Johannes Meerfeld

Politiker und Journalist aus Euskirchen

204_meerfeld_38_14Als der SPD-Vorsitzende Ebert 1919 erster deutscher Reichspräsident wurde, symbolisierte sein Aufstieg vom gelernten Sattler zum deutschen Staatsoberhaupt – und insofern Nachfolger des Kaisers – den revolutionären Wechsel in der Politik, der nach der Weltkriegsniederlage stattgefunden hatte. In der Weimarer Nationalversammlung, die Ebert zum Reichspräsidenten wählte, gab es noch einen weiteren ausgebildeten Sattler: den 1871 in Euskirchen geborenen Abgeordneten Johannes (auch: Johann, Jean) Meerfeld. Der Sozialdemokrat Meerfeld erreichte zwar nicht so hohe politische Positionen wie Ebert, erwarb sich jedoch Verdienste, die nicht der Vergessenheit anheimfallen sollten. Meerfelds biographischer Hintergrund liegt bis jetzt in beinahe auffälligem Dunkel. Bekannt ist nur, dass sein Vater Gärtner war; darüber hinaus kann man aufgrund des Nachnamens vermuten, dass seine Familie ursprünglich aus der Vulkaneifel stammte. Ins Licht der Öffentlichkeit trat der Euskirchener im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts, als er nach Volksschule und Sattlerlehre anfing, sich politisch zu betätigen.

Nicht lange nach seinem Eintritt in die SPD 1893 wurde Sattlergeselle Meerfeld zunächst Redakteur der Rheinischen Zeitung, schließlich sogar langjähriger Chefredakteur dieser auflagenstarken sozialdemokratischen Tageszeitung. Sowohl seine politisch-publizistische Arbeit als auch  Meerfelds Reichstagsreden lassen erkennen, dass er sich auf autodidaktischem Weg enormes Wissen und eine geschliffene sprachliche Ausdruckskraft erworben hatte. In den Jahren des Weltkriegs rückte Meerfeld in die vordere Reihe der rheinischen Sozialdemokratie; 1917 wurde er Mitglied des Reichstags.

Nach Kriegsende wählten die Menschen seiner Heimatregion zwischen Nordeifel und Köln den Euskirchener zunächst in die verfassunggebende Nationalversammlung, dann auch in den ersten volldemokratisch gewählten Reichstag der Weimarer Republik. Als politischen Hauptgegner betrachtete Johannes Meerfeld neben den Links- und Rechtsextremen die katholische Zentrumspartei. Ursprünglich Katholik, hatte sich Meerfeld längst vom Katholizismus abgewandt. Im Reichstag warf er dem Zentrum nicht nur Wahlkampf „auf der untersten Stufe politischer Verwahrlosung“ vor, sondern beklagte bei der Ursachenanalyse des Weltkriegs „das gänzliche Versagen des Katholizismus bei dieser Völkerkatastrophe“. Trotz solch scharfer Töne galt der Mehrheitssozialdemokrat Meerfeld generell keineswegs als Radikaler.

Im Weimarer Verfassungsausschuss setzte er sich bei der Neuregelung des Verhältnisses von Staat und Kirche ebenso für einen Ausgleich der extremen Positionen ein wie bei vielen anderen Gelegenheiten. Keinen Kompromiss kannte er dagegen bei der Ablehnung separatistischer Tendenzen, wie sie im Rheinland nach dem Krieg aufkamen. Das gewaltsame Vorgehen der belgischen Behörden gegen die deutschsprachige Bevölkerung in Eupen-Malmedy kritisierte er heftig.  Neben seinem Einsatz im Berliner Reichstag bildete Köln zunehmend das Zentrum der politischen Arbeit Meerfelds. Als sich der neue Kölner Oberbürgermeister Adenauer vehement für die Neuerrichtung der Kölner Universität engagierte, wurde der Sozialdemokrat Meerfeld einer seiner Hauptmitstreiter und „eine sehr wertvolle Hilfe“ (K. Adenauer). Nach dem Erfolg dieses Projekts erhielt Meerfeld die Ehrendoktorwürde der Universität Köln. In seinem äußeren Erscheinungsbild entsprach Dr. Meerfeld, wie er nun meist genannt wurde, dem Image eines akademisch gebildeten Spitzenbeamten, wie nicht zuletzt eine Meerfeld-Aufnahme des berühmten Fotografen August Sander aus dem Jahr 1928 festhält.

Zu diesem Zeitpunkt war Dr. Meerfeld einer der wichtigsten rheinischen Politiker. Von 1920 bis 1933 stand er als Beigeordneter und Dezernent für Kultur und Volksbildung hinter Adenauer an der Spitze der Kölner Verwaltung. Zu Meerfelds Hauptanliegen zählte die nachhaltige Förderung des Musiklebens; er setzte sich erfolgreich dafür ein, „in Köln den Mittelpunkt musikalischen Lebens in Westdeutschland entstehen zu lassen“ (V. Frielingsdorf); maßgeblich auf Meerfeld geht die Kölner Musikhochschule zurück. Während die Zusammenarbeit mit Adenauer trotz der Parteigegensätze harmonisch funktionierte, wurde Meerfelds Kulturpolitik insbesondere von nationalistischer Seite angegriffen. Nach der Machtübernahme Hitlers gingen die Nazis sofort gegen Dr. Meerfeld vor. Im März 1933 wurde er kurzzeitig inhaftiert, bald darauf offiziell aus seinem Amt entfernt. „In tiefem Unmut über diesen erzwungenen Abschluß seiner Laufbahn zog er sich damals in die Abgeschiedenheit der Eifel zurück“ heißt es über seine folgenden Lebensjahre in einem Artikel zu seinem 80. Geburtstag. Nach 1945 engagierte sich der Euskirchener für den Neuaufbau der SPD. Bereits nach dem 1. Weltkrieg hatte er es als politische Hauptaufgabe bezeichnet, „den Menschen und der Menschheit die Würde zurückzugeben“; das galt für ihn nun erst recht.  Dr. Meerfeld starb 1956; seine Heimatstadt benannte eine Straße nach ihm. Verfasser: Gregor Brand

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