Gregor von Pfalzel

Germanenmissionar aus frühkarolingischer Zeit

Über 700 Jahre nach dem Auftreten von Jesus waren weite Teile des heutigen Deutschland noch heidnisch. Ganz abgesehen von den slawisch-heidnischen Gebieten östlich der Elbe, waren es vor allem die in Norddeutschland und an der Nordsee lebenden germanischen Stämme der Altsachsen und Friesen, die sich der Christianisierung widersetzten und auf dem Glauben ihrer Vorfahren beharrten. Aber auch in anderen Regionen setzte sich das Christentum erst allmählich und oft erst nach blutigen Auseinandersetzungen durch. Im 8. Jahrhundert spitzte sich der langwierige Kampf zwischen traditioneller und neuer Religion zu; er ging einher mit dem auf Expansion gerichteten Machtwillen fränkisch-christlicher Herrscher. Führende Persönlichkeiten der Germanenmission waren damals Angelsachsen aus Britannien, vor allem Willibrord (ca. 660 – 739), der Gründer der Abtei Echternach, und Bonifatius (ca. 673 – 754), der „Apostel der Deutschen“. Engster Weggefährte von Bonifatius war ein Spross des eifelmoselanischen Hochadels: Gregor von Pfalzel, der nach seinem späteren Wirkungsort auch Gregor von Utrecht genannt wird.

Der vermutlich um das Jahr 707 als Sohn von Alberic und Fastrada geborene Gregor entstammte einem Geschlecht, das zum engsten Verwandtenkreis der mächtigen fränkischen Hausmeier aus der Familie Pippins gehörte; Gregors Adelsfamilie hat vermutlich „den frühen Karolingern an Rang kaum nachgestanden“ (Matthias Werner). Sein Vater war ein Sohn der Klostergründerin Adela von Pfalzel, und damit ein Neffe von deren Schwestern Bertrada, der Erstgründerin der Abtei Prüm, und Plektrud, der Ehefrau Pippins des Mittleren. Die Familie war reich und vor allem im eifelmoselanischen Raum begütert. Gregors Geburtsort ist unbekannt, er wird in Trier oder Umgebung vermutet. Während seiner Kinderjahre dürfte er öfters in Pfalzel gewesen sein, wo seine Großmutter Adela nach ihrer Verwitwung ein Frauenkloster leitete. Dort kommt es um das Jahr 721 zu einer lebensentscheidenden Begegnung: Der etwa 14-jährige Gregor lernt Bonifatius kennen, der auf seiner Missionsexpedition in Pfalzel Station macht. Als Bonifatius beim Mahl im Speisesaal nach einem Vorleser fragt, der aus der Heiligen Schrift vorlesen kann, wird der jugendliche Gregor gerufen. Beeindruckt von dessen flüssigem Lesen des lateinischen Textes, fragt ihn Bonifatius, ob er das Gelesene denn auch verstehe. Der Junge bejaht dies selbstbewusst, muss aber schließlich zugeben, dass er den Sinn des Bibeltextes nicht in seiner fränkischen Muttersprache und mit eigenen Worten wiedergeben kann. Als der hoch gelehrte Bonifatius daraufhin den Bibeltext erklärt, ist Gregor davon derart beeindruckt, dass er fortan Bonifatius unbedingt folgen will – und er setzt seinen Willen gegen die anfangs widerstrebende Äbtissin und Großmutter durch. Die sich daraus entwickelnde enge Beziehung von Meister und Schüler hat zur Folge, dass man für die folgenden Jahrzehnte vermuten kann, dass Gregor überall dort zu finden war, wo sich der Großmissionar Bonifatius aufhielt. So kann man auch davon ausgehen, dass er 723 die berühmte Fällung der Donar-Eiche durch Bonifatius mit eigenen Augen sah. Noch als Jugendlicher dürfte er Bonifatius im Jahr 723 bei dessen Italienreise ebenso begleitet haben wie als gereifter Missionar 15 Jahre später bei einer weiteren Romreise. Gregor nutzte die Aufenthalte in der Ewigen Stadt zum Erwerb heiliger Schriften, die seiner Bildung ebenso wie später der seiner Schüler zugutekamen. Noch vor dem Jahr 750 wurde er Abt des Klosters Sankt Martin in Utrecht und damit einer der wichtigsten Geistlichen in dieser Hauptstadt der Friesenmission. Nach der Erschlagung von Bonifatius und seines Begleiters Eoban, der als Bischof in Utrecht amtierte, 754/755 im Friesenland, wurde Gregor mit der Verwaltung des Bistums Utrecht und mit der Leitung der Friesenbekehrung beauftragt. Ob er beim Missionieren ähnlich streng vorging wie beispielsweise Willibrord, der den Heiden, die bei ihrem Glauben bleiben wollten, mit ewigen Schmerzen und dem Höllenfeuer drohte, ist nicht bekannt. Gregors Schüler und Biograph Liudger – selbst ein Friese, später erster Bischof von Münster – hebt seine Demut hervor sowie seinen Wunsch, nach dem Beispiel der Apostel und der Urchristen zu leben. Er soll sogar Straßenräubern, die zwei seiner Brüder ermordeten, verziehen haben, womit er sich von dem damals herrschenden Blutrache-Denken distanzierte.

In der Schule des Utrechter Martinsstifts leitete Gregor den Unterricht angehender – und später oft einflussreicher – Kleriker aus unterschiedlichen Stämmen: Franken, Angelsachsen, Friesen, Bayern und Schwaben; die Anziehungskraft spricht für das Ansehen, das er weithin genoss. Drei Jahre vor seinem Tod erlitt Gregor wohl einen Schlaganfall, der seine linke Seite lähmte. Als er die Nähe seines Todes spürte, ließ er sich in die Utrechter Kirche tragen, wo er vermutlich am 25. August 775 verstarb. Bischof in Utrecht wurde daraufhin sein Neffe Alberic (gest. 784). Ein Teil von Gregors Schädel wurde als kostbare Reliquie in der Abtei Susteren, dem „Hauskloster der Linie Pippin-Plektrud“ (Edeltraud Balzer), aufbewahrt. Gregor von Pfalzel wird vor allem in der Tradition der Bistümer Utrecht und Trier als Heiliger verehrt.

Verfasser: Gregor Brand

Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen
Eifelzeitung E-Paper Aktuelle Ausgabe kostenfrei als E-Paper lesen