Johann Heinrich Offermann

213_offermann_47_14– Mährischer Tuchunternehmer aus Monschau

Seit dem späten 18. Jahrhundert entwickelte sich die südmährische Stadt Brünn zu einem Zentrum der industriellen Tuchproduktion im österreichischen Habsburgerreich. An dieser Entwicklung waren Nordeifler Unternehmer maßgeblich beteiligt. Zu den Gründervätern der mährischen Textilindustrie gehört neben dem Monschauer Wilhelm Mundy (1742 – 1805) dessen Landsmann Johann Heinrich Offermann. Auf ihn geht die bedeutende und schließlich geadelte österreichische Unternehmerdynastie von Offermann zurück.

Der 1748 in Monschau geborene Johann Heinrich war ein Sohn der Eheleute Wilhelm Offermann und Gertrud Floß. Die lutherischen Offermanns, verwandtschaftlich verbunden mit der berühmten Tuchmacherfamilie Scheibler, hatten ihre Wurzeln in dem nördlich von Monschau gelegenen Dorf Imgenbroich. Von dort aus legte Johann Heinrichs Großvater Matthias Offermann (1672 – 1744) mit außergewöhnlicher Energie den Grundstock für den familiären Aufstieg zu Tuchfabrikanten großen Stils. Sicherlich bereits mit gründlichem Fachwissen ausgerüstet, machte sich Johann Heinrich um 1770 auf den Weg nach Brünn. In der dortigen 1765 gegründeten staatlichen Tuchmanufaktur arbeitete er einige Jahre als Kassierer, strebte aber konsequent die Selbständigkeit an. 1786 war es soweit: Ausgestattet mit einer kaiserlichen Konzession gründete J. H. Offermann in Brünn seine eigene Tuchmanufaktur. Es war die mittlerweile vierte in der Stadt, wobei die Hälfte davon auf Eifler zurückging: Bereits 1780 hatte Wilhelm Mundy ebenfalls einen Betrieb zur Tuchproduktion eröffnet.

Auch wenn diese Betriebe häufig als Manufakturen bezeichnet wurden, so wurde in ihnen doch überwiegend nach dem neuen Fabriksystem gearbeitet. Offermanns Fabrik florierte, bereits wenige Jahre später trug sie entscheidend dazu bei, dass Brünn zu einem weitausstrahlenden Zentrum der Tuchfabrikation wurde. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts arbeiteten Tausende von Beschäftigten in den mittlerweile 15 brünnschen Tuchfabriken. In einer Analyse aus dem Jahr 1908 führte Dr. Alfred Oberländer, Konzipist der Brünner Handels- und Gewerbekammer, diesen Aufschwung auf eine gezielte staatliche Industrieförderung zurück. Diese Politik verband sich mit einer strengen Prohibitivstrategie, die auswärtige konkurrierende Industrieprodukte verbot – was der einheimischen Industrie zunächst freie Fahrt gewährte. Noch günstiger wurden die Bedingungen für die mährischen Tuchfabrikanten, als infolge der napoleonischen Kontinentalsperre durch ein Einfuhrverbot die bis dahin übermächtig erscheinende britische Konkurrenz vom Kontinent ferngehalten wurde. Im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts veränderten sich die Rahmenbedingungen für die österreichische Textilindustrie mehrfach radikal; das von J. H. Offermann gegründete Unternehmen verstand es, sich bis ins 20. Jahrhundert hinein in diesen Fährnissen zu behaupten.

Im Jahr 1839 wurden in der Zeitschrift „Moravia“ des Brünner Buchdruckers Rudolph Rohrer die großartigen Einrichtungen der Feintuchfabrik Johann Heinrich Offermann gefeiert. Über den Hauptbetrieb „der berühmten Feintuchfabrik“ wusste der Autor zu berichten, dass in zwei Stockwerken sechs große Säle waren, in denen die „vorzüglichsten, größtentheils durch Dampf getriebenen mechanischen Vorrichtungen sich vorfinden“. Beeindruckt registrierte der zeitgenössische Beobachter die Sauberkeit der Räume, den feinen, geräuschlosen Gang der Maschinen und erkannte in dem Ganzen kluge Planung und rationelle Anordnung. Zu jener Zeit – um 1840 – arbeiteten in der Brünner Tuchindustrie etwa 18.000 Beschäftigte. 24 Dampfmaschinen mit insgesamt 262 Pferdestärken komplettierten dieses Bild – mehr hatte damals keine andere österreichische Stadt aufzuweisen. Inzwischen befand sich in der mährischen Tuchmetropole sogar noch ein weiterer Großbetrieb Eifler Provenienz: Der Dürener Großindustrielle Philipp Wilhelm Schoeller (1797 – 1877) führte seit 1823 ebenfalls sehr erfolgreich ein Tuchunternehmen in Brünn. In dem schoellerschen Betrieb war 1824 die erste Dampfmaschine und 1827 die erste Gasbeleuchtung einer Fabrik in Österreich eingeführt worden. Diese Neuerungen zeigten einmal mehr die technologische Aufgeschlossenheit jener Eifler Unternehmeremigranten: „Nur Offermann und Schoeller besaßen Dampfmaschinen“, stellte später der Brünner Bürgermeister und Historiker Christian d’Elvert fest.

Johann Heinrich Offermann selbst erlebte allerdings die rasante Entwicklung im 19. Jahrhundert nicht mehr, da er bereits 1793 in Brünn als Mittvierziger verstorben war. Aus seiner Ehe mit der Pressburgerin Maria Elisabeth Schäffer (1766 – 1834) hinterließ er mehrere Kinder. Sein jüngster Sohn, der den in den folgenden Generationen wiederkehrenden offermannschen Leit-Vornamen Karl trug, führte das Unternehmen fort und baute insbesondere die internationalen Verbindungen weiter aus. In der Monschauer Heimat ist gerade in jüngster Zeit die Erinnerung an die große Tuchfabrikantenfamilie aus Imgenbroich nicht zuletzt durch eine Filmdokumentation wieder lebendiger geworden.
Verfasser: Gregor Brand

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