Hubert Junker

Alttestamentler und Exegese-Vordenker aus Merlscheid

Im Erntemonat August 1891 wurde den Bauersleuten Simon und Barbara (geb. Leuschen) Junker in dem nur aus ein paar Dutzend Einwohnern bestehenden waldidyllischen Westeifler Weiler Merlscheid in der damaligen Bürgermeisterei Lünebach der Sohn Hubert geboren. 1904 schickten die Eltern den hoch sprachbegabten Jungen auf das noch junge Regino-Gymnasium in die Kreisstadt Prüm, wo er 1911 Abitur machte. In den trügerischen Vorkriegsjahren, als kaum jemand das Ausmaß der bald folgenden Katastrophe des Weltkriegs ahnte, studierte Junker Theologie am Trierer Priesterseminar. Zu seinen Lehrern gehörte als Professor für neutestamentliche Exegese sein Eifler Landsmann Nikolaus Bares, der spätere Bischof von Berlin. Im Gegensatz zu Bares lag Junkers Interesse stärker auf dem Alten Testament. Um sich damit wissenschaftlich beschäftigen zu können, dehnte er seine Beherrschung alter Sprachen zusätzlich zu Latein, Altgriechisch und Hebräisch auf weitere Sprachen des Alten Orients aus. Dieser Lebensabschnitt wurde 1915 mit der Priesterweihe gekrönt, die Junker am 7. August, einen Tag vor seinem 24. Geburtstag, empfing. In seinen folgenden Jahren als Kaplan in Trier-St. Gervasius und Ahrweiler nahmen die Sorgen und Nöte des Weltkriegs großen Raum ein. In Ahrweiler wurde Hubert Junker vermutlich öfters gefragt, ob er mit Hermann Junker (1877–1962) verwandt sei; dieser in Bendorf als Sohn des Buchhalters Stefan Junker geborene Namensvetter war um 1900 ebenfalls Kaplan in Ahrweiler gewesen und wurde später als Ägyptologe berühmt.

Nachdem Hubert Junker 1920 die Prüfung für das Lehramt an höheren Schulen absolviert hatte, wurde er Religionslehrer und Hausgeistlicher am Lyzeum Nonnenwerth. Neben dem Unterricht für die Schülerinnen auf dieser Rheininsel bildete er sich an der Universität Bonn wissenschaftlich fort. 1922 wurde er zum Doktor der Theologie promoviert, 1927 erfolgte die Habilitation für alttestamentliche Exegese und Theologie. Privatdozent Dr. Junker, der 1930 in Nonnenwerth freigestellt wurde, strebte nun eine Professur an. Sein Wunsch auf eine entsprechende heimatnahe Position in Trier ließ sich vorerst nicht verwirklichen. 1931 wurde Junker auf den Lehrstuhl für Alttestamentliche Exegese in Passau an der dortigen Theologischen Hochschule berufen. Von Passau aus machte sich Professor Junker mit seinen Veröffentlichungen schnell einen Namen als Vordenker literarisch orientierter Bibelexegese. Hohe fachliche Aufmerksamkeit fand sein Buch „Die Biblische Urgeschichte in ihrer Bedeutung als Grundlage der alttestamentlichen Offenbarung (Bonn 1932). Junker betonte die Notwendigkeit, bei der Auslegung der alttestamentarischen Texte besonders deren jeweiligen literarischen Charakter zu beachten, sie also nicht eng wörtlich und schon gar nicht einseitig als Aussagen über historische Ereignisse zu verstehen. Diese Herangehensweise an die Bibeltexte war innovativ und keineswegs unumstritten. In den vergangenen Jahrzehnten wiesen Philosophen und Anthropologen wie B. Halaczek, J. Tomczyk und G. Bugajak darauf hin, dass Junker der erste Theologe gewesen sei, der ausdrücklich die Vereinbarkeit der Evolutionstheorie Darwins mit der biblischen Schöpfungsgeschichte behauptete. Diese Sicht Junkers hat sich längst ebenso in der katholischen Kirche durchgesetzt wie sein exegetischer Ansatz. Mit der 1943 veröffentlichten Enzyklika „Divino afflante Spiritu“, in der sich der Papst Pius XII. mit der Geschichte, den Methoden und Zielen wissenschaftlicher Bibelauslegung befasste, wurden Junkers Ideen auch gegen innerkirchliche Widerstände inhaltlich vollauf bestätigt: „Jetzt konnten die kath. Exegeten unbefangen die Ergebnisse der Gattungs- und Traditionsforschung verarbeiten“, kommentierte Prof. Josef Scharbert (1919–1998) im „Lexikon für Theologie und Kirche“ (Bd. 8, 1963) diese wegweisende Entwicklung, wobei er ausdrücklich Hubert Junker erwähnte.

Zum Zeitpunkt dieser Enzyklika war Junker bereits seit fünf Jahren Professor am Bischöflichen Priesterseminar zu Trier, wo er von 1944 bis 1953 zusätzlich den Lehrstuhl für Biblische Sprachen und Einleitungswissenschaft betreute. Zum glänzenden Ruf Trierer Theologen trug Junker auch nach der 1950 von ihm mitinitiierten Gründung der Theologischen Fakultät Trier bei, die er von 1952 bis 1960 als Rektor leitete; die Emeritierung des renommierten Alttestamentlers erfolgte 1962. Ein Jahr zuvor war zu Junkers 70. Geburtstag eine Festschrift („Lex Tua Veritas“) erschienen mit bis heute vielzitierten Beiträgen eminenter Fachgelehrter. Die vom Junker-Schüler Professor Ernst Haag (1932–2017) erstellte Bibliographie listete neben wichtigen Bibel-Kommentierungen (Echter-Bibel) Junkers zahlreiche Beiträge zu schwierigsten Fragen alttestamentarischer Texte auf. Trotz Krankheit blieb der Merlscheider bis zum Lebensende wissenschaftlich aktiv; noch 1970 erschien von ihm eine Abhandlung zum Thema „Der Sinn der sogenannten Ebed-Jahwe-Stücke“, in der er den Begriff des „Gottesknechts“ analysierte. Der 1954 zum Päpstlichen Hausprälaten ernannte Hubert Junker, einer der großen katholischen Exegeten des 20. Jahrhunderts, verstarb am 26. April 1971 in seinem 80. Lebensjahr in Trier.

Verfasser: Gregor Brand

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