Johannes Klais

Orgelbauer aus Lüftelberg

Das Gebiet zwischen Köln und Trier bringt seit Jahrhunderten sowohl herausragende Organisten als auch große Orgelbauer hervor. Was den Orgelbau betrifft, so zählt „Johannes Klais Orgelbau“ weltweit zur Crème de la Crème der traditionsreichen Branche. Das Familienunternehmen wurde noch im 19. Jahrhundert von Johannes Klais gegründet und wird heute von Philipp Klais, einem Urenkel des Gründers, geführt. Es ist Paradebeispiel eines „Hidden Champion“, wie Hermann Simon diese Art von Weltmarktführern mit seinem international so berühmt gewordenen Ausdruck definiert. Über die Klais-Orgeln schrieb Caterina Lobenstein 2015: „Sie stehen im Kölner Dom und in den Twin Towers von Kuala Lumpur, im größten Konzertsaal von Buenos Aires und im Pekinger Nationaltheater.“ Neben weiteren eindrucksvollen Standorten könnte man auch den Trierer Dom nennen oder die neue Hamburger Elbphilharmonie, deren Orgel ebenfalls von Johannes Klais Orgelbau stammt.
Johannes Klais kam 1852 als viertes Kind der Eheleute Gerhard Klais (1813–1892) und Anna Katharina Drügh (1811–1892) in Lüftelberg (heute: Meckenheim) zur Welt. Sein Vater war zwar unternehmerisch tätig, aber dessen Tätigkeitsfeld hatte nichts mit Orgelbau zu tun: Gerhard Klais betrieb eine Ziegelbrennerei, in der die weitbekannten Lüftelberger Dachziegel gefertigt wurden. Da Sohn Johannes anfangs ebenfalls Dachziegelbrenner werden sollte, absolvierte dieser nur die Volksschule in Lüftelberg; zu seinen Schulfreunden gehörte Anton Becker (1853–1899), der sich als Architekt im Raum Bonn einen Namen machte. Wie andere Familienmitglieder, so verfügte auch Johannes nicht nur über hohe technisch-handwerkliche Begabung, sondern auch über musische Neigung und Talente, die bald zur beruflichen Umorientierung führten. Er erhielt Klavier- und Orgelunterricht bei einem Verwandten, dem in Lüftelberg geborenen Orgelbauer Wilhelm Bertram, und gewann in dessen Werkstatt in Engers erste gründliche Einblicke in den Bau von Orgeln. Bertram war ein innovationsfreudiger Orgelbauer und gefragter Spezialist, wenn es um die Reparatur von Orgeln ging. Klais setzte seine Ausbildung im Elsass fort, wo der Orgelbauer Heinrich Koulen (1845–1919) in Straßburg kurz zuvor eine erfolgreiche Orgelbauwerkstatt gegründet hatte. 1882 wagte Johannes Klais den Sprung in die Selbständigkeit und errichtete in der Breite Straße zu Bonn seine eigene Orgelbauwerkstatt. Bauherr des Gebäudes, das Familienwohnung und Werkstatt gleichzeitig umfasste, war sein Vater, aber Johannes hatte noch von Straßburg aus bei der konkreten Planung gezielt mitgewirkt. Von dort brachte er auch den Orgelbauer Wilhelm Korn mit, der zu einem Hauptmitarbeiter wurde. Insgesamt war es unternehmerische Leitlinie von Gründer Klais, „gediegene Arbeit“ zu liefern und die Mitarbeiter dafür gut zu entlohnen.
Trotz günstiger Kostenvoranschläge hatte es Klais als Neuling anfangs schwer, das Vertrauen potenzieller Kunden, also vor allem von Kirchengemeinden, zu gewinnen. Nur mit großem persönlichem Einsatz konnte er nach und nach Pfarrer und Kirchenvorstände davon überzeugen, Bau oder aufwändige Reparatur einer Orgel seinem Betrieb anzuvertrauen. Dieses Werben fiel Johannes Klais nicht leicht, denn er war ein stiller und zurückhaltender Mann und entsprach stärker dem Bild des introvertierten Tüftlers und Bastlers als dem eines extrovertierten Verkäufers. Recht schnell breitete sich allerdings der Ruf seiner Qualitätsarbeit aus und bereits 1893 konnte Klais stolz auf rund 70 Orgeln verweisen, die von seiner Werkstatt und den etwa 65 Mitarbeitern gebaut worden waren. Der Erfolg des Unternehmens machte Umzüge und Neubauten erforderlich, bei denen Klais jedoch dem Standort Bonn treu blieb, wo er durch seine Heirat mit Anna Margareta Kerp (1856–1926) auch familiär Wurzeln schlug und Vater von zwei Töchtern und einem Sohn wurde.
Wie Deutschland insgesamt, so wurde auch das Klais-Familienunternehmen durch den Weltkrieg bis ins Mark erschüttert. Die meisten der hochspezialisierten Mitarbeiter, darunter auch der Sohn Hans Klais (1890–1965), wurden eingezogen, so dass Mitte 1915 nur noch etwa 15 Beschäftigte den Betrieb aufrechterhielten. Die Sorge um diese Beschäftigten setzte dem Seniorchef Johannes Klais vor allem auch seelisch schwer zu. Nach Kriegsende nahmen die wirtschaftlichen Nöte im nunmehr französisch besetzten Rheinland überhand. Heftige Preisschwankungen und extreme Inflation ließen zuverlässige Kalkulationen für die Kunden oft kaum noch zu. So wurden die letzten Lebensjahre von Johannes Klais von düstersten Sorgen verdunkelt. 1922 musste Sohn Hans Klais einem säumigen Kirchenvorstand mitteilen, dass sein Vater zusammengebrochen und erkrankt sei und für sich selbst eingestehen: „Ich weiß mich der Sorgen nicht mehr zu erwehren.“ (zitiert nach Helmut Vogt).
Johannes Klais starb am 11. April 1925, einem Karsamstag, und wurde in der Familiengruft auf dem Bonner Nordfriedhof beigesetzt. Dass seine Gründung „Johannes Klais Orgelbau“ in den folgenden Generationen unter der Führung von Sohn, Enkel und Urenkel als mittelständisches Unternehmen von Weltruf erfolgreich sein würde, musste damals als illusionärer Traum erscheinen.

Verfasser: Gregor Brand

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