Kinder der Eifel- aus anderer Zeit

Reiner Keller – Hydrologe aus Jünkerath

Der Aachener Gymnasialprofessor Hubert Marjan (1838-1895) vermutete, der Name der Eifel leite sich von einem vorrömischen Wort für Wasser ab. Diese Deutung blieb nicht unwidersprochen; weitere Theorien folgten, und bis heute besteht die Unsicherheit über die Namensherkunft fort. Sicher ist demgegenüber, dass mit dem 1921 in Jünkerath-Glaadt geborenen Reiner Keller ein Eifler zu den großen Wasserwissenschaftlern des 20. Jahrhunderts gehört.
Reiner Keller war ein Sohn des Volksschullehrers August Keller und dessen Ehefrau Therese Schumacher. Lehrer Keller unterrichtete seit 1909 in der einräumigen Schule in Glaadt und war im Gemeindeleben eifrig engagiert; 1934 wurde er Hahnenkönig und von 1934 bis 1936 leitete er den VfL Jünkerath. In diese Zeit fallen die Erfolge des Vereinsmitglieds Peter Pitzen, der im 100-Meter-Lauf Deutscher Studentenmeister und Juniorenmeister wurde. Ob Medizinstudent Pitzen später ähnliche Berufsleistungen erbracht hätte wie sein gleichnamiger Jünkerather Verwandter, der herausragende Orthopäde und Medizinprofessor Peter Pitzen (1886-1977), lässt sich nicht sagen, denn der jüngere Peter Pitzen wurde Opfer des Weltkriegs.
1940 nahm Reiner Keller das Studium an der Uni Bonn auf. Er wählte zuerst Mathematik und Physik, fügte diesen aber bald Geographie und Geologie hinzu. Da die meisten Mathematikdozenten einberufen wurden, konzentrierte sich Keller auf seine Doktorarbeit beim Geographen Carl Troll (1899-1975), einem Vordenker der Landschaftsökologie, der seit 1938 den Lehrstuhl für Geographie innehatte. Mit einer Studie über „Witterung und Lufttemperatur im Rheinischen Schiefergebirge“ promovierte Keller 1944 zum Dr. rer. nat., ehe auch er zur Wehrmacht eingezogen wurde. Kurz nach Kriegsende stellte Professor Troll den Westeifler als Wissenschaftlichen Mitarbeiter ein. Kellers Aufgabenbereich umfasste komplexe Aspekte des Wasserhaushalts. Er arbeitete an einer Bestandsaufnahme von Wasserüberschuss- und Wassermangelgebieten mit und führte hydrologische Studien zum Rheinland durch. Diese Forschungen mündeten 1951 in seine Habilitationsschrift „Natur und Wirtschaft im Wasserhaushalt der rheinischen Landschaften und Flußgebiete“. Keller heiratete seine Kollegin Dr. Margareta Haffenegger, die 1951 eine Abhandlung „Zur Hydrochemie des Grund- und Quellwassers in den nördlichen Rheinlanden“ veröffentlichte. Nach erfolgreicher Habilitation wurde Keller mit der Leitung der Abteilung für Klima- und Gewässerkunde am Bonner Geographischen Institut beauftragt. Im Lauf der 1950er Jahre verschaffte er sich schnell bemerkenswerte fachliche Anerkennung. Früh war Keller „ein Hydrologe von hoher Geltung“, wie der französische Wasser- und Flusswissenschaftler Maurice Pardé (1893-1973) schrieb. Mehrere mit Wasserfragen befasste Einrichtungen zogen Keller zur Mitarbeit heran. Dazu gehörte die Deutsche Forschungsgemeinschaft, für die er zum zentralen Hydrologie-Experten wurde.
Wenige Jahre nach seiner Ernennung zum Geographie-Professor in Bonn legte Keller mit dem Buch „Gewässer und Wasserhaushalt des Festlandes“ (1961) eine umfassende Einführung in die Hydrogeographie vor. Dass er im Titel nicht den Ausdruck „Hydrologie“ verwendete, erklärte der Hydrologe Hans-Jürgen Liebscher mit innerwissenschaftlichen Differenzen um die Reichweite des Begriffs. Keller selbst hielt von diesen Abgrenzungsversuchen wenig: „Das Wasser lässt sich nicht zerschneiden und es kann nicht auf den Teller einer jeden Disziplin ein Stück gelegt werden“. Ihm selbst kam es – darin beeinflusst durch seinen Lehrer Carl Troll – darauf an, den landschaftsökologischen Aspekt des Wassers hervorzuheben.
1965 folgte Keller einem Ruf auf eine Professur in Freiburg, wo er zum Wegbereiter der universitären Hydrologie wurde. Wasserforschung auf hohem Niveau gab es zwar in Deutschland schon lange – man könnte hier auf Reiner Kellers Namensvetter Hermann Keller (1851-1924) verweisen. Aber als eigenständiges Fach existierte die Hydrologie an deutschen Universitäten bis dahin nicht. Dieses Manko hatte für den Berufsweg von Geowissenschaftlern ungünstige Auswirkungen. Als Kellers Lehrstuhl für Geographie in Freiburg 1972 auf sein Drängen hin den Zusatz „und Hydrologie“ erhielt, war dies ein Meilenstein zur Etablierung dieses Forschungsgebiets. Fast zeitgleich mit Kellers Wechsel nach Freiburg fiel die Proklamation der „Internationalen Hydrologischen Dekade“ durch die UNESCO. Dabei handelte es sich um ein von 1965 bis 1974 durchgeführtes Programm zur Förderung der Hydrologie. Keller spielte sowohl bei dessen nationaler als auch internationaler Umsetzung eine führende Rolle. In bedeutenden geografischen Fachgremien vertrat er das Gebiet Hydrologie – weniger aus Neigung als aus dem Bewusstsein heraus, dass Forschungsmanagement unerlässlich ist. Von den vielen Forschungsaktivitäten Kellers sei hier nur auf den Hydrologischen Atlas der Bundesrepublik Deutschland (1978) verwiesen, der unter seiner Gesamtleitung erstellt wurde. Dieser gilt „weltweit als mustergültige Interpretation einer Vielzahl von punktuellen Messungen, vorhandenen Informationen und Zusammenhangen“ (H.-J. Liebscher, 1995). Professor Keller blieb auch nach seiner Emeritierung 1989 wissenschaftlich aktiv. Sein Tod im Mai 1995 an seinem Breisgauer Wohnort Bad Krozingen kam völlig unerwartet.
Verfasser: Gregor Brand

 

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