Karl Wilhelm Arnoldi

Arzt und Naturforscher aus Winningen

Angehörige der Familie Arnoldi gehörten seit dem 17. Jahrhundert zur Bildungselite des evangelischen Bürgertums im Untermoselraum. Über Generationen stellten sie evangelische Pfarrer in Trarbach, etwa Johann Justus Arnoldi (1626 – 1692), ehe sich mehrere Arnoldis anderen Gebieten zuwandten. So wurde der Trarbacher Jurist Ernst Christoph Arnoldi (1696 – 1744) Hochschullehrer in Gießen, dessen Sohn Johann Ludwig Ferdinand Arnoldi Theologe und Taubstummenpädagoge. Den Winninger Zweig der Arnoldis zog es vor allem zur Medizin. Wie der hier vorgestellte Karl Wilhelm, so war auch sein gleichnamiger Vater Dr. Karl Wilhelm Arnoldi bereits Arzt. Aus der Ehe dieses älteren Karl Wilhelm mit Johanna Carolina von Ey ging der 1809 in Winningen geborene Karl Wilhelm Arnoldi jr. hervor. Er besuchte das Gymnasium in Koblenz und studierte dann drei Jahre lang Medizin an der Universität Bonn. 1830 wechselte der Medizinstudent an die Universität Halle, wo der renommierte Professor für Pathologie und Therapie Peter Krukenberg (1788 – 1865) sein wichtigster Lehrer wurde.

1831 legte Arnoldi seine lateinische Dissertation über einige Ursachen von Herzerkrankungen vor. Er widmete die Arbeit seinem älteren Bruder Dr. Friedrich August Arnoldi, der später als Arzt in Altenkirchen wirkte. Nach erfolgreicher Ausbildung praktizierte Karl Wilhelm Arnoldi in Winningen; nach einigen Jahren wurde er zum Distriktarzt ernannt. Bei seinen Therapien verwendete er auch von ihm selbst entwickelte Arzneien, so z. B. ein spezielles Öl, das bei Erkrankungen, die von der Wirbelsäule ausgehen, effektive Hilfe versprach. Ebenfalls hilfreich sollte das Belltaler Mineralwasser aus einer Quelle unweit von Winningen sein, deren Gebiet Arnoldi zu Eigentum erworben hatte. Sowohl durch seine Arzttätigkeit als auch durch seine überlegene Intellektualität wurde Arnoldi bald zu einer hoch geachteten Persönlichkeit im Untermoselraum. In seinem Wohnhaus trafen sich die Mitglieder des geistig anspruchsvollen Schülerbundes der Euterpier – zu ihnen gehörten später bekannt gewordene Persönlichkeiten wie F. W. Raiffeisen, Julius Baedeker oder der Theologe Albrecht Schöler. Kennzeichnend für Arnoldi war seine Fähigkeit, auf unterschiedlichen Gebieten mit hohem Sachverstand mitreden zu können. Er veröffentlichte nicht nur medizinische Fachbeiträge, etwa „Beobachtungen und Bemerkungen über den Wirbelgelenkrheumatismus“ (1841), sondern kannte sich auch in Geschichte, Geologie und Paläontologie aus. Aufmerksam registrierte und notierte er Naturvorkommnisse in seiner Umgebung mit wissenschaftlicher Exaktheit. Dazu zählten Temperaturmessungen, Krankheitsfälle oder etwa die Anzahl der Selbstmorde. Bei seinen Touren bewies er einen geschulten Blick für seltene Pflanzen und erdhistorische Besonderheiten. Arnoldi entdeckte Fossilien mit dem Abdruck von urmeerzeitlichen Ophiuren (Schlangensterne), von denen einer nach ihm benannt wurde (Encrinaster arnoldi); diese Unterart der Stachelhäuter ist verwandt mit der eifeltypischen Form Encrinaster uedersdorfensis, die im 20. Jahrhundert gefunden wurde.

Ein Gebiet, das den Arzt Dr. Arnoldi besonders beschäftigte, war der Bereich psychischer Erkrankungen, besonders der Melancholien – also das, was heute unter dem Begriff der Depression gefasst wird. Arnoldi traf in seinem Amtsbezirk viele Fälle von Melancholie an und stellte fest, dass Selbstmord dort keine seltene Erscheinung war. Seine eigenen Überlegungen zur Ursache der „melancholischen Angst“ fasste er 1857 in einem Vortrag bei der 33. Versammlung deutscher Ärzte und Naturforscher in Bonn zusammen. Er war sich durchaus bewusst, dass die Anfänge dieser melancholischen Erkrankungen im schwer abgrenzbaren Grenzgebiet zwischen psychischer und somatischer Erkrankung lagen, sah aber die Hauptursache im körperlichen Bereich – und zwar speziell in einer krankhaften Veränderung der Wirbelsäule (Spinalrheuma). Unter Rückgriff auf eigene Untersuchungen und Hinzuziehung der Fachliteratur stellte er die These auf, „dass jede ausgeprägte melancholische Verstimmung von einer durch das Spinalrheuma bedingten Beschränkung des Athmens ausgeht“. Diese Sichtweise hatte unter anderem die Konsequenz, dass er auf Depressionen beruhende Suizide nicht als moralisch vorwerfbare Selbstmorde ansah, sondern als Folge einer unverschuldeten körperlichen Erkrankung.

Ein weiteres Hauptfachgebiet des Winninger Arztes war der Weinbau. Er war selbst Weinbergsbesitzer, arbeitete in Weinbaukommissionen mit und veröffentlichte bis in sein Todesjahr hinein zu vinologischen Fragen. Der meistbeachtete Beitrag waren seine 1869 publizierten „Vorschläge zur Förderung des Weinbaues an der Mosel und Saar“ (1869). Darin befasste er sich mit erneut eindrucksvoller Sachkenntnis detailliert mit den wichtigsten Aspekten des moselländischen Weinbaus – sei es dessen Geschichte, aktuelle ökonomische Fragen, Rebsorten, Anbau, Qualität und anderes mehr.

Dr. Karl Wilhelm Arnoldi, Mitglied angesehener wissenschaftlicher Gesellschaften, starb im Jahr 1876. Sein Sohn Richard (geb. 1849 in Winningen) wurde ebenfalls Arzt; wie sein Vater war er geschichtlich hoch interessiert. Dr. Richard Arnoldis „Katalog der Sammlung römisch-germanischer Altertümer“ (1887) fand ebenso Beachtung wie seine lokalen archäologischen Entdeckungen.

Verfasser: Gregor Brand

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