Ingo Gerhartz aus Büchel – Inspekteur der Luftwaffe

Der 18. August 2020 wurde zu einem denkwürdigen Tag in der Geschichte der Bundeswehr. 75 Jahre nach dem Holocaust überflogen israelische und deutsche Flugzeuge gemeinsam das ehemalige Konzentrationslager Dachau. Erstmalig nahm in diesem Augustmonat die israelische Luftwaffe an einer Übung über deutschem Boden Teil, bei der die Kampfjets beider Luftwaffen Seite an Seite flogen – alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Angeführt wurden die Soldatinnen und Soldaten der deutschen Luftwaffe bei diesen historischen Ereignissen von einem Eifler: dem in Cochem geborenen Generalleutnant Ingo Gerhartz. Als Inspekteur der Luftwaffe steht er an der Spitze seiner Teilstreitkraft. Generalleutnant Gerhartz war es ein besonderes Anliegen, persönlich eine Willkommensformation von zwei Eurofightern anzuführen, um seinen israelischen Amtskollegen, Generalmajor Amikam Norkin, im deutschen Luftraum zu begrüßen. Die Intensivierung der vertrauensvollen Freundschaft zwischen deutschen und israelischen Kameraden gehört zu seinen besonderen Anliegen.
Der im Dezember 1965 geborene Gerhartz wuchs in seinem Heimatdorf Büchel auf – und damit in unmittelbarer Nähe zu einem der bekanntesten deutschen Fliegerhorste. Von seinem Kinderzimmer aus konnte er die startenden Starfighter beobachten. Der Motorenlärm der Jets wirkte auf den Jungen nicht abschreckend. Im Gegenteil: Schon früh überwogen die Faszination und der Wunsch, selbst als Pilot Kampfflugzeuge fliegen zu dürfen. Hinzu kam im Laufe der Schulzeit die Überzeugung, dass die deutsche Demokratie auch nach außen wehrhaft sein muss und eine leistungsfähige Armee braucht. Nach dem Abitur am Cochemer Gymnasium trat der 19-jährige Wehrpflichtige Gerhartz am 1. Juli 1985 seinen Dienst bei der Luftwaffe im Luftwaffenausbildungsregiment im niederländischen Budel an. Ein Jahr später entschied er sich für die Bewerbung zum Offizier. In den Folgejahren absolvierte er seine fliegerische Ausbildung teilweise in Europa, aber auch in den USA (Texas, Kalifornien). Ab 1990 erlebte der 24-jährige Leutnant Gerhartz beim Jagdgeschwader 71 „Richthofen“ Fliegerei pur: Für acht Jahre standen im ostfriesischen Wittmund die Kampfflugzeuge vom Typ F-4F Phantom II im Mittelpunkt seiner fliegerischen Aufgaben. Nach dem Abschluss der Generalstabsausbildung in Hamburg wurde er Kommandeur beim Jagdgeschwader 73 „Steinhoff“ in Laage – eine Führungsaufgabe, die durch das Waffensystem MiG-29 einen zusätzlichen Reiz für den Jagdflieger Gerhartz erhielt.

Das Jahr 2003 führte Oberstleutnant im Generalstabsdienst (i.G.) Gerhartz in eine erste ministerielle Verwendung. Zwei Jahre lang war er als Referent für Fliegende Waffensysteme zuständig und zudem militärischer Beauftragter für den Eurofighter. 2005 wurde er Sprecher der Luftwaffe sowie der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe (ISAF). Zum Oberst befördert kehrte er im Dezember 2007 in eine Führungsverwendung zurück und wurde Kommodore beim Taktischen Luftwaffengeschwader 31 „Boelcke“ auf dem Fliegerhorst Nörvenich (Kreis Düren). Zu seinen wichtigsten Aufgaben während seiner Kommodore-Zeit gehörte die organisatorisch und militärisch komplexe Umrüstung des Verbands auf den Eurofighter.

Im Juli 2010 erfolgte die Berufung als Gruppenleiter (Planung und Einsatz fliegende Waffensysteme der Luftwaffe) zum Luftwaffenführungskommando nach Köln, ehe Gerhartz 2012 für sechs Jahre erneut in das Verteidigungsministerium wechselte. In Berlin stellte er in unterschiedlichen herausgehobenen Positionen seine exzellenten Qualitäten unter Beweis. So war der Brigadegeneral (seit Oktober 2015) unter anderem Büroleiter des Generalinspekteurs sowie Stellvertreter des Abteilungsleiters der Abteilung Strategie und Einsatz.

Ingo Gerhartz kennt vier Flugzeugtypen aus eigener Erfahrung. Seine inzwischen über 2.500 Flugstunden absolvierte er als Pilot von F-4F, MIG-29, Tornado und Eurofighter. Dies ist selbst für Piloten der Luftwaffe einzigartig. Eine besondere Herausforderung war mit den Flügen im ISAF-Einsatz im Jahr 2009 verbunden, als Gerhartz für acht Monate als Kommodore des Einsatzgeschwaders Mazar-e Sharif und Objektkommandant des afghanischen Camp Marmal – dem größten Bundeswehr-Feldlager außerhalb Deutschlands – eingesetzt war und mit dem Tornado über 50 Einsätze absolvierte. Seine Einsatz- und Führungserfahrung sowie seine vielfältigen ministeriellen Bewährungen qualifizierten ihn bestens für die 2018 erfolgte Ernennung zum Luftwaffeninspekteur und der damit verbundenen Beförderung zum Generalleutnant.

Auch wenn der Dienstsitz des Kommandos Luftwaffe in Berlin und Köln beheimatet ist, wird der Dienstalltag von Generalleutnant Gerhartz von Truppenbesuchen und Dienstreisen in Deutschland bestimmt. Hinzu kommen Treffen mit den Luftwaffenchefs befreundeter Nationen, internationale Übungen und Einsätze der Luftwaffe.

Am Wochenende findet Generalleutnant Gerhartz Ruhe und Erholung bei Wanderungen durch die Eifel. Auch dienstliche Termine machen mitunter einen Besuch in der Heimat möglich: Im Oktober 2019 fand der Besuch des Supreme Allied Commander Europe (SACEUR), General Tod D. Wolters (USA), bei der Luftwaffe im Taktischen Luftwaffengeschwader 33 in Büchel statt. Büchel bietet besondere Vorteile, denn nach dem formellen Programm mit dem Oberkommandierenden der NATO-Streitkräfte in Europa, schloss sich für Generalleutnant Gerhartz ein sehr informeller, privater Termin an: Kaffee und Kuchen im Haus seiner Eltern.
Verfasser: Gregor Brand

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