahmestürmers wird auch sonst öfters mit Conen genannt: Außer Gerd Müller hat kein deutscher Nationalspieler mit mindestens 25 Länderspielen eine bessere Torquote aufzuweisen als Edmund Conen, der in 28 Spielen 27 Tore erzielte. In anderer Hinsicht drängen sich beim Ürziger eher Vergleiche mit Thomas Müller auf. Wie T. Müller nahm Conen als blutjunger Spieler erstmals an einer WM teil und wurde gleich Torschützenkönig! Conen musste sich diese Ehre zwar mit zwei anderen teilen und verlor diesen Status 2006, als die FIFA mehr als 70 Jahre später ein weiteres Tor seines Mitkonkurrenten O. Nejedly anerkannte, aber die Leistung des Ürzigers bleibt beachtenswert. Die Sportpresse erklärte Conen, der überhaupt nur aufgrund des Ausfalls mehrerer Stammspieler zum Einsatz kam, zum besten Stürmer des Turniers. Beschreibungen von Conens wendiger, technisch versierter und mit ausgeprägtem Torriecher versehenen Spielweise lassen ebenfalls an Thomas Müller denken.
Nicht lange nach dem glanzvollen Auftritt beim WM-Turnier ereilte den sensiblen Schneidersohn ein Schicksal, das man keinem wünscht. Conen, der sich damals wohl wegen seines nicht gerade „arisch“ klingenden Nachnamens manche Nachfragen gefallen lassen musste, erkrankte an einer Herzneurose. Menschen mit dieser seelischen Beeinträchtigung glauben, obwohl sie organisch gesund sind, sie seien herzschwach und von plötzlichem Herztod bedroht. Nicht selten geht eine solche Herzneurose mit Depressionen und Angstzuständen einher – insgesamt eine schwere Belastung, die Conen weitgehend außer Gefecht setzte.  Aber der „ängstliche Riese“ (F. Friedmann) kämpfte gegen seine Erkrankung an – und gewann: Im Juni 1939 absolvierte er erstmals wieder ein Länderspiel – und erzielte prompt den Siegtreffer. Nur wenige Monate später begann der Zweite Weltkrieg, der neben all dem entsetzlichen Leid auch viele Sportlerkarrieren nicht die Höhen erreichen ließ, die ihnen in normalen Zeiten möglich gewesen wären. Edmund Conen trat noch in einigen Länderspielen an, zuletzt im Mai 1942, als er es an der Seite des jungen Fritz Walter schaffte, die Mannschaft zum Sieg zu führen. 1944/45 spielte der Ürziger beim HSV Groß Born, einem erfolgreichen Heeresclub; seine eigentliche Vereinsmannschaft waren die Stuttgarter Kickers, für die er vor und nach dem Krieg insgesamt 11 Jahre lang auflief.  Nach seiner letzten Vereinsstation als aktiver Spieler in Zürich gab er ab 1952 sein Fußballwissen als Trainer weiter. Mit verschiedenen Vereinen – von Eintracht Braunschweig bis Bayer Leverkusen – errang er manche Erfolge, auch wenn ihm ganz große Triumphe versagt blieben. 

Von den Gehältern heutiger Fußballstars konnten Sportler damals nur träumen. Während seiner aktiven Zeit in Stuttgart verdiente sich Conen, dessen Frau gelernte Köchin war, den Lebensunterhalt im Gaststätten- und Hotelgewerbe. Von März 1939 bis zum Mai 1941 betrieb er das Gasthaus Rössle in Stuttgart und vom Sommer 1948 an war er für zwei Jahre Pächter eines Hotels im Stuttgarter Rosensteinbunker. Nach seiner Trainerlaufbahn arbeitete er im Eisenbahnausbesserungswerk Opladen, zuletzt als Computerfachmann.

Conens bewegtes Leben, das 1914 wenige Monate nach Beginn des 1. Weltkriegs begonnen hatte,  endete im März 1990 – kurz bevor Deutschland in Italien Weltmeister wurde. Hätte der beliebte Moselaner dies noch erleben können, so wäre es ihm vielleicht ein später Trost dafür gewesen, dass er 1934 als strahlender Jungheld zwar die damals als fast unbesiegbar geltende österreichische „Wundermannschaft“ bezwingen half, aber letztlich „nur“ WM-Dritter wurde. In jedem Fall hat Edmund Conen dafür gesorgt, dass Ürzig nicht nur auf der Weltkarte des Weins bestens vertreten ist.

Verfasser: Gregor Brand
 

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