Hans-Jürgen Arends – Kernphysiker aus Gerolstein

Hans-Jürgen Arends

Hans-Jürgen Arends kam im April 1949 in Gerolstein als Sohn des Elektroschweißers Matthias Arends und dessen Ehefrau Mathilde zur Welt. Noch heute erinnert sich der seit 2016 im Ruhestand befindliche Atomwissenschaftler gern an die abenteuerlichen Streifzüge, die er in dem naturlandschaftlich eindrucksvollen Gerolsteiner Gebiet mit seinen Freunden während der Volksschuljahre an der St. Josefschule unternahm. Mit zehn Jahren wurde diese Kinderwelt schlagartig ernster: Der Vater starb, und die Mutter – bestärkt durch den Volksschullehrer – schickte den hoch intelligenten Jungen aufs Gymnasium. Eine mutige Entscheidung, denn es war damals auf dem Land nur eine ganz kleine Minderheit eines Jahrgangs, der man den erfolgreichen Gymnasiumsbesuch zutraute.

Dieser Bildungsweg erschien dann sogar noch ungewöhnlicher, wenn es – wie bei Arends – in der eigenen Familie bis dahin keine akademischen Vorbilder gab, an denen man sich hätte orientieren können. Der weitere Lebensgang des Spitzenwissenschaftlers Arends hat jedenfalls die Entscheidung der Mutter glänzend bestätigt. 1967 machte der als Messdiener, Pfadfinder und anderweitig engagierte Schüler Abitur am Gerolsteiner St. Matthias-Gymnasium. Lebhaft in Erinnerung sind ihm die Auftritte als Mitglied der Schüler-Beatband „The Footwarmers“, zu deren Mitgliedern unter anderem auch der spätere General Helmut W. Ganser gehörte. Die Lebenswege der Bandmitglieder trennten sich nach dem Abitur, aber nach 50 Jahren Pause wird inzwischen wieder gemeinsam musiziert und sogar der ein oder andere gemeinsame Auftritt absolviert.

Nach der Gerolsteiner Schulzeit schrieb sich Arends als Physikstudent an der Universität Bonn ein, wo er 1978 mit einer preisgekrönten Arbeit promovierte und anschließend bis 1983 als Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Physik arbeitete. Während seiner Assistenzjahre führten ihn mehrere Forschungsaufenthalte ins Ausland. Sie brachten ihn unter anderem in das riesige französische nationale Forschungszentrum CEN Saclay bei Paris, aber auch an Forschungsstätten in den USA wie etwa an die University of California in Los Angeles (UCLA) oder in das – durch seine Rolle bei der Atombombenentwicklung berühmte – Kernforschungszentrum Los Alamos in New Mexico, wo sich der damals weltweit leistungsstärkste Protonen-Linearbeschleuniger befand. Zurück in Deutschland habilitierte sich Dr. Arends 1987 in Physik an der Universität Bonn, arbeitete dann dort einige Jahre als Assistenzprofessor, ehe er 1992 als Physikprofessor nach Mainz berufen wurde. Von 2006 bis 2008 war Arends Geschäftsführender Direktor am Institut für Kernphysik der Universität Mainz.

Zentrales Forschungsgebiet von Arends war die Kern- und Hadronenphysik, also die Untersuchung der Eigenschaften und Struktur von Atomkernen sowie von deren Bausteinen, den aus Quarks aufgebauten Protonen und Neutronen. Durch Zuführen gezielter Energiebeträge, beispielsweise unter Verwendung hochenergetischer Photonenstrahlen, können die Protonen und Neutronen zu Schwingungszuständen angeregt und Streu- und Reaktionsprodukte erzeugt werden. Die Herausforderung für Kernphysiker und die mit ihnen zusammenarbeitenden Ingenieure, Computerspezialisten und sonstigen Topexperten besteht sowohl darin, die dafür erforderlichen höchst komplexen Anlagen zu konstruieren, als auch, die entstehenden Messergebnisse theoretisch auszuwerten.

Am Mainzer Institut für Kernphysik, dem langjährigen Wirkungsort von Arends, wurde 1990 ein Elektronenbeschleuniger, das Mainzer Mikrotron (MAMI), in Betrieb genommen. Im Dezember 2006 wurde an diesem Institut unter dem Direktorat von Arends mit der Inbetriebnahme einer völlig neuen und weltweit in dieser Form einzigartigen Anlage zur Elektronenbeschleunigung ein weiterer deutscher Forschungsmeilenstein gesetzt: Mit der neuen Anlage wurde die Energie des Teilchenstrahls von 855 auf 1500 Megaelektronenvolt (MeV) fast verdoppelt. Diese gewaltige Leistung ermöglichte den Wissenschaftlern neue Erkenntnisse zum Aufbau des Atomkerns, aber auch über kosmische Phänomene wie etwa Neutronensterne.

Ein weiteres gefeiertes Datum war der 2. Mai 2008, als der 1990 erstmals eingeschaltete Elektronenbeschleuniger MAMI die hunderttausendste Betriebsstunde absolviert hatte. Professor Arends konnte damals mit berechtigtem Stolz bilanzieren: „Die Anlage lieferte in ihrer fast achtzehnjährigen Laufzeit stets einen Strahl höchster Zuverlässigkeit und Qualität.“ Man kann nur ahnen, welches Höchstmaß an wissenschaftlich-technischer Leistung und Qualifikation hinter solchen Erfolgen steht. Die Ausbeute seiner Arbeit präsentierte Arends als Autor oder Ko-Autor in über 150 Veröffentlichungen in referierten Fachzeitschriften, aber auch auf internationalen Konferenzen, wo er Mitglied in Organisations- und Beraterkommissionen war. Dass ihn physikalische Fachzeitschriften als Gutachter engagierten, oder dass er Mitglied der Programmkommission zum Teilchenbeschleuniger CEBAF am berühmten Jefferson Lab (USA) war, rundet das Bild eines international anerkannten Kernphysikers ab.

Bei all dem ging der Bezug zur Eifel nie verloren. Nach wie vor begibt sich der mit der Neurologin Dr. Claudia Breiden-Arends verheiratete und in Ingelheim wohnende dreifache Familienvater regelmäßig in die Heimatregion, die ihn maßgeblich prägte.

Verfasser: Gregor Brand

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