Jean-Georges Willmar

Luxemburgischer Generalgouverneur aus Prüm

Jean-Georges Willmar
Jean-Georges Willmar

Johann Georg Otto Martin Victorin Zacharias Willmar. Schon diese Vornamenskombination signalisiert, dass der 1763 in Prüm geborene Junge in anderen sozialen Verhältnissen groß wurde als die meisten seiner Westeifeler Zeitgenossen. „Jean-Georges“, wie er später genannt wurde, wuchs als Sohn des Landvogts und Landschultheißen Dr. Johann Kaspar Willmar und dessen Ehefrau Maria Margaretha Tandel in einer Familie auf, die zwar nicht die Vorrechte des Adels genoss, aber sich doch von der Mehrheit der Bauern und Handwerker abhob. In den folgenden Generationen konnten einige Nachkommen des Juristen Johann Kaspar Willmar ihren gehobenen bürgerlichen Status sogar noch ausbauen. Während es Jean-Georges zum Generalgouverneur von Luxemburg brachte, wurden dessen Söhne Premierminister von Luxemburg (Jean-Jacques Willmar) beziehungsweise Kriegsminister in Belgien (Jean-Pierre Willmar). Der bekannte radikaldemokratische Revolutionär und Jurist Viktor Schily (1811–1875) – Urgroßonkel von Ex-Bundesinnenminster Otto Schily – war ein Enkel des Landvogts. Jean-Georges Willmar begann seine höhere Schullaufbahn 1772 auf dem Collège des Jésuites in der Stadt Luxemburg. Ein Jahr später wurde die Schule in Collège royal umbenannt, nachdem der damalige Papst Clemens XIV. den Jesuitenorden verboten hatte. Nächste Station auf dem Karriereweg des Prümers war das Studium der Jurisprudenz an der flandrischen Universität Löwen. 1787 heiratete Willmar, inzwischen Rechtslizentiat und Advokat, die Luxemburgerin Marie-Catherine Graas, Tochter eines aus Tirol stammenden Kaufmanns. Das Paar wohnte in der Stadt Luxemburg, wo auch ihre Kinder Anfang der 1790er Jahre zur Welt kamen. Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete Willmar deren Schwester; aus dieser Ehe ging ein weiterer Sohn hervor.
Überschattet wurde das Familienleben von der Gewalt der politischen Ereignisse. 1795 besetzten französische Revolutionstruppen die Stadt Luxemburg. Die neuen Herrscher, die  das alte Recht radikal veränderten, bildeten das „Wälderdepartement“, das vom französischen Nationalagenten Legier verwaltet wurde. Legier, bedacht auf die Zustimmung der skeptischen Bevölkerung, machte den wegen seiner Redlichkeit angesehenen Juristen Willmar zunächst zu seinem Vertreter (Substitut), dann zusätzlich noch im gleichen Jahr 1795 zum Präsidenten des Strafgerichtshofs. Das waren keine unproblematischen Aufgaben, denn trotz der hehren Revolutionsparolen von Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit litten vor allem die Bauern enorm unter den neuen Abgaben für die Franzosen. Sie waren empört über den Terror der Revolutionäre gegenüber der Geistlichkeit und die radikale Unterdrückung alter katholischer Traditionen. Willmar hielt es für seine Pflicht, Luxemburger und Eifler vor den Folgen des Ungehorsams gegen die Franzosen zu warnen, da dieser „die stärkste Ahndung nach sich ziehet“. Wie begründet seine Befürchtungen waren, zeigte sich 1798 im „Klöppelkrieg“, als die Franzosen den Widerstand Westeifler Bauern gewaltsam niederschlugen. Willmar versuchte ausgleichend zu wirken; der spätere preußische Landrat, Historiker und Eifelfreund Georg Bärsch lobte Willmars Amtsführung. 1800 wurde Willmar Unterpräfekt im Arrondissement Bitburg. In dieser Funktion kümmerte er sich intensiv um alle Belange seines Gebietes vom Ackerbau bis zur Töpferei, vor allem aber auch um die Schulbildung der Kinder. Seine eigenen Söhne ließ er in Luxemburg, Metz und St. Cyr ausbilden. 1805 hielt er sich wegen einer schweren Erkrankung seines Erstgeborenen wochenlang in Paris auf, wofür er hohe Arzt- und Reisekosten in Kauf nahm. Willmars Bitburger Amtsführung war so tadellos, dass er nach Ende der Napoleonsherrschaft zuerst von den Preußen mit hohen Verwaltungsaufgaben betraut wurde, dann auch von König Wilhelm I. der Niederlande, der nun zugleich Großherzog von Luxemburg war. 1817 bestätigte Wilhelm die Ernennung Willmars zum Generalgouverneur. Als höchster Zivilbeamter des neuen Großherzogtums übte Willmar praktisch das Amt eines Regierungschefs aus. Als Gouverneur war er verpflichtet, jede Gemeinde des Großherzogtums zu bereisen. Willmars Berichte über den Zustand Luxemburgs sind bis heute eine wichtige Geschichtsquelle. Auch in diesem hohen Staatsamt erwies sich der Eifler Jurist als überaus fleißiger Staatsdiener, dessen akribische Sorgfalt gefürchtet war. Als es 1830 zur Belgischen Revolution kam, die das gesamte Herrschaftsgefüge von Luxemburg bis nach Holland durcheinanderwirbelte, bedeutete dies für Gouverneur Willmar eine extreme Belastung. Da er sich weigerte, Luxemburg als Teil des neu entstehenden Staates Belgien zu akzeptieren, erklärte man ihn in Brüssel für abgesetzt, was er für unwirksam hielt. Als ihm auch Wilhelm I. am Jahresende 1830 seine Unterstützung aufkündigte, war die Grenze seiner Belastungsfähigkeit erreicht. Nur wenige Stunden später, am Neujahrstag 1831, starb Jean-Georges Willmar plötzlich und unerwartet. Verfasser: Gregor Brand

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