Hermann-Josef Abs

Fotoquelle: Deutsche Bank AG, CC BY-SA 3.0. https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3852918

Bankier aus Euskirchener Familie

Der 1901 in Bonn als jüngster von fünf Söhnen der Eheleute Dr. jur. Josef Abs (1862 – 1943) und Katharina Lückerath geborene Bankier Hermann Josef Abs gehörte zu den einflussreichsten Akteuren im Wirtschaftsleben der Bundesrepublik. Sein Großvater väterlicherseits war Schreiner in Euskirchen, sein dort geborener Vater wurde Rechtanwalt und war in den Vorständen und Aufsichtsräten etlicher rheinischer Unternehmen, vor allem im Bergbaubereich, tätig. Die Mutter von Abs stammte aus einer Tuchfabrikantenfamilie, die seit dem 17. Jahrhundert in Euskirchen nachweisbar ist.

Hermann Josef absolvierte nach dem Abitur eine Lehre zum Bankkaufmann beim jüdischen Privatbankhaus Louis David in Bonn, daneben schrieb er sich an der Universität Bonn für Jurisprudenz und Staatswissenschaften ein. Aus finanziellen Gründen konzentrierte er sich bald ausschließlich auf seine Bankkarriere. Von 1921 bis 1923 arbeitete der junge Abs im Kölner Bankhaus Delbrück von der Heydt & Co. Als er diese Bank durch klugen Rat vor einem enormen Verlust bewahrte, durfte er bei voller Bezahlung und zusätzlicher Finanzierung einen mehrjährigen Auslandsaufenthalt antreten. Abs sammelte nun bei Bankhäusern in Amsterdam, Großbritannien, den USA und Lateinamerika internationale Erfahrung und lernte fließend Englisch, Französisch, Spanisch und Niederländisch. Diese internationalen Wanderjahre endeten 1929, als er Prokurist bei Delbrück Schickler & Co. wurde, einem Privatbankhaus, dass 1910 durch die Fusion der Bankhäuser Delbrück Leo & Co. und Gebrüder Schickler entstanden war. Abs zog mit seiner Frau Inez Schnitzler nach Berlin um; dort wurden dem Paar die Kinder Thomas Vincent und Marion Claude geboren. Am 1. Januar 1932 erhielt Abs Einzelprokura bei Delbrück Schickler, drei Jahre später wurde er sogar Teilhaber des bedeutenden Bankhauses. Bei den von ihm zu verantwortenden Geschäften war Abs erfolgreich, sein Renommee innerhalb der Finanzwelt wuchs schnell. Bereits Ende 1936 war der Mittdreißiger Abs – nach Angaben seines Biographen Lothar Gall – in 14 Aufsichtsräten vertreten, weitere kamen bald hinzu, zudem hatte er Vorstandposten wie den bei der Berliner Wertpapierbörse inne. Sein Jahreseinkommen überstieg 700.000 Reichsmark, was weltenweit vom durchschnittlichen Jahreseinkommen etwa eines Facharbeiters entfernt war.

Eine weitere Einflusssteigerung trat ab 1938 ein, als Abs das Angebot der Deutschen Bank annahm, in deren Vorstand einzutreten und die Verantwortung für das Auslandsgeschäft zu übernehmen. Durch seine Position bei der Deutschen Bank, aber auch durch seine zahlreichen Funktionen in Aufsichtsräten und Vorständen anderer Unternehmen, hatte Hermann J. Abs mit vielen wirtschaftlichen Aktivitäten zu tun, die direkt auf der Politik des nationalsozialistischen Staates beruhten. Mehrfach wurde deswegen von Historikern untersucht, wie sein Verhältnis zum NS-Staat war. Dabei wurde einerseits darauf hingewiesen, dass Abs als überzeugter Katholik der NS-Weltanschauung ablehnend gegenüberstand und trotz Drucks kein Mitglied der NSDAP wurde. Andererseits ist davon auszugehen, dass ihm das NS-Gewaltsystem bis hin zu den Vernichtungslagern bekannt war. Was sein konkretes Handeln angeht, so besteht bis heute in der Forschung keine Einigkeit darüber, ob und inwieweit man Abs persönlich für damaliges Unrecht verantwortlich machen kann.

Nach dem Krieg wurde der Spitzenbankier zunächst inhaftiert, schließlich aber als „politisch unbelastet“ eingestuft. Als Abs 1945 nach Hamburg zog, nutzte die britische Besatzungsmacht sein exquisites Fachwissen und ließ sich von ihm finanzpolitisch beraten. Abs setzte sich nun effektiv für einen ökonomischen und politisch-demokratischen Neustart in Deutschland ein. Er war Mitgründer der eminent wichtigen Kreditanstalt für Wiederaufbau und wurde nicht zuletzt als Vertrauter und Finanzberater Adenauers zu einem Hauptakteur der Wirtschafts- und Finanzpolitik, was auch darin zum Ausdruck kam, dass er an Dutzenden von Kabinettssitzungen teilnahm. Das ohnehin hohe Gewicht seines Worts steigerte sich noch, als es dank seiner Verhandlungsführung gelang, die deutschen Auslandsschulden durch das Londoner Schuldenabkommen von 1953 grundlegend zu vermindern und damit das anlaufende deutsche Wirtschaftswunder abzusichern. Seit den frühen 1950er Jahren arbeitete Abs wieder bei Banken, 1957 wurde er Vorstandssprecher der Deutschen Bank, 1967 deren Aufsichtsratschef. Mitte der 1960er Jahre hatte Abs erneut – wie schon vor 1945 – Dutzende von Aufsichtsratsmandaten inne. Der westdeutschen Öffentlichkeit und Politik wurde der gewaltige Einfluss von Abs, den er selbstbewusst zu zelebrieren wusste, zusehends verdächtig. So kam es 1965 zu einer Regelung im Aktienrecht („Lex Abs“), die die Zahl der Aufsichtsratsmandate auf zehn begrenzte – was an der Dominanz von Abs allerdings kaum etwas änderte.

Die Interessen des eloquenten und als charmant geschilderten Bankiers gingen weit über die Wirtschaftswelt hinaus und umfassten Musik – insbesondere Orgelmusik – und Kunst; Abs wurde als bedeutender Mäzen und Kunstsammler geschätzt. Der mit außerordentlich vielen Ehrungen gewürdigte und auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Gebieten engagierte Hermann Josef Abs starb hochbetagt im Februar 1994 in Bad Soden im Taunus.

Verfasser: Gregor Brand

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