Karl Eschweiler

– Theologe aus Euskirchen

Nicht nur für den in Augsburg lehrenden Dogmatiker Thomas Marschler (geb. 1969) gehört Karl Eschweiler zu den interessantesten katholischen Theologen der Weimarer Republik. Marschler gab mehrere Hauptwerke Eschweilers heraus, ließ sie digitalisieren und verfasste eine wissenschaftliche Biografie des 1886 in Euskirchen geborenen Theologen. Das Interesse an Eschweiler beruht einerseits auf seinem theologischen Werk, andererseits auch auf dem provozierenden Umstand, dass er nach 1933 Nationalsozialismus und Katholizismus für vereinbar erklärte. Zudem stand Eschweiler in vertrautem Kontakt mit dem gleichfalls eifelstämmigen Staatsrechtler Carl Schmitt, der zu den meistdiskutierten Rechtsdenkern des 20. Jahrhunderts zählt. 

Karl Eschweiler, Sohn des Schmiedemeisters Joseph Eschweiler und dessen Ehefrau Anna Maria geb. Diefenthal, besuchte das humanistische Gymnasiums seines Heimatorts. Nach dem Abitur 1906 studierte er Theologie und Philosophie in Bonn und München. 1909 promovierte er in Bayern beim Philosophen und späteren Reichskanzler Georg von Hertling (1843 – 1919) über „Die ästhetischen Elemente des hl. Augustin“. 1910 erhielt Dr. phil. Eschweiler die Priesterweihe, anschließend wirkte er als Kaplan im Erzbistum Köln. Im Weltkrieg erlebte der junge Geistliche als Militärseelsorger an der Westfront das Kriegsgeschehen aus unmittelbarer Nähe. Wie für viele andere, so waren auch für ihn die lebensprägenden Kriegserfahrungen Anlass für kritische Fragen an den geistesgeschichtlichen Gang der europäischen Geschichte. Um seine theologischen Kenntnisse zu vertiefen und sich höher zu qualifizieren, nahm er die Arbeit an einer Dissertation auf. 1921 reichte Eschweiler in Bonn die mit „summa cum laude“ bewertete Arbeit „Der theologische Rationalismus von der Aufklärung bis zum Vatikanum. Ideengeschichtliche Studien zur theologischen Erkenntnislehre“ ein. Nur ein Jahr danach erfolgte Eschweilers Habilitation für das Fach „Scholastische Philosophie und theologische Erkenntnislehre (Apologetik)“. Grundlage dafür war seine inhaltlich an die Dissertationsthematik anschließende Habilitationsschrift „Die Erlebnistheologie Johann Michael Sailers als Grundlegung des theologischen Fideismus in der vorvatikanischen Zeit. Ein ideengeschichtlicher Beitrag zur theologischen Erkenntnislehre“. Eschweiler konzentrierte sich darin auf die Gedankenwelt des oberbayerischen Theologen und Bischofs Johann Michael Sailer (1751-1832), „der wie kein anderer auf seine Zeitgenossen erweckend gewirkt und heute von neuem auf die religiös bewegten Geister zu wirken begonnen hat“, wie der Bonner Professor Arnold Radermacher (1873 – 1939) damals bei der Beurteilung von Eschweilers Arbeit bemerkte. Eschweiler glaubte nachweisen zu können, dass Sailer Fideist gewesen war – also die christliche Erkenntnis durch den Glauben (fides) weit höher gestellt habe als die durch menschliche Vernunft. Diese Einschätzung war brisant. Der rationalitätskritische Fideismus wurde in den vergangenen Jahrhunderten mehrfach offiziell verworfen, so etwa auch durch Papst Johannes Paul II, der die Auffassung bekräftigte, dass katholische Gotteserkenntnis zwar auf Glauben, aber eben auch auf Vernunfterkenntnis beruht. 1926 widmete sich Privatdozent Eschweiler in seinem Buch „Die zwei Wege der neueren Theologie“ (1926) erneut diesen Grundfragen theologischer Erkenntnis. Er kritisierte die von Jesuiten geprägte einflussreiche spanische Barockscholastik und stellte ihr die Auffassung des von ihm als Genie verehrten Theologen Matthias Joseph Scheeben (1835 – 1888) gegenüber. Eschweilers Schrift machte ihn schlagartig unter deutschen Theologen bekannt; starke Kritik kam verständlicherweise von jesuitischer Seite. 1928 wurde Eschweiler, der zuvor auch Seelsorger in Berkum bei Bonn gewesen war, ordentlicher Professor für systematische Theologie an der ermländischen Akademie im ostpreußischen Braunsberg. Als sich Anfang der 1930er Jahre die politischen Verhältnisse verschärften, wurde deutlich, dass Eschweiler – im Gegensatz zum politischen Katholizismus – einen Staat erstrebte, der die Kirche zwingt, sich nur auf ihren geistlichen Auftrag zu konzentrieren. 1933 glaubte er, dass der NS-Staat dieses Ziel verwirklichen werde und trat der NSDAP bei. Als es im Juli 1933 zum Reichskonkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich kam, war Eschweiler davon enttäuscht. Da er sich vom Hitler-Staat aber eine kulturelle Erneuerung und eine Stärkung des Katholizismus versprach, nahm er sich vor, „nun gerade für den Nationalsozialismus theologisch und philosophisch zu kämpfen“. Auch wenn viele Katholiken Hitlers Machtübernahme begrüßten, so stieß die Einstellung Eschweilers auf innerkirchliche Kritik. Der schwelende Konflikt spitzte sich zu, als sich Eschweiler gutachterlich positiv zum „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ vom 14. Juli 1933 äußerte. Das Gesetz sah – konträr zur katholischen Lehre – vor, dass der Staat Sterilisationen anordnen durfte. Durch Dekret der römischen Konzilskongregation wurde Professor Eschweiler 1934 in Braunsberg von seiner katholischen Lehrberechtigung suspendiert. Als die Suspendierung im Frühherbst 1935 zurückgenommen wurde, hatte er keinen großen Nutzen mehr davon. Nur ein Jahr später verstarb der Fundamentaltheologe, erst 50-jährig, in Berlin.

Verfasser: Gregor Brand

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